Paul Schneider-Esleben
Mit Bauten wie der Haniel-Garage und dem Mannesmann-Hochhaus in Düsseldorf hat er die Nachkriegsarchitektur in Deutschland mitgeprägt; am 23. August wäre er hundert Jahre alt geworden
Text: Maier-Solgk, Frank, Düsseldorf
Paul Schneider-Esleben
Mit Bauten wie der Haniel-Garage und dem Mannesmann-Hochhaus in Düsseldorf hat er die Nachkriegsarchitektur in Deutschland mitgeprägt; am 23. August wäre er hundert Jahre alt geworden
Text: Maier-Solgk, Frank, Düsseldorf
Es sind längst nicht mehr nur Nostalgiker, die die Architektur der bundesdeutschen Nachkriegsmoderne schätzen, wirken doch die konstruktive Eleganz und die filigrane Ästhetik vieler Gebäude der 50er und frühen 60er Jahre bis heute regelrecht als Kontrastfolie zur späteren Massenware. Zu den wichtigsten Exponenten dieser ästhetischen und ökonomischen Aufbruchjahre gehört der Düsseldorfer Paul Schneider-Esleben (1915-2005). Sein 100. Geburtstag am 23. August ist Anlass für eine Reihe von Veranstaltungen: in München, wo sich an der Technischen Universität seit 2005 der Nachlass befindet; in Düsseldorf, wo der größte Teil seiner Bauten steht.
Die erstmalige wissenschaftliche Aufarbeitung der über 30.000 Zeichnungen, Skizzen und Pläne, Ausstellung, Katalog, Vorträge von Kunst- und Architekturhistorikern im Münchner Architekturmuseum, in Düsseldorf (ab 23. August) eine Doppelausstellung des „M:AI – Museum für Architektur und Ingenieurkunst NRW“ in der Architektenkammer und im „Originalschauplatz“ Mannesmann-Hochhaus – die Aktivitäten zum Jubiläum unterstreichen die Bedeutung des Architekten, belegen aber gleichzeitig einen gewissen Nachholbedarf. Zwar fehlen sie in den Büchern zur Architektur des 20. Jahrhunderts nur selten, die wichtigsten Gebäude von Schneider-Esleben: das Mannesmann-Hochhaus (1958), das erste durch US-Vorbilder inspirierte Hochhaus in Deutschland mit einer Curtainwall-Fassade aus leichten, emaillierten Blechpaneelen; die Hanielgarage, das erste Großparkhaus der Nachkriegszeit (1953), dessen filigrane, transparente Konstruktion sich wie ein Exponat ihrer selbst zur Schau stellt; die Rochuskirche (1965), ein skulpturaler Kirchenbau, der dem „unbehausten Menschen“ jener Jahre eine aus paraboloiden Schalen geformte Schutzhülle bot. Doch trotz dieser Sequenz regelrecht ikonischer Bauten ist Paul Schneider-Esleben im Vergleich zu anderen Architekten bislang nachrangig behandelt worden. Die Literatur über ihn ist bis auf eine Biographie und ein Buch von Heinrich Klotz aus den 80er Jahren schmal. Liegt es daran, dass Schneider-Eslebens Bekanntheitsgrad außerhalb der Rheinlande eher gering ist? Oder bereitet die stilistische Variationsbreite Schneider-Eslebens, die von technoider Eleganz bis zum Betonbrutalismus reicht, Schwierigkeiten bei der Einordnung seiner Arbeit? Die TU München und die Verantwortlichen in Düsseldorf füllen eine Lücke in der Erkundung der Nachkriegszeit.
Gut 20 Projekte zeigt die Münchner Ausstellung in einer andeutungsweise durch Kabinette gegliederten Enfilade: von den Villen der frühen 50er Jahre über den offiziellen Karrierehöhepunkt, den 1970 eröffneten Köln-Bonner Flughafen, und das brutalistische Ordenshaus der Jesuiten in München (1965) bis zum Ziegelbau der Aussegnungshalle in Bückelhoven-Baal (1986). Komplettiert wird diese mehr als 35 Jahre umfassenden Übersicht durch Sitzmöbel, die Schneider-Esleben für manches Interieur gestaltete, aber auch Halsketten und Broschen, die er selbst entwarf. Die Preziosen der Ausstellung sind aber die zierlichen, orginalen Holzmodelle und die vielen Originalzeichnungen, die nie zuvor gezeigt wurden. Eine Reihe von Interviews mit heutigen Nutzern der Bauten bietet eine sinnvolle Ergänzung. Ein wenig mehr Zeitkolorit, etwa einen Seitenblick auf die damalige Kunstszene, die für Schneider-Esleben eine wichtige Rolle spielte, hätte man sich noch gewünscht; die kulturhistorische Einbindung bleibt bei Architektur-Fachausstellungen leider oft eine Leerstelle. Dafür bietet der Katalog ein grafisch und fotografisch gelungenes Porträt der Epoche.
So schält sich beim Gang durch das Münchner Museum und beim Blick in den Katalog dann doch ein spezifischer Eindruck heraus, der das Œuvre Schneider-Eslebens genauer qualifiziert. Mehr noch als bei anderen Vertretern der Nachkriegsarchitektur wird bei ihm gerade durch die typologische Bandbreite das Selbstverständnis eines Künstlerarchitekten deutlich. Fast alle Bauten zeichnet der Duktus eines autonomen Unikats aus, mit dem der Architekt für die jeweilige Aufgabe Maßstäbe setzen wollte: das frühe Hochhaus in seiner dezenten Schlankheit nicht weniger als das (später leider abgerissene) ARAG-Terrassenhochhaus; der die baukünstlerische Tradition betonende Zentralbau der Rochuskirche nicht weniger als das Parkhaus, das die Konstruktivät als Muster des Automobil-Zeitalters gleichsam auf ein gläsernes Podest stellte.
Paul Schneider-Esleben erfolgreichste Zeit waren die 50er Jahre; später gelangen ihm vor allem wohl wegen der überschaubaren Größe seines Büros nur mehr selten Wettbewerbserfolge. Umso interessanter ist diese erste Zeit des Durchbruchs einer international geprägten Moderne, die die damaligen, noch an klassizistische oder neoklassizistische Formen gewohnten Wahrnehmungsmuster in Architektur und bildender Kunst erst zu sprengen hatte. Nicht zuletzt in dieser grundsätzlichen Funktion ist das Werk Paul Schneider-Eslebens eine eingehende Beschäftigung wert.
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