Bürgerlich wienerische Produktkultur
Eine Wiener Ausstellung widmet sich dem 120-jährigen Wirken der Auböck Werkstätte
Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig
Bürgerlich wienerische Produktkultur
Eine Wiener Ausstellung widmet sich dem 120-jährigen Wirken der Auböck Werkstätte
Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig
Design, Gebrauchsgegenstände, Kleinmöbel der 1950er Jahre: Da denkt man schnell an organische Formen, Teakholz, typische Materialkombinationen wie Messingstabwerk mit Korbgeflecht, schräge Beine unter der Tischplatte und Tütenlampen. Solch ästhetisches Wollen lag wohl in der Luft, als der Westen Europas nach dem Grauen des Zweiten Weltkriegs zu neuem Leben erwachte und, betont optimistisch, ein spielerisches Gestaltungsvokabular erprobte. Aber: es gab nicht nur große qualitative Unterschiede in Materialität, Fertigung und vor allem intellektueller Durchdringung der Form. Es mündeten auch unterschiedliche Traditionslinien in scheinbar verwandte Lösungen.
Dies führen Ausstellung und Publikation „Iconic Auböck“ des Wiener Museums für Angewandte Kunst vor Augen, die sich dem 120-jährigen Schaffen der gleichnamigen Werkstätte im 7. Wiener Gemeindebezirk widmet. Eine ganze Dynastie von Gestalterinnen und Architekten lässt sich unter dem Namen subsummieren. Derzeit leitet Carl Auböck IV, Jahrgang 1954, operativ die Werkstätte, seine Schwester, die Landschaftsarchitektin Maria Auböck, ist Miteigentümerin und ideell der Arbeit verbunden.
Alles begann mit Karl Heinrich Auböck (1872–1925), der nach einer handwerklichen Ausbildung sowie Aufenthalten in den USA und England 1906 eine Manufaktur für „Wiener Bronzewaren“ eröffnete, also für jene, auf Weltausstellungen und Kunstgewerbeschauen von bürgerlichen Haushalten begehrten Kleinplastiken, die Menschen oder Tieren galten. Sein Sohn, Carl Auböck II (1900–1957), studierte Malerei an der Wiener Akademie der Künste, prägend war jedoch der Privatunterricht bei Johannes Itten. Ihm folgte er 1919 ans Bauhaus nach Weimar, studierte dort bis 1921. Der Schweizer Itten war auf Empfehlung von Alma Mahler, der zeitweiligen Wiener Gemahlin des Gründungsdirektors Walter Gropius, als einer der ersten Formmeister ans Bauhaus berufen worden und schied 1923 in persönlichem Konflikt: Er lehnte die von Gropius forcierte
Auftrags- und industrielle Musterarbeit in den Produktionswerkstätten des Bauhauses kategorisch ab, beharrte auf dem künstlerisch handwerklichen Unikat. Dieses Credo verinnerlichte Zeitlebens auch Carl Auböck II, er brach jedoch die ornamentale Formensprache seines Vaters auf. Mehr noch: er ließ ein surreales Moment in die Gestaltfindung der Gebrauchsobjekte einfließen, die er schuf. Eigentlich sind sie allesamt (noch) Kleinplastiken – mit funktionalem Begleitaspekt: Briefbeschwerer als Ei, aufgereckte Hand oder Fuß, ein Flaschenöffner als Damenstiefel, der Flaschenstöpsel in Augenform. Oder eine Tischlampe mit Ausleger aus Pflanzenrohr und einem Schirm aus Korbgeflecht: Auf einer runden Messingscheibe, die Schwerkraft herausfordernd, scheint alles wie magisch zu balancieren. Von den 400 gezeigten Ausstellungsstücken stammt mehr als die Hälfte von „CA II“. Er zeichnete, nach seiner überzeugten NSDAP-Mitgliedschaft, ab 1945 auch verantwortlich für die unorthodoxen, wenngleich vertraut zeittypischen Materialkombinationen: Holz, Horn und Leder mit Gusseisen oder vernickeltem Messing, naturbelassenes Messing mit Geflecht aus Korbrohr, Glanzschiene oder Lederstreifen. Auch Alvar Aalto nutze Ledergeflecht, nun mit Bronze, für Innentürdrücker, eine Auböck‘sche Baumscheibe als Tischplatte lässt an verwandte, etwas früher formulierte Ideen von Charlotte Perriand denken.
Auftrags- und industrielle Musterarbeit in den Produktionswerkstätten des Bauhauses kategorisch ab, beharrte auf dem künstlerisch handwerklichen Unikat. Dieses Credo verinnerlichte Zeitlebens auch Carl Auböck II, er brach jedoch die ornamentale Formensprache seines Vaters auf. Mehr noch: er ließ ein surreales Moment in die Gestaltfindung der Gebrauchsobjekte einfließen, die er schuf. Eigentlich sind sie allesamt (noch) Kleinplastiken – mit funktionalem Begleitaspekt: Briefbeschwerer als Ei, aufgereckte Hand oder Fuß, ein Flaschenöffner als Damenstiefel, der Flaschenstöpsel in Augenform. Oder eine Tischlampe mit Ausleger aus Pflanzenrohr und einem Schirm aus Korbgeflecht: Auf einer runden Messingscheibe, die Schwerkraft herausfordernd, scheint alles wie magisch zu balancieren. Von den 400 gezeigten Ausstellungsstücken stammt mehr als die Hälfte von „CA II“. Er zeichnete, nach seiner überzeugten NSDAP-Mitgliedschaft, ab 1945 auch verantwortlich für die unorthodoxen, wenngleich vertraut zeittypischen Materialkombinationen: Holz, Horn und Leder mit Gusseisen oder vernickeltem Messing, naturbelassenes Messing mit Geflecht aus Korbrohr, Glanzschiene oder Lederstreifen. Auch Alvar Aalto nutze Ledergeflecht, nun mit Bronze, für Innentürdrücker, eine Auböck‘sche Baumscheibe als Tischplatte lässt an verwandte, etwas früher formulierte Ideen von Charlotte Perriand denken.
Anders als ein Bauhäusler wie Wilhelm Wagenfeld, der eine recht asketische Produkt- und Wohnzivilisation der jungen Bundesrepublik Deutschland mit industrieller Massenwareware in Glas, Edelstahl, dekorlosem Porzellan sowie funktionaler Haustechnik aus schlichten Leuchten und Türdrückern prägte, blieb die Werkstätte Auböck stets der bürgerlich gediegen, handgefertigten Objektkultur verpflichtet. Dazu gehört, dass sie weitgehend auf synthetische Werkstoffe verzichtet und bis heute maximal Kleinserien vertreibt, die von internen und externen Spezialisten erzeugt werden. Zu ihren Auftragspartnern zählen Hermès in Paris, Tiffany in New York oder eine Wiener Institution wie J. & L. Lobmeyr Glas und Licht. Eine zwischenzeitliche Ausnahme blieb die Ära Carl Auböck III (1924–1993). Der an der TU Wien und in den USA ausgebildete Architekt arbeitete, zeitweilig gemeinsam mit Roland Rainer, an präfabriziertem Wohnungsbau und versuchte den Weg in die serielle Fertigung eigener Produktentwürfe. Anfänglich, noch in der Arbeitsgemeinschaft mit seinem Vater, dem familiären Metall-Korbgeflecht-Vokabular verpflichtet, folgten in den 1960er Jahren stapelbare Funktionsmöbel oder modulare Selbstbauelemente, die in ihrer Klarheit und Systematik an die Produktphilosophie eines Dieter Rams und die Ulmer Schule erinnern. Neu zu entdecken wären Auböcks an internationalen Vorbildern geschulten Wohnbauten und Geschäftslokale der 1960er und 70er Jahre in Wien, die während ihrer Entstehungszeit kaum auf Resonanz in der lokalen Architekturkritik stießen. Anlässlich des 100. Geburtstags des „CA III“ hat das Architekturzentrum Wien kürzlich den Nachlass übernommen und in einer kleinen Ausstellung erste Einblicke in das Lebenswerk und die anstehende Aufarbeitung gewährt.
Last but not least seien die Frauen in der Auböck-Dynastie erwähnt. Sie waren immer in die Geschäftsführung und den Vertrieb eingebunden. Erstmals erfährt nun die gebürtige Bulgarin Mara Uckunowa-Auböck (1895–1987), Bauhauskollegin und Ehefrau von Carl Auböck II, in ihrem eigenen Schaffen der Textilgestaltung eine kleine Würdigung. Man hätte sie sich bereits 2019, zum 100-jährigen Jubiläum des Bauhauses, gewünscht, etwa in einer der Veröffentlichungen über die so gern vergessenen „Bauhausmädels“.
0 Kommentare