Bauwelt

Als Italien laufen lernte

Eine große Foto-Ausstellung in Rom zelebriert die Aufbruch­stimmung der 1950er und 1960er Jahre

Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin

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    Die Schönheit des Wirtschaftswunders liegt nicht nur in der Architektur begründet, ...
    Foto: CSAC Università di Parma

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    Foto: CSAC Università di Parma

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    ... sondern auch in der Kunst, Erreichtes gemeinsam zu feiern.
    Foto: Fondo Vestri/Biblioteca Comunale Montevarchi

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    ... sondern auch in der Kunst, Erreichtes gemeinsam zu feiern.

    Foto: Fondo Vestri/Biblioteca Comunale Montevarchi

Als Italien laufen lernte

Eine große Foto-Ausstellung in Rom zelebriert die Aufbruch­stimmung der 1950er und 1960er Jahre

Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin

Vom Italien der 50er und 60er Jahre geht bis heute eine Faszination aus, die sich einem gesellschaftlichen Aufbruch verdankt, der nicht nur wundersame Wirtschaftsdaten beinhaltete, sondern auch kulturelle Wegzeichen setzte, welche die vom Krieg gezeichnete und vom Bürgerkrieg zerrissene Nation auf vielen Gebieten in Windeseile an die Spitze der Entwicklung katapultierte – man denke an Mode und Design, Kino und Fotografie, Literatur und populäre Musik, Kunst und Architektur. Eine Ausstellung im Palazzo Braschi an Roms Piazza Navona weckt mit rund 160 zeitgenössischen Fotografien Erinnerungen an jene Zeit, die angesichts der heutigen Probleme des Landes viel länger zurückzuliegen scheint, wie eine ganz andere Epoche wirkt.
Zehn Kapitel umfasst die Schau, in denen verschiedene Facetten der gesellschaftlichen Entwicklung zwischen 1946 und 1961 anschaulich werden: Bilder von bekannten Fotografen wie aus populären Magazinen, viele aus dem Fundus des römischen Istituto Luce. Ausdrücklich unterstreichen die Kuratoren Enrico Menduni und Gabriele d’Autilia, dass die innenpolitischen und weltanschaulichen Spannungen, der Kontrast der unterschiedlichen Lebenswelten nicht die Entwicklung behinderte, sondern im Gegenteil eher beflügelte, quasi als Treibstoff des „miracolo economico“ zu begreifen ist – anders denn als Kommentar zur italienischen Gegenwart lässt sich diese die Schau einleitende Feststellung kaum verstehen.
Für Architekten hat die Ausstellung selbstverständlich auch ein eigenes Kapitel zu bieten, es ist das vorletzte, und sein Name legt nahe, dass vor allem die Stadtentwicklung jener Jahre inzwischen eher als problematisches Erbe begriffen wird: „Le Mani sulla città“, „Hand an die Stadt“. Die aufgebotenen Bilder sind denn auch nicht die von architektonisch viel beachteten Ikonen, wie sie in den letzten Jahren neu entdeckt worden sind – man denke nur an die „Italo modern“-Ausstellungen und -Bücher, welche die baulichen Schöpfungen jener Jahre in Norditalien feierten. Gezeigt werden eher Eingriffe in den historischen Stadtkörper wie die Schneisen, Hochstraßen und Unterführungen, die für den reibungslosen Fluss des rasant wachsenden Verkehrs sorgen sollten, und spekulative Entwicklungen in der Peripherie, die ohne soziale Infrastruktur, gestaltete Außenräume und öffentliche Verkehrsanbindung schnell zu Problemen führten, die bis heute einer Bewältigung harren.
Doch dieses Kapitel ist das einzige, das dezidiert Distanz hält zu den damaligen Entwicklungen. Und bis der Besucher es erreicht, hat er so viel Schönheit und Lebenslust gesehen und belauscht, so viel Aufbruch auf den unterschiedlichsten Gebieten wahrgenommen, dass diese Fehlentwicklungen den Gesamteindruck nicht trüben können – den eines Landes, das zum Überholmanöver ansetzte, mit so viel Stilbewusstsein und Lässigkeit wie Vittorio Gassman als „Bruno“ am Steuer der Lancia Aurelia im Film „Il sorpasso“ von 1962, von dem die Schau ihren Namen borgt. Dass in jenem „Überholmanöver“ die mit so viel Leichtigkeit begonnene Spritztour in der Katastrophe endet, auch das ist ein mehr als eindeutiger Kommentar der Ausstellung zur Entwicklung, die die italienische Nachkriegsgeschichte genommen hat.

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