Bauwelt

Beton

Die Kunsthalle Wien zeigt rund 30 künstle­rische Positionen zum populärsten Baustoff des 20. Jahrhunderts

Text: Drewes, Frank F., Berlin

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    Ausstellungsansicht in der Kunsthalle Wien
    Foto: Stephan Wyckoff

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    Ausstellungsansicht in der Kunsthalle Wien

    Foto: Stephan Wyckoff

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    Tobias Zielony, Structure, 2010, aus der Serie Vele
    Foto: Tobias Zielony, Courtesy der Künstler, KOW, Berlin und Galleria Lia Rumma, Mailand; Courtesy der Künstlerin Ingrid Martens

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    Tobias Zielony, Structure, 2010, aus der Serie Vele

    Foto: Tobias Zielony, Courtesy der Künstler, KOW, Berlin und Galleria Lia Rumma, Mailand; Courtesy der Künstlerin Ingrid Martens

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    Ingrid Martens, Africa Shafted, 2012
    Foto: Tobias Zielony, Courtesy der Künstler, KOW, Berlin und Galleria Lia Rumma, Mailand; Courtesy der Künstlerin Ingrid Martens

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    Ingrid Martens, Africa Shafted, 2012

    Foto: Tobias Zielony, Courtesy der Künstler, KOW, Berlin und Galleria Lia Rumma, Mailand; Courtesy der Künstlerin Ingrid Martens

Beton

Die Kunsthalle Wien zeigt rund 30 künstle­rische Positionen zum populärsten Baustoff des 20. Jahrhunderts

Text: Drewes, Frank F., Berlin

Die Kunsthalle Wien bietet mit ihrem von Ortner & Ortner komplett in Sichtbeton ausgeführten Treppenhaus ins Obergeschoss einen adäquaten Auftakt zur Ausstellung. Schon der Weg stimmt auf sie ein. Mit dem schlichten Titel „Beton“ ist sie allerdings keine Werkschau. Im Gegenteil: 30 Künstler setzen sich größtenteils kritisch mit dem Material auseinander und bedienen sich dabei so unterschiedlicher Medien wie Film, Foto, Installation und Skulptur.
In Architektenkreisen erfreut sich Beton nach wie vor großer Beliebtheit und gilt als Marmor des 20. Jahrhunderts. Schon die Römer verwendeten Beton als Baustoff, aber erst die Entwicklung des armierten Stahlbetons verschaffte dem Material den Aufstieg zum meistverwendeten Baustoff. Die Liebe der Architekten wird vom größten Teil der Bevölkerung nicht geteilt. Vielen gilt die Anmutung von Beton als unmenschlich, kalt und geradezu brutal. Der Brutalismus der 60er Jahre hat daran entscheidenden Anteil. Brutalismus leitet sich vom französischen béton brut, Sichtbeton, ab, den Le Corbusier als einer der ersten in seiner ungeschönten Ehrlichkeit einsetzte. Allerdings listet das Wörterbuch auch brutal als Übersetzung für brut und bedient somit beide Antipoden der Betonrezeption. Unstrittig ist, dass bahnbrechende Gebäude wie Eero Saarinens TWA Terminal auf dem JFK Airport, Jørn Utzons Sydney Opera House oder auch die expressiven Kirchen Gottfried Böhms ohne Stahlbeton in ihrer Zeit nicht monolithisch hätten realisiert werden können.
Die Ausstellung „Beton“ richtet ihren Blick aber weniger auf den ästhetischen Ausdruck des Materials, sondern ästhetisiert den Beton durch die Sichtweise der Künstler. So gewinnt Tobias Zielony mit seinen Nachtaufnahmen, die er zu ruppigen Filmen im Dogmastil zusammenschneidet, der monströsen Wohnanlage Le Vele di Scampia im Norden Neapels durchaus spannende Aspekte ab. Der gewaltige Komplex, maßgeblich von Le Corbusiers Unité d’Habitation beeinflusst, gilt heute aber als Problemfall, Mafia-Terrain und Europas angeblich größter Drogenumschlagplatz. Ingrid Martens aus Südafrika zeigt in ihrem Video den Ponte Tower, einen zylindrischen Betonturm in Johannesburg, der das vertikale Gegenstück zu Le Vele di Scampia darstellt und das höchste Wohngebäude Südafrikas ist. Auch Cyprien Gaillard bedient sich der Filmtechnik (16 mm), um das mexikanische Iberostar Mega-Hotel in Cancún in seiner maßstabssprengenden Dimension zu porträtieren.
Den kritischen Rezeptionen stehen auch skulpturale und formal-ästhetische Positionen wie die Zeile und die Drei Straßen von Hubert Kiecol gegenüber. Es sind archetypische Microarchitekturen aus massivem Gussbeton. Olaf Metzel hat eine Wandarbeit für die Kunsthalle Wien adaptiert, die er bereits 1987 auf der documenta 8 installiert hatte. Es handelt sich hier um ein Betonrelief, das sich aus einzelnen Tafeln fügt, die Abgüsse von Eierkartons zu sein scheinen. Tatsächlich hat Metzel diese jedoch nachgeformt und modellierte sie in einem leicht veränderten Maßstab. Sie changieren zwischen tristem Grau und sprödem Grün und lassen sich vor dem geis­tigen Auge wunderbar in diversen Kontexten vorstellen. Annette Kelm richtet ihren Fokus fotografisch auf die Wunden von Frank Lloyd Wrights Ennis House (1924). Erbaut aus ca. 27.000 ornamentalen, handgegossenen Betonblöcken thront es auf einem Hügel über Los Angeles und ist zusehends dem Verfall preisgegeben.
„Beton“ spannt einen breiten Bogen auf und bietet sowohl Kritikern wie auch Verehrern des Marmors des 20. Jahrhunderts reichhaltiges Material, ohne tendenziell zu werden. Die Kuratoren Vanessa Joan Müller und Direktor Nicolaus Schafhausen haben die Kunstwerke als lebhaften Parcours arrangiert, so dass die Besucher mit den Exponaten interagieren können und nicht als passive Rezipienten die Wände abschreiten müssen.

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