Bin ich noch ein Haus?
Erwin Wurms „Fat House“ im Skulpturenpark Wuppertal
Text: Winterhager, Uta, Bonn
Bin ich noch ein Haus?
Erwin Wurms „Fat House“ im Skulpturenpark Wuppertal
Text: Winterhager, Uta, Bonn
Schwer sitzt das fette Haus auf der Wiese unter der blühenden Magnolie, sein Anblick erschreckend menschlich, erschreckend entstellt. Die schiere Masse des Materials ist überall zuviel, die Fenster zugequollen zu winzigen Äuglein, die Tür ein zahnloser Mund, der sich nach noch mehr Futter zu sehnen scheint. Obendrauf sitzt ein rotes Satteldach fast unberührt von dem Drama, das sich darunter abspielt – ein trauriges Souvenir besserer Zeiten, als alles noch im Lot war.
Der Skulpturenpark Waldfrieden ist ein Idyll am Stadtrand von Wuppertal. Hier zeigt der Bildhauer Tony Cragg neben seinen eigenen Werken auch die von geschätzten Kollegen, so wie derzeit Erwin Wurms Ausstellung „Am I Still A House?“.
Ob ein Haus immer noch ein Haus ist, wenn es fett oder zerdrückt, zerschossen oder angeschmolzen ist und nur noch entfernt an seine eigentliche Gestalt erinnert, ist eine durchaus berechtigte Frage. Doch Erwin Wurm ist Künstler, kein Architekt. Seine Häuser sind seine Opfer und seine Medien, und das unterscheidet ihn von Architekten, deren Häuser funktionieren müssen. Als Künstler sieht Erwin Wurm seine Aufgabe darin, der Welt den Sinn zu entziehen. Das tut er, wenn er Gegenständen ihre Funktion vorenthält und – wie hier – das Haus zur Skulptur macht. Aus der Form geraten und somit unbewohnbar werden seine Häuser zu einem Instrument für etwas ganz anderes. Sie berühren uns mit einem Schicksal, das nicht ihr eigenes sein kann. Ein Haus wird nicht fett wie ein Mensch, es schmilzt nicht wie ein Stück Butter. Und dennoch muss der Besucher mit ansehen, wie leicht zu irritieren, zu verletzen und zu manipulieren das ist, was ihn doch schützen soll.
Es sind also durchaus ernste Gedanken, die diese eigentlich absurden und komischen Skulpturen transportieren. Einige von ihnen, darunter die Serie „Samurai & Zorro“, sind Modelle realer Bauten: der Wiener „Narrenturm“, das Staatsgefängnis St.Quentin („Zorro“) oder das Hochsicherheitsgefängnis „Stammheim“. Modelle, die in verkleinerter Form, in Bronze oder Acryl, die äußere Form der Baukörper wiedergeben, die Wurm – als Aufbegehren gegen die darin praktizierte Konformität und Normierung – deformiert und mit mal mehr, mal weniger Gewalt zerstört hat. Doch nicht nur die Spuren, die seine Füße, Knie, Ellbogen und sein Gesäß hinterlassen haben, zeugen von seinem Körpereinsatz, kleine Videosequenzen dokumentieren den Akt.
Noch einmal zurück zum „Fat House“. Das hadert nicht mit der Welt, sondern mit seiner eigenen Existenz. Fast schmerzhaft endet der lange Monolog der in seinem Inneren gezeigten Videoprojektion mit der Frage: „Is this art or dogshit?“. Natürlich bist du Kunst, möchte man rufen, sonst hätten wir dich nicht so liebgewonnen!
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