Bauwelt

So viel Messel wie lange nicht

Das Hessische Landesmuseum Darmstadt hat nach mehrjähriger Sanierung wieder geöffnet

Text: Schulz, Bernhard, Berlin

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    Das Hessische Landesmuseum in Darmstadt.
    Foto: Wolfgang Fuhrmannek

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    Das Hessische Landesmuseum in Darmstadt.

    Foto: Wolfgang Fuhrmannek

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    Säulenumgang im Ausstellungsraum des Bad Vilbeler Mosaiks, Ende 2./Anfang 3. Jd. n. Chr.
    Foto: Wolfgang Fuhrmannek

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    Säulenumgang im Ausstellungsraum des Bad Vilbeler Mosaiks, Ende 2./Anfang 3. Jd. n. Chr.

    Foto: Wolfgang Fuhrmannek

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    Raum 1 von Joseph Beuys’ „Block Beuys“ mit Transsibirischer Bahn, 1961, und LICHAMEN, 1967.

    Foto: Wolfgang Fuhrmannek; rechts: © VG Bild-Kunst, Bonn 2014

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    Raum 1 von Joseph Beuys’ „Block Beuys“ mit Transsibirischer Bahn, 1961, und LICHAMEN, 1967.

    Foto: Wolfgang Fuhrmannek; rechts: © VG Bild-Kunst, Bonn 2014

So viel Messel wie lange nicht

Das Hessische Landesmuseum Darmstadt hat nach mehrjähriger Sanierung wieder geöffnet

Text: Schulz, Bernhard, Berlin

Das Hessische Landesmuseum Darmstadt, jener mächtige Bau in der Stadtmitte in Sichtweite der großherzoglichen Residenz nach Entwurf von Alfred Messel (1853–1909), war sieben Jahre lang wegen Renovierung geschlossen. Zur Zeit der Schließung galt es als verbaut, unübersichtlich, einfach nicht mehr zeitgemäß. Auch der Erweiterungsbau des Jahres 1984 vom ortsansässigen Architekten Reinhold Kargel fand keinen Beifall mehr. Und nun dies: Die Verjüngungskur hat ein Juwel des Museumsbaus wiedererstehen lassen. Das Alte ist mit einem Mal das ganz Neue. Denn das 1906 eingeweihte Museum repräsentierte seinerzeit den Stand der Museumskunde – und ist jetzt, nach fünfjähriger Grundsanierung, erneut etwas ganz und gar Zeitgenössisches: Beim Hessischen Landesmuseum handelt es sich nicht um eines der üblichen Kunstmuseen; es handelt sich um ein Universalmuseum, einst dazu bestimmt, die ganze Fülle sammelbarer Objekte aus Natur und Kultur herzuzeigen.
Mit dem Darmstädter Museumsbau erhielt Alfred Messel seinen ersten großen öffentlichen Auftrag – und stieg mit ihm zur Leitfigur der architektonischen Erneuerung im Wilhelminismus nach 1900 auf. 1907 machte ihn der Kaiser zum Generalplaner der Berliner Museumsinsel, der er, der allzu früh verstarb, nur mehr den machtvollen Entwurf für das Pergamonmuseum hinterlassen konnte, den dann sein lebenslanger Freund Ludwig Hoffmann vollendete.
13 Abteilungen besitzt das Hessische Landesmuseum, von Archäologie bis Zoologie. Sie in eine sinnvolle Ordnung zu bringen, nach all den Erweiterungen, aber auch Kriegsverlusten, die das Profil des Hauses immer wieder verändert haben, muss eine enorme Aufgabe gewesen sein. Denn der Museumsbau ist keine black box, die irgendwie gefüllt werden könnte. Er ist ein ausgeklügeltes Ensemble verschiedener Bauteile, die die jeweiligen Sammlungen hervorheben und steigern und so überhaupt erst Unterscheidungen möglich machen. Dass das Museum über eine Million Objekte verfügt, lässt die Schwierigkeit von Auswahl und Reduktion ermessen.
Die Grundzüge von Messels Entwurf sind jetzt so klar erkennbar wie seit der Kriegszerstörung von 1944 nicht mehr, der das historische Darmstadt großenteils zum Opfer fiel. Messel war ein Verfechter der period rooms – Erlebnisräume, die in ihrem Stil und beinahe mehr noch in ihrer Atmosphäre den gezeigten Sammlungsstücken den Rahmen geben. Das Prinzip wurde überaus populär. Alfred Messel, der dem Neoklassizismus verpflichtet war und in der großen, die vier Flügel des Hauses zusammenbindenden Eingangshalle gezielt auf Palladios venezianische Großkirchenbauten zurückgriff, entwarf die entsprechenden Räume, ohne den Objekten aufdringlich zu werden.
Eine Darmstädter Einmaligkeit sind die naturkundlichen Dioramen mit Hunderten präparierter Tiere. Ein Glanzstück ist das Skelett des nordamerikanischen Mastodons, das sich im Obergeschoss unter die Decke ducken muss. Und dann natürlich die Versteinerungen aus der hessischen Grube Messel (sic!), an denen sich die Tierwelt hunderter Jahrmillionen verfolgen lässt. Die Neueinrichtung des Museums nimmt den Sensationscharakter solcher Schaustellung nicht zurück, balanciert ihn aber durch die wissenschaftlich fundierten Wandtexte aus. Das hier ist kein Disneyland, sondern ein Haus, das die Forschungen der Naturkundler für jedermann verständlich macht.
Die architektonische Arbeit der Sanierung oblag dem Hamburger Büro Kleffel Papay Warncke Architekten, die den 2004 ausgelobten Wettbewerb gewonnen hatten (Bauwelt 13.2004). Leider hat das Land Hessen im Sommer 2010 unter bereits laufenden Baumaßnahmen beschlossen, den Anbau von 1984 doch nicht zugunsten eines auf Messels Haus abgestimmten Neubaus zu ersetzen. Die Sanierungskosten waren denn doch zu steil in die Höhe gegangen, von geschätzten 50 auf schließlich 80 Millionen Euro. Nahezu die gesamte Wiederaufbauleistung der frühen 50er Jahre erwies sich als marode. Und da Messels delikate Architekturdetails wieder zum Vorschein kommen sollten, stellte sich der Einbau der heute erforderlichen Haustechnik als besondere Hürde dar. Brandschutz! Allein 680 Rauchmelder gibt es, 280 Lüftungsklappen, vier Kilometer Lüftungskanäle – man erahnt, warum Brandschutz mittlerweile das Schreckensthema aller Architekten und Bauherren darstellt.
Der monumentale Bau mit seinem asymmetrisch an die Seite gesetzten Turm, der keine Funktion für das Museum besitzt, umfasst eine Bruttogeschossfläche von 20.500 Quadratmetern, die Nutzflächen einschließlich des Anbaus von 1984 betragen 18.000 Quadratmeter, von denen die Hälfte für Ausstellungszwecke genutzt wird. 10.000 Quadratmeter Dachfläche mussten neu eingedeckt werden, überwiegend in Kupfer – auf die Patina muss gewartet werden –, und was das Baumanagement sonst noch aufzählt, macht die lange Sanierungszeit verständlich – und lässt die makellose Erscheinung des Messel’schen Entwurfs nur umso strahlender leuchten. 70 Jahre nach seiner Zerstörung ist eines der schönsten Museen Deutschlands wieder zu besichtigen.

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