Späte Ehrungen
für zwei Gestalter der DDR: Karl Clauss Dietel und Rudolf Horn
Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig
Späte Ehrungen
für zwei Gestalter der DDR: Karl Clauss Dietel und Rudolf Horn
Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig
Karl Clauss Dietel erhält den Designpreis der Bundesrepublik Deutschland. Und das Grassimuseum richtet Rudolf Horn eine Ausstellung aus
Mit Karl Clauss Dietel erhält 2014 erstmals ein Formgestalter aus der ehemaligen DDR den Designpreis der Bundesrepublik Deutschland für sein Lebenswerk. Der Preis wird seit 1969 vom Bundesministerium für Wirtschaft verliehen und soll die Bedeutung des Designs insbesondere unter mittelstandspolitischen Gesichtspunkten unterstreichen. Zu den bislang Ausgezeichneten gehören der Modemacher Wolfgang Joop und der Industriedesigner Richard Sapper.
Der 1934 in Sachsen geborene Dietel studierte nach einer technischen Ausbildung im Fahrzeugbau bis 1961 an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Bereits seine Diplomarbeit war der Entwurf eines Autos der unteren Mittelklasse. Dietels Name steht für den Wartburg 353, für die zwischen 1965 und 1988 gebauten Stufenhecklimousine aus Eisenach. Sie war ästhetisch und technisch auf der Höhe ihrer Zeit, einziges Manko: der Dreizylinder-Zweitaktmotor. Ein Nachfolgemodell für den seit 1957 in Zwickau produzierten Trabant zu realisieren, das gelang Dietel und seinem Kollegen Lutz Rudolph jedoch nicht. Die bis zur Produktionsreife fortgeschrittene Entwicklung des P 603, eines Viertakters mit großer Heckklappe, fiel Restriktionen nach dem
Ende des Prager Frühlings zum Opfer. Ironischerweise avancierte die „Rennpappe“ Trabant, laut Dietel das „unwürdigste und in seiner Gestaltung schlimmste Fahrzeug der Welt“, zum Symbol des friedlichen Untergangs der DDR.
Ende des Prager Frühlings zum Opfer. Ironischerweise avancierte die „Rennpappe“ Trabant, laut Dietel das „unwürdigste und in seiner Gestaltung schlimmste Fahrzeug der Welt“, zum Symbol des friedlichen Untergangs der DDR.
Die Wende wiederum vereitelte eine weitere technische Innovation des Teams Dietel und Rudolph, das Radio mit Verstärkermodul rk 90 sensit cubus. Der kleine schwarze Würfel, mit Infrarot aus der Ferne zu bedienen, sorgte 1988 auf der X. Kunstausstellung in Dresden für einen Skandal, so sehr wich er von der gängigen Unterhaltungselektronik volkseigener Produktion ab. Nach einer Prototypenserie handgefertigter Funktionsmodelle war Schluss: den reprivatisierten Hersteller Heliradio ereilte die Insolvenz.
Dietel lehrte unter anderem industrielle Formgestaltung an der Burg Giebichenstein in Halle und verfocht in der DDR die freiberuflich künstlerische Praxis – jenseits des Kollektivs. Er war ab 1974 Vizepräsident im Verband Bildender Künstler und in der Wendezeit ihr Präsident. Heute lebt er als freier Formgestalter in Chemnitz.
Ein perfektionierter Mies
Auf eine lange Lehrtätigkeit an der Burg Giebichenstein kann auch Rudolf Horn zurückblicken. Das Grassimuseum, in Horns Wohnort Leipzig, widmet ihm eine Ausstellung zum 85. Geburtstag. Horn war von 1966 bis 1996 unter anderem Direktor des Instituts für Möbel- und Ausbaugestaltung in Halle. Der gelernte Tischler und Ingenieur für Holztechnologie hat Grundlagenarbeit im industrialisierten Möbeldesign der DDR geleistet. Die Dauerpräsentation seines Montagemöbelprogramms MDW im Grassimuseum ist derzeit um Videoinformationen zu seinem Gestaltungsethos ergänzt: Typisierung und effizienter Einsatz des Materials für variable Arrangements aus Schränken, Tischen, Sitz- und Liegeelementen. Man irrt jedoch mit der Annahme, dass die standardisierte Massenfertigung in verstaatlichter Produktionsweise perfekt der Weltanschauung des Sozialismus entsprach. Auch Horn musste mit Kritik rechnen, seine in der Tradition der 20er Jahre stehenden „Additionsmöbel“ waren ästhetisch wie ideologisch suspekt – offensichtlich wegen der Gestaltungsspielräume, die sie eröffneten. Trotzdem setzte sich das MDW-Programm ab 1967 durch, wurde bis in die Wiedervereinigung hinein in hoher Stückzahl durch die Deutschen Werkstätten Hellerau gefertigt und ist eines der erfolgreichsten Möbelprogramme Europas.
Dass Rudolf Horn auch das Repertoire exklusiven Repräsentationsmobiliars beherrscht, zeigen zwei Exemplare seiner ledergepolsterten Clubsessel. Eine Sitzprobe auf Mies´ Barcelona Chair im Grassimuseum – das Haus verfügt über eines der raren Stücke aus der Zeit um 1930,
als Mies mit verschiedenen Metallwerkstätten nach einer zufriedenstellenden Lösung suchte – fiel wohl so verheerend aus, dass Horn Mitte der 60er Jahre eine Freischwinger-Adaption entwarf. Er ersetzte das Traggestell mit dem starren Kreuzungsknoten durch eine gleichermaßen elegante wie komfortable Konstruktion aus zwei verchromten Bandstahlfedern und vereinfachte die Polsterung und ihren Unterbau. Dieser statuarische Fauteuil, nie in Großserie gegangen, ist mittlerweile ein gesuchtes Sammlerstück.
als Mies mit verschiedenen Metallwerkstätten nach einer zufriedenstellenden Lösung suchte – fiel wohl so verheerend aus, dass Horn Mitte der 60er Jahre eine Freischwinger-Adaption entwarf. Er ersetzte das Traggestell mit dem starren Kreuzungsknoten durch eine gleichermaßen elegante wie komfortable Konstruktion aus zwei verchromten Bandstahlfedern und vereinfachte die Polsterung und ihren Unterbau. Dieser statuarische Fauteuil, nie in Großserie gegangen, ist mittlerweile ein gesuchtes Sammlerstück.
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