Bauwelt

Kühne Luftnummern

Es geht um ganzheitliche Gestaltung. Egal, ob Möbel, Grafik oder Haus. Der Entwurf eines guten Produkts ist nur der Anfang

Text: Josties, Daniel, Berlin

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    Der mobile „Messestand“ erregte während des Salone del Mobile viel Aufmerksamkeit. Nur wenige Handgriffe genügten, ihn auf immer anderen Plätzen in der Stadt aufzubauen.
    Foto: Stefan Damnig

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    Theo Möller (l) und Thomas Beck (r) haben früh erkannt, dass ihre Entwürfe sich gut ergänzen.
    Porträtfoto: Stefan Damnig

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    Theo Möller (l) und Thomas Beck (r) haben früh erkannt, dass ihre Entwürfe sich gut ergänzen.

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    „Tisch Eins“ von Thomas Beck hat eine Zarge, die vorgespannt ist und so große Stabilität bei geringem Gewicht ermöglicht. Er kann um einige Funktionen erweitert werden.
    Foto: Marcus Blättermann und Patrick Müßiggang

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    „Tisch Eins“ von Thomas Beck hat eine Zarge, die vorgespannt ist und so große Stabilität bei geringem Gewicht ermöglicht. Er kann um einige Funktionen erweitert werden.

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    Die einzelnen Entwicklungsschritte verdeutlichen, in welcher Formenvielfalt die Leuchte "BLOW" vorstellbar ist.
    Foto: Theo Möller

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    Die einzelnen Entwicklungsschritte verdeutlichen, in welcher Formenvielfalt die Leuchte "BLOW" vorstellbar ist.

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    Fotos: Theo Möller

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Kühne Luftnummern

Es geht um ganzheitliche Gestaltung. Egal, ob Möbel, Grafik oder Haus. Der Entwurf eines guten Produkts ist nur der Anfang

Text: Josties, Daniel, Berlin

Zwei Studierende der Innenarchitektur an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle/ Saale haben sich mit Entwürfen, die sie während des Studiums entwickelt haben, auf den Markt gewagt. Ohne Unterstützung eines etablierten Designbüros machten sie sich auf die Suche nach Herstellern und Vertriebswegen. „THOBECK_Tisch Eins“ von Thomas Beck kann mittlerweile erworben werden. Bei der Leuchte „Blow“ von Theo Möller fehlt noch die Unterschrift unter dem Vertrag. Dann wird aber auch sie in Serie produziert werden. Um sich und ihre Entwürfe bekannt zu machen, haben die beiden Designer zum Salone del Mobile 2014 eine ungewöhnliche Idee umgesetzt. Da ihnen die finanziellen Mittel fehlten, um sich einen Messestand zu mieten, versahen sie kurzerhand einen PKW-Anhänger mit einem aufblasbaren, transparenten Aufbau. Der Luftdruck reichte aus, um sowohl den Tisch als auch die Leuchte im Innern aufzuhängen. Damit ließ sich die wichtigste Eigenschaft der beiden Entwürfe – ihre Leichtigkeit – deutlich demonstrieren. Mit dem Anhänger hinter einem VW-Bus fuhren sie an Orte, an denen sie potenzielle Interessenten vermuteten, und blieben dort, so lange sie wollten – oder durften. Im Gespräch mit Thomas Beck und Theo Möller wollte ich Näheres über ihre Projekte erfahren.
Ihre Entwürfe sind während des Studiums entstanden und zeichnen sich durch konstruktive und visuelle Leichtigkeit aus. Wie kam es dazu?
Thomas Beck Meine Semesteraufgabe bestand darin, eine Kommode mit einem Gesamtgewicht von 500 Gramm zu entwickeln. Ich studierte die Regeln der Bionik, untersuchte Tragwerkskonstruktionen und beschäftigte mich mit leichten Materialien. Nichts führte zu etwas Greifbarem. Als ich drohte, vor der Aufgabe zu kapitulieren, empfahl mir mein Professor, Klaus Michel, es mit Pappelsperrholz zu versuchen. Dieses ist leicht, aber spröde und brüchig. Die Lösung war ein Schnittmuster für zweidimensionale Bauteile, die durch leichtes Biegen und Ineinanderstecken eine erstaunlich stabile Konstruktion ergaben. Statt einer Kommode entstand das Regal „LB1“. Es wog nur 2,38 Kilogramm bei Außenmaßen von 83x70x46 Zentimetern. Die Entwicklung von „Tisch Eins“ dauerte ein weiters Jahr.
Theo Möller Das Produkt meiner Bachelorarbeit entstand eher zufällig. Ursprungsgedanke war eine Leuchte, die durch die erzeugte Wärme des Leuchtmittels in die Höhe steigt. Aus Rettungsfolie und einer 1000-Watt-Glühbirne baute ich einen Prototyp. Dieser flog auch ein wenig, war aber kaum zu einem funktionierenden Produkt weiterzuentwickeln. Weitere Experimente brachten mich auf Idee eines aufblasbaren Rohrs mit integriertem LED-Streifen. Dieses war superleicht, minimalistisch und konnte mit einfachen Mitteln weiterentwickelt werden. Bald schon hatte ich die erste 4 Meter lange „Blow“ mit einem Gewicht von nur 600 Gramm. Ideen müssen an unserer Hochschule nicht unbedingt realitätsnah sein. Wer braucht schon eine fliegende Lampe? Eigentlich eine irreale Idee, aus der aber ein realer Entwurf geworden ist, der hoffentlich eine eigenständige Antwort auf die Entwicklung der LED-Technik gibt.
Herr Beck, Ihr Tisch ist bereits zu kaufen. Der Weg dorthin war jedoch ungewöhnlich.
TB Ich war mit den ersten Prototypen auf Messen, und das Interesse war groß. Nur fehlte meist die Vorstellungskraft, dass aus den Prototypen verkäufliche Möbel werden könnten. Alle Argumente, wie z.B. das enorm geringe Gewicht, die schnelle Herstellungsweise, die extrem dünne Verpackung und Einfachheit der Montage, stießen immer auf Begeisterung, vermochten jedoch die Angst vor dem Prototypenstatus letztlich nicht zu nehmen. Ich schrieb damals für eine Fachzeitschrift einen Artikel über Leichtbau mit dünnen Plattenmaterialien, woraufhin sich unter anderem ein mittelständisches Unternehmen bei mir meldete und mir ein Material-Sponsoring zusagte. Ich machte aus Freude an der Auseinandersetzung mit der Thematik weiter. Heute arbeiten wir zusammen, verkaufen „Tisch Eins“ mit steigendem Absatz, und suchen weitere Partner.
Herr Möller, Sie haben sich schon früh auf die Suche nach einem Hersteller gemacht, der Ihren Entwurf vermarktet. Wie beurteilen Sie heute Ihre Herangehensweise?
TM Auf meinen Messebesuchen haben sich zahlreiche Kontakte ergeben. Vor allem der Auftritt auf der Light and Building im April 2014 war ein Erfolg. Ich habe einen Produzenten in Deutschland gefunden, der die Leuchte nun herstellen wird. „Blow“ wird voraussichtlich ab 2016 im Fachhandel erhältlich sein. Die Messen in Mailand, Frankfurt und Köln sind ein gute Möglichkeit, um auf die eigenen Entwürfe aufmerksam zu machen, vor allem für uns als Nachwuchs-Designer. Ein ganzes Konzept für einen Messestand zu erarbeiten, den perfekten Auftritt zu planen, bedeutet aber richtig viel Arbeit und kostet Mühe und viel Geld. Für einen alleine eigentlich kaum zu stemmen. Neben dem Besuch von Messen ist für uns aber auch die Teilnahme an Wettbewerben enorm wichtig.
Gehört es heute zu den Fähigkeiten eines guten Möbelgestalters, die Vermarktung des Entwurfs selbst in die Hand nehmen zu können?
TB Dinge zu gestalten ist das eine. Sie zu entwickeln das andere. Sie zu verkaufen wieder etwas ganz anderes. Das Internet ermöglicht schnell und unkompliziert Zugang zu Vertriebswegen. Jeder und jede hat die gleichen Chancen, was den Markt natürlich überquellen lässt, dies steigert aber auch die Qualität. Ich glaube im Groben nur folgende Alternativen zu kennen:
– Finde einen der wenigen festen Jobs im Bereich deiner Wahl und habe das Glück, dort deinen Fertigkeiten und deinem Stil entsprechend gestalten zu dürfen.
– Finde Unternehmen, die deinen Stil mögen und deine Entwürfe unter ihrem Namen produzieren und verkaufen.– Gestalte Dinge, die du selbstständig entwickeln und produzieren (lassen) kannst, und sei glücklich, wenn sie jemand kauft. Zugrunde liegt immer das Prinzip: „einfach machen“.
TM Da kann ich Thomas nur beipflichten, auch in der Innenarchitektur und Architektur gilt der Ansatz: Es geht um ganzheitliche Gestaltung. Egal, ob Möbel, Grafik oder Haus. Der Entwurf eines guten Produkts ist nur der Anfang. Die Vermarktung muss jeder selbst in die Hand nehmen, und die Fähigkeit dazu ist unbedingt notwendig. Die gute Präsentation einer Arbeit und strukturiertes Verhandeln mit möglichen Interessenten sind die Voraussetzung zum Erfolg. Mir fällt neben den drei Wegen, die Thomas aufgezeigt hat, eigentlich nur noch der Geniestreich ein. Alle 100 Jahre soll so etwas ja vorkommen.
Sie haben gemeinsam im letzten Jahr zur Mailänder Möbelmesse eine ungewöhnliche Aktion gestartet. Wie kam es dazu? Hatten Sie Erfolg?
TB Das schönste Luftschloss auf Erden! Ich denke, es war erfolgreich. Es war ein hartes Stück Arbeit, aber extrem aufregend. Wir haben Kontakte geschlossen und dabei auch noch viel Spaß gehabt. Der Salone del Mobile ist kein Ort, um sich mit wenig Geld auf die guten Plätze zu setzen. Umso besser lief es, weil wir gar keinen Platz gemietet hatten und doch an allen wichtigen Orten zu sehen waren und aufgefallen sind.
TM Die Idee war anders als alles, was wir kannten. Genau das braucht es, um in Mailand aufzufallen. Ein kleiner Hänger mit großer Wirkung. Ein Ausstellungsraum zum Aufblasen. Der Erfolg auf der Messe war anders als in Frankfurt, weniger Fachbesucher, mehr Show. Aber genau das hatten wir die Jahre zuvor in Mailand schon erkannt, und daher war unser Auftritt eher als Aktion zu sehen. Große Show mit wenigen Mitteln, und das ist uns auch voll und ganz gelungen. Mit unserem mobilen Stand haben wir viele Designinteressierte erreicht und uns bekannt gemacht.
Fakten
Architekten THOBECK_Tisch Eins
aus Bauwelt 11.2015
Artikel als pdf

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