Werkstatt der Scheinwerfer
.PSLAB wurde vor einigen Jahren bekannt durch Installationen alter Autoscheinwerfer in London und Antwerpen. Heute inszeniert das Beiruter Team weltweit das Licht für Interieurs und experimentiert dabei mit einfachen Stahlrohrkonstruktionen
Text: Redecke, Sebastian, Berlin
Werkstatt der Scheinwerfer
.PSLAB wurde vor einigen Jahren bekannt durch Installationen alter Autoscheinwerfer in London und Antwerpen. Heute inszeniert das Beiruter Team weltweit das Licht für Interieurs und experimentiert dabei mit einfachen Stahlrohrkonstruktionen
Text: Redecke, Sebastian, Berlin
Beirut boomt. Das hatte ich nicht erwartet. Von den Spannungen im Norden und Süden des Landes durch radikale Gruppierungen und den Grenzkonflikten mit Israel und Syrien ist im Zentrum der Hauptstadt nichts zu spüren. Hier entstehen vor allem Türme mit Luxuswohnungen. Die alte Bebauung am Märtyrerplatz ist leider nicht mehr vorhanden. Sie fiel den Zerstörungen des Bürgerkriegs 1975–91, der damals die Stadt in ein christliches Ost- und ein arabisches Westbeirut teilte, und dem angeordneten radikalen Abriss zum Opfer. In der Nähe des Platzes stehen an einer Schnellstraße zwei Werkhallen und fünf alte Olivenbäume. Sie passen nicht an diesen Ort der Spekulanten und Investoren. Man gewinnt den Eindruck, dass sich hier jemand vehement gegen den Druck des Geldes gestemmt hat.
In den alten, unscheinbaren Hallen befinden sich die Werkstätten des Büros für Lichtplanung .PSLAB, das vor gut zehn Jahren gegründet wurde. Inzwischen ist das Büro auch an anderen Standorten tätig, darunter in Stuttgart und Bologna. Man sieht sich als „Designmanufaktur“, die entsprechend dem Auftrag und den Gegebenheiten individuelle, objektbezogene Lichtlösungen entwickelt. Das Team, bestehend aus Designern, Architekten und Technikern, arbeitet bei der Produktentwicklung eng zusammen, angefangen von der Konzeption bis zur Konstruktion. Heute verfüge man über 300 Bausteine aus den vergangenen Projekten, aus denen sich immer wieder Neues entwickeln lässt.
In Beirut hat sich das Büro schnell einen Namen gemacht, mit Lichtinstallationen für die Wohnungen, Läden, Büros und Galerien einer betuchten Klientel. Allerdings war man bereits schon zuvor gut in die Geschäftswelt eingebunden gewesen: Der Vater von Dimitri Saddi, dem Gründer von .PSLAB, ist Inhaber eines metallverarbeitenden Betriebs.
Die Entwürfe der Lichtplaner sind geprägt von einem zum Teil sehr eigenwilligen gestalterischen Ansatz. Dies zeigt sich vor allem auch bei einem eher experimentellen Auftrag in London, der bereits sieben Jahre zurückliegt. Damals entwickelten sie mit dem Büro DOS Architects (Lorenzo Grifantini und Tavis Wright) ein Konzept zur Beleuchtung des Treppenhauses vom Architekturbüro in der Lever Street nördlich von Barbican. Sie besteht aus einer Komposition von alten, miteinander offen verkabelten Autoscheinwerfern von Lancia, Mazda, Buick bis Volkswagen und Peugeot. Zwei Jahre später gestalteten sie zur Clerkenwell Design Week eine temporäre Installation an der Fassade des Architekturbüros. Hier fanden 220 Originalscheinwerfer dicht an dicht auf Rundrohren Platz. Sie strahlen nicht nur auf die Straße, sondern im Bereich eines Fensters auch nach innen und sorgen so für einen grellen Lichteffekt. Die Wiederverwendung alter Scheinwerfer für Lichtinstallationen wurde publik. Was geschieht aber, wenn einer von ihnen streikt? Trotz neu installierter Lichtkörper ist eine Reparatur sicherlich mit größerem Aufwand verbunden. 2010 montierte .PSLAB mit dem Architekten Vincent van Duysen in einem Showroom an Antwerpens Graanmarkt weitere Autoscheinwerfer.
Der ausgeprägte Werkstattcharakter und das prozesshafte Arbeiten auch mit Elementen aus ganz anderen Bereichen und älteren Projekten ergeben immer wieder neue Ideen. Zuletzt sorgte eine gewaltige, 800 Kilogramm schwere Deckenleuchte im Antwerpener Groen Kwartier für Staunen. Innenarchitekt Piet Boon hat in der Kapelle eines ehemaligen Militärkrankenhauses aus dem 19. Jahrhundert ein Restaurant eingefügt. Die 150 „Tentakel“-Stahlrohre des „Kronleuchters“, an deren Enden die Leuchtkörper angebracht sind, zeigen in alle Richtungen.
Seit Dezember letzten Jahres präsentiert sich .PSLAB eher gediegen. In Melbourne entwarfen sie zusammen mit der Architektin Kerstin Thompson (KTA) einen Store für Aesop, eine australische Kette mit gesunden Pflegeprodukten für Haut, Haar und Körper – fast alles in Fläschchen und Tuben. Der Raum wurde sehr reduziert mit geleimten Holz ausgestaltet, in dem die verschiedenen Ausstellungsfelder integriert sind. Dies passt gut zum Anliegen des Unternehmens: „Wir stellen jedes Produkt mit derselben Liebe zum Detail her, die unserer Meinung nach auch allgemein im Leben gelten soll, und tun dies unter Berücksichtigung des Klimas und der Umwelt, in der unsere Kunden leben und arbeiten.“ Außerdem empfiehlt das Unternehmen die Anwendung seiner Produkte sehr geschickt „als Teil eines ausgeglichenen Lebenswandels, beruhend auf gesunder Ernährung, einem vernünftigen Maß an Körperbewegung, mäßigem Rotweinkonsum und einer regelmäßigen Dosis stimulierender Literatur“. Die mutigen experimentellen Jahre bei .PSLAB scheinen also passé. Die letzten Arbeiten lassen nicht mehr auf die Beiruter Werkstatt schließen. Den Hamburger Aesop-Store, der im Januar eröffnet wurde, entwarf wiederum der belgische Architekt Vincent Van Duysen mit .PSLAB; den Berliner die Innenarchitekten Weiss-heiten (Hölzer und Kohlhaas).
Beirut, die Stadt der Gefahren, wie man meinen möchte, erweckt im Geschäftsviertel einen ganz anderen Eindruck. Es gibt zwar eine politisch fragile Regierung, aber man ist voller Zuversicht, dass die wirtschaftliche Entwicklung weitergeht und der Stadt eine große Zukunft bevorsteht. Aber Beiruts Mitte mit ihrem Luxus und die Villenviertel an den Hängen bleiben Inseln in der von vielen Problemen gebeutelten Stadt.
Auf dem so kostbaren Grundstück der Werkhallen soll sich nun doch etwas tun. .PSLAB plant mit dem Beiruter Architekten Youssef Thome einen Neubau, nicht nur, um mehr Platz zu haben, sondern vor allem aus kommerziellen Interessen. Die Entwurfspläne möchte man mir noch nicht zeigen, räumt aber ein, dass die Verlockungen, hier neu zu bauen, zu groß sind. Das Geld drängt.
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