Bauwelt

Exzellenter Verkäufer seiner Arbeit

David Adjaye im Haus der Kunst in München

Text: Schulz, Bernhard, Berlin

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    Elektra House, London, 2000
    Foto: Lyndon Douglas

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    Modell des Museum of African American History and Culture
    Foto: Wilfried Petzi

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Exzellenter Verkäufer seiner Arbeit

David Adjaye im Haus der Kunst in München

Text: Schulz, Bernhard, Berlin

Anfang Juni wird die Kunstwelt wieder auf Venedig schauen, dann öffnet die Kunstbiennale ihre Tore. Diesmal wird es mehr denn je auch für Architekten angeraten sein, das Corderie und die angrenzenden Gebäude im Arsenal zu durchwandern. Der Leiter der 56. Biennale, Okwui Enwezor, hat den Londoner Architekten David Adjaye zum Gestalter der zentral bespielten Räume bestimmt. Und Adjaye, der seine Karriere um die Jahrtausendwende mit Häusern für Künstler und Sammler begann, kennt die spezifischen Bedürfnisse der Präsentation von Kunst.
So verwundert es nicht, dass Enwezor, der neben vielen Ämtern auch die Leitung des Hauses der Kunst in München innehat, Adjaye dort die erste Einzelausstellung ausrichtet. Nebenbei tritt er damit in Konkurrenz zum Architekturmuseum der TU, das unter seinem neuen Direktor Andres Lepik stärker auf Gegenwartsarchitektur setzt. Wie dem auch sei, in den riesigen Räumen des Hauses der Kunst kann Adjaye sein für 15 Jahre Arbeit erstaunlich reiches Œuvre eindrucksvoll ausbreiten.
Man liegt gewiss nicht falsch, wenn man Adjaye als künftigen Star der internationalen Architekturszene bezeichnet. Und das ist nicht allein der geografischen Verteilung seiner Bauten und Entwürfe geschuldet, die sich einerseits von London bis Nordamerika, andererseits von Moskau bis Katar und auch in Afrika finden lassen. Es ist die erstaunliche Wandlungsfähigkeit seiner Architektur, gepaart mit deren öffentlicher Sichtbarkeit, die Adjaye zu einer solchen Karriere prädestiniert. Geboren als Sohn ghanaischer Diplomaten in Tansania und 1979 nach London gekommen, wo er Architektur studierte – und heute lehrt –, verkörpert er das Idealbild der kosmopolitischen global society.
Längst ist das Spektrum von Adjayes Bauten über gut dotierte Wohnhäuser hinausgewachsen. Furore machte er mit seinen Bibliotheken, die er in rascher Folge für London und für die US-Hauptstadt Washington entwarf. Und in Washington ist sein bislang größtes Projekt im Bau: das National Museum of African American History and Culture, das die Smithsonian Institution auf dem letzten freien Platz an der Mall in unmittelbarer Nähe des Washington-Denkmals errichten lässt. In diesem Museum, die veranschlagten Kosten liegen bei einer halben Milliarde Dollar, kann Adjaye seine Erfahrung mit ineinander verschachtelten, nicht-hierarchisch gegliederten Räumen ausspielen. Das Überraschende an dem ausladenden Bau ist die Fassade, die dreifach übereinander auskragt und durch die so zwischen den Geschossen entstehenden Schlitze das Licht der in Washington hoch stehenden Sonne „einsaugt“. Noch überraschender: die ornamentale Verkleidung mit in einer Art Blumenmuster gestalteten Metallvorhängen, wie sie in der zeitgenössischen Architektur verstärkt zu sehen sind und eher auf islamische Ursprünge verweisen.
Aufgeladen mit der üblichen Rhetorik
Das Spiel mit Licht und Schatten, mit Zugänglichkeit und Abgeschlossenheit bildet ein Grundmuster von Adjayes Architektur. Das Wortgeklingel, das die Erläuterungstexte der Ausstellung hören lassen, kann man getrost vergessen; es ist die übliche Rhetorik von Demokratie, Transparenz und vor allem Kontext. Warum nicht einfach feststellen, dass es etwa den als „Idea Stores“ bezeichneten Bibliotheken in sozial problemati-schen Bezirken des Londoner Ostens gelingt, Menschen einzuladen, ohne sie in ihrer räumli-chen Orientierung zu bevormunden, und somit zu erfüllen, was sich wohl alle Bibliotheken rund um den Globus auf ihre Fahnen geschrieben haben, nämlich Orte der Information und des Austauschs zu sein, eben idealtypische öffentliche Räume! Und ob es hilfreich ist, das Washingtoner Museumsvorhaben im Ausstellungsführer mit den Worten zu belasten, es werde „nicht nur die Errungenschaften der Afroamerikaner feiern, sondern will auch den Erwartungen der gesamten afrikanischen Diaspora gerecht werden“? Ein Museum soll Information anhand authentischer Objekte liefern und weder „feiern“ noch eine Diaspora zufriedenstellen.
Adjaye hat sich intensiv mit den urbanen Strukturen Afrikas beschäftigt und 52 der 54 Hauptstädte des Kontinents bereist, um den Eigenarten der weitgehend ungeplanten Zentralstädte Afrikas auf die Spur zu kommen. Davon zeugt eine auf mehrere Monitore verteilte Endlos-Diavorführung, darauf beruhen die Planungsvorschläge, die Adjaye für mehrere der Städte geliefert hat. Doch gerade die überzeugen nicht. Rechtwinklig sich kreuzende Straßenachsen, Funktionstrennung, blockhafte Aufreihung von Gebäuden – das Vokabular, das afrikanische Potentaten gerne von den früheren Kolonialmächten übernehmen, ist Adjayes Plänen nicht fremd.
Für den globalen Markt gerüstet
Am besten ist er da, wo er seiner hybriden Architektur ohne ideologischen Überbau freien Lauf lässt. Der Entwurf für das Museum der Sklaverei in Cape Coast/Ghana kommt ohne histori-sierende Zitate aus und könnte ebenso gut ein Kunsthaus in Europa beherbergen. Das im nordenglischen Wakefield als „Markt“ über den variablen Ständen aufgespannte Dach ist ein für vielerlei Funktionen verwendbarer Wetterschutz. Das Apartmenthaus von Sugar Hill in Harlem ist mit der rhythmischen Staffelung der Obergeschosse über einem grundstücksbreiten Sockelbau und der eleganten Ornamentierung der Fassaden aus Betonfertigteilen ein Musterbeispiel urbaner Architektur (Bauwelt 44.2014).
Die Ausstellung versammelt – neben zahlreichen großvolumigen Modellen – an den Wänden das, was Adjaye „storyboard“ nennt – Skizzen, Pläne, Fotos zu den Projekten, die vor allem den viel beschworenen Kontext darstellen sollen. Mit den topografischen, sozialen und historischen Voraussetzungen eines Bauvorhabens beschäftigen sich andere Architekten genauso – ohne dies jedoch derart plakativ vorzuführen. David Adjaye ist ein exzellenter Verkäufer seiner Arbeit und damit bestens gerüstet für den globalen Markt, dessen knappste Ressource die Aufmerksamkeit ist. Doch mit wachsendem Œuvre muss er diese Aufmerksamkeit immer weniger erregen, seine Architektur steht für sich.
Fakten
Architekten Adjaye, David, London
aus Bauwelt 8.2015
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