Barocker Lifestyle
Die Arbeiten des Kunsttischlers Jean-Pierre Latz
Text: Scheffler, Tanja, Dresden
Barocker Lifestyle
Die Arbeiten des Kunsttischlers Jean-Pierre Latz
Text: Scheffler, Tanja, Dresden
In den Paraderäumen des Dresdner Residenzschlosses zeigt die Sonderausstellung „Fait à Paris“ („Hergestellt in Paris“) Meisterwerke des Kunsttischlers Jean-Pierre Latz (1691–1754). Sie beleuchtet neben der höfischen Repräsentationskultur des 18. Jahrhunderts und den vielen edlen, damals eingesetzten Materialien auch die handwerklichen Raffinessen der einzelnen Möbelstücke.
Im Zuge der Rekonstruktion der Paraderäume wurden in den Depots des Kunstgewerbemuseums etwa zwanzig Einzelobjekte und mehrteilige Ensembles von Latz wiederentdeckt, die seit der kriegsbedingten Auslagerung weitestgehend in Vergessenheit geraten waren. Diese Arbeiten wurden in den letzten Jahren untersucht und teilweise restauriert. Dabei wurden im Innern einiger Objekte noch alte Datierungen und Signaturen wie das titelgebende „Fait à Paris“ gefunden. Die Ausstellung präsentiert die Ergebnisse des damit einhergehenden kunsthistorischen Forschungsprojektes.
Während der barocken Ära entwickelte sich – durch die Kombination der prachtvollen Möbel mit aufwendigen Wand-, Boden- und Deckengestaltungen – eine als Gesamtkunstwerk konzipierte Innenraumgestaltung heraus, die Macht und Reichtum zur Schau stellen sollte. Damals florierte der Handel mit Fernost, sodass auch Materialien wie Perlmutt, Schildpatt und exotische Hölzer zum Einsatz kamen. Im Gegensatz zu einfachen Tischlern oder Schreinerinnen, die heimische Hölzer verarbeiten, wurden die auf furnierte Möbel spezialisierten Kunsttischler, weil dafür früher oft dunkles Ebenholz verwendet wurden, lange Zeit als „Ebenisten“ bezeichnet.
Jean-Pierre Latz wurde 1691 in der Nähe von Köln geboren, ließ sich jedoch ab 1719 in Paris nieder und konnte sich dort als „Ébeniste privilégié du roi“ etablieren. In seiner Werkstatt wurden neben Schreib- und Beistelltischen, Sekretären, bauchigen Kommoden und Eckschränken vor allem repräsentative, meist zweiteilige Standuhren (Sockel/Piedestal mit Aufsatz) hergestellt. Die meisten seiner Möbelstücke haben sehr bewegte, stark plastische Formen, aufwendige Marketerien mit virtuos zusammengesetzten Bildmotiven und kunstvoll gestaltete, feuervergoldete Messing-Beschläge.
August III., der Sohn Augusts des Starken, und sein Premierminister Heinrich Graf von Brühl ließen sich Latz‘ Kreationen an den sächsischen Hof liefern, wo sie den Hoftischler Johann August Türpe zu Nachahmungen inspirierten. In der Ausstellung sind auch Stücke aus dem Quirinalspalast in Rom sowie dem Schloss Sanssouci in Potsdam zu sehen, darunter ein beeindruckender Schreibtisch (Bureau Plat) mit Satinholz- und Amarant-Furnier, großer Schreibfläche und Beinfreiheit von Friedrich dem Großen.
Trotz der Show-Room-Atmosphäre der Paraderäume bietet die Ausstellung viele neue Aspekte und Hintergrundinformationen: Zwei große, aufwendig gestaltete Palmstammuhren, die zu schwer zu transportieren waren, blieben während des Zweiten Weltkriegs im Schloss. Beim Anblick ihres „zusammengeschmolzenen“ Zustandes kann man sich die enorme Hitze des mehrtägigen Feuersturms gut vorstellen. Filmische Animationen zerlegen einige der mit Kordeln abgesperrten Meisterstücke virtuell in ihre Einzelteile, veranschaulichen so die Arbeitsweise von Latz’ Werkstätten und zeigen dabei auch ungewöhnliche, im Innern verborgende Details wie Geheimfächer und Kassettenkonstruktionen, die verhindern sollen, dass sich die bauchigen Korpusse und Schubladen verziehen. Von vielen Materialien gibt es kleine Muster. Auch das Anfertigen der an Schablonenschnitte erinnernden Motive der kunstvollen Einlegearbeiten wird anschaulich erläutert.
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