Aus Flüchtlingsbauten lernen
Zwischen Ankunftsort und Planungsstopp: Ein Frankfurter Symposium widmete sich der Frage, wie „Making Heimat“ langfristig weitergehen kann
Text: Kaçel, Ela
Aus Flüchtlingsbauten lernen
Zwischen Ankunftsort und Planungsstopp: Ein Frankfurter Symposium widmete sich der Frage, wie „Making Heimat“ langfristig weitergehen kann
Text: Kaçel, Ela
Was kann man aus Flüchtlingsbauten lernen, um bezahlbaren Wohnraum für alle zu schaffen? Diese Frage war der Impuls für das Symposium „Flüchtlingsbauten“, das Ende März im Deutschen Architekturmuseum im Rahmen der Ausstellung „Making Heimat. Germany, Arrival Country“ stattfand. Grundlage war der jüngst erschienene Flüchtlingsbautenatlas. Dieser stellt insgesamt 57 Projekte aus 13 Bundesländern vor, die von temporären Massenunterkünften in Modulleichtbauweise bis zu kleinmaßstäblichen Gemeinschaftsunterkünften um Innenhöfe reichen.
In neun Vorträgen, fünf Diskussionsrunden und dem vorliegenden Atlas wurde deutlich: Seit dem „Sommer der Migration“ im Jahr 2015 ist der deutsche Diskurs zu Flucht in ständigem Wandel – in der Politik wie auch in der Architektur. Mit Blick auf den Rückgang der Flüchtlingszahlen beschließen nun einige Bundesländer und Städte Planungsstopps. Ankunftsorte werden zu Wohnquartieren und Flüchtlingsbauten zu Sozialwohnungen umgeplant. Jenseits von Containersiedlungen mit ihren Konflikte auslösenden Räumen und unwürdigen Wohnerfahrungen werden nun die elementaren Bedürfnisse von Flüchtlingen stärker berücksichtigt.
Gleichzeitig ist es aber ungewiss, wie die gewünschte soziale Integration in den Städten räumlich stattfinden kann. Raumplanerin Sophie Wolfrum deutete auf das nächste Problem in den Ballungszentren hin: die Wohnungssuche auf dem Immobilienmarkt. Toleranz für Fremde könne nur entstehen, wenn man in der Nachbarschaft, auf der Arbeit, in der Familie Kontakte zu Migranten habe, betonte auch Stadtsoziologe Jürgen Friedrichs. Allerdings nehmen viele Einheimische Flüchtlingsbauten bisher nur aus der Ferne wahr, wie Anja Webers Fotografie der zentralen Unterbringungseinrichtung in Neuss verdeutlicht. In Bremen entstehen dagegen vielfältige Pläne für Geflüchtete. Senatsbaudirektorin Iris Reuther präsentierte Lösungsansätze wie die Wohnintegration mit Studierenden, Obdachlosen oder sozial benachteiligten Gruppen. Ob die hieraus entstehenden Kontakte in der Nachbarschaft aber langfristig und nachhaltig sein werden, steht noch in Frage.
Vier Architekten stellten auf dem Symposium ihre Wohnkonzepte vor, die den eng gesteckten Rahmen des Gesetzgebers oder der Bauherrschaft für die Gestaltung von Flüchtlingsheimen hinterfragten und erfinderisch umsetzten. Eine jüngst errichtete Flüchtlingsunterkunft in Hannover von Mosaik Architekten fügt sich nahtlos in die Nachbarschaft ein, ohne Zäune rundherum. In Ostfildern verzichtete das Büro u3ba auf Farbe und integrierte mit schwarzen Fassaden aus Bitumenwellpappe das Flüchtlings- und Obdachlosenheim unauffällig in das umliegende Wohnviertel. Auch in Kassel entschied sich ein Team von sechs Architekturbüros gegen ein Provisorium. Stattdessen entstand ein dauerhafter Wohnungsbau mit Laubengang, der den Bewohnern diverse öffentliche Räume wie ein Begegnungscafé zugänglich macht. Dagegen nutzt fast niemand die Gemeinschaftsküche des denkmalgeschützten, vom Büro dreigegeneinen umgebauten Flüchtlingsheims in Berlin-Mitte. Jede Familie zieht sich zurück und speist im eigenen Zimmer, wo sie Ruhe und Privatheit findet.
Die neue Studie des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung an der Humboldt-Universität mit dem Titel „Zwischen Lager und Mietvertrag“ stellt dramatisch fest: Sammelunterkünfte grenzen die Geflüchteten von der Gesellschaft ab, soziale Nähe kommt nicht zustande. Städte dagegen erzeugen offene Integrations- und lokale Begegnungsräume zwischen Einheimischen und Geflüchteten. Integratives Gestalten und gemeinschaftliche Wohnformen weisen in die Zukunft, so Bauwelt-Redakteurin Doris Kleilein.
In München hat die Sozialgenossenschaft Bellevue di Monaco drei Altbauten als neue Wohn- und Kulturräume renoviert. Das offene Haus bietet ein Programm mit Sprachkursen, Beratung, Ausbildung und Kulturangeboten. Vorstandsmitglied Till Hofmann erläuterte, wie gemeinsames Bauen mit Geflüchteten zu mehr Solidarität geführt hat. Nur mit solch vielfältigen, transkulturellen und hautnahen Kontakten kann „Making Heimat“ weitergehen.
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