Bauwelt

Die disziplinierende Kraft des Raumes

Sieben Kunstpositionen setzen sich mit dem Ungers-Bau der Hamburger Kunsthalle auseinander

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

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    Die Arbeiten von drei der sieben Künstler: Sol Caleros „Casa de Cambio“ von 2016,
    Foto: Fred Dott

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    Die Arbeiten von drei der sieben Künstler: Sol Caleros „Casa de Cambio“ von 2016,

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    ... Claudia Wiesers Arbeit „Ohne Titel“, Mixed Media und
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    ... Claudia Wiesers Arbeit „Ohne Titel“, Mixed Media und

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    ... Franziska Reinbothe fünf Arbeiten „Ohne Titel“,„Hüftbruch“, „Flächenbrechung means anger“, „Ohne Titel“ von 2019 und „Opi mit Stock“
    Foto: Fred Dott

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    ... Franziska Reinbothe fünf Arbeiten „Ohne Titel“,„Hüftbruch“, „Flächenbrechung means anger“, „Ohne Titel“ von 2019 und „Opi mit Stock“

    Foto: Fred Dott

Die disziplinierende Kraft des Raumes

Sieben Kunstpositionen setzen sich mit dem Ungers-Bau der Hamburger Kunsthalle auseinander

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

Als die Hamburger Kunsthalle Ende 2016 nach 17-monatiger Renovierung ihre Türen wieder öffnete, überraschte der in den historistischen Gründungsbau zurückverlegte, durchaus ja repräsentative Haupteingang. Ihn können Besucher und Besucherinnen aber erst genießen, wenn sie sich schon in seinem Inneren befinden, denn die inszenatorische Hinführung zu ihm ist keine stadträumliche Glanzleistung: Ein System von Treppen oder Rampen führt auf ein halb­öffentliches Zugangsplateau, das die Basis des Altbaus schnöde verschluckt. Aber nicht nur das: Physisch bedrängt wird der Eingang durch einen hohen, geometrischen Aufwurf aus rotem Naturstein, den Oswald Mathias Ungers der von ihm geplanten und 1997 eröffneten Galerie der Gegenwart an der gegenüberliegenden Flanke des Zugangsplateaus vorgeschaltet hat. Dieser Galeriebau ist dann, wie von Ungers zu erwarten: konzeptionell rigide, quadratisch durchmoduliert, weiß – aber selbst eingefleischte Ungers-Fans werden ihn eher nicht als eines seiner Meisterwerke bezeichnen.
Als Alexander Klar zum August 2019 die Leitung der Kunsthalle übernahm, verlautbarte er in einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit, dass ihn die architektonischen Möglichkeiten in Hamburg reizten: zwei Altbauten, die „großar­tige Ausstellungsräume“ bieten, aber auch der „auf den ersten Blick schwierige, quadratische Ungersbau“. Er wolle mit den Räumen kuratieren, statt gegen sie.
Nun war die Galerie der Gegenwart in den letzten Jahren etwas verkommen, ihr typologischer Dreiklang aus einer Tageslichtgalerie im ersten Obergeschoss, mit umlaufenden Sichtfenstern unter anderem auf Hamburgs Postkartenpanorama, dem fensterlosen White Cube im zweiten Geschoss sowie der klassischen Gemäldegalerie mit Oberlicht im dritten weitgehend nivelliert, da alle Öffnungen mehr oder weniger verdunkelt waren. Alexander Klar ließ also erst einmal die Licht- und Sichtverhältnisse wiederherstellen und präsentiert nun, zusammen mit Jan Steinke, je eine Ausstellung für die Gemälde- sowie die Tageslichtgalerie. In Letzterer ist es „Die Absurde Schönheit des Raumes“, zu der sieben jüngere, in den 1970er- und 80er-Jahren geborene Künstler und Künstlerinnen eingeladen wurden, sich intensiv mit den architektonischen Gegebenheiten zu befassen, als „Resonanzraum“ für eine ortsspezifisch neue Kunstproduktion, zumindest aber Präsentation. Dabei setzte Alexander Klar auf die Malerei − er sieht sie nach wie vor als die Königsdisziplin der Künste. Und weist dem Raum dann doch eher eine metaphorische bis maximal dienende Rolle zu: Kunst sei Bild gewordenes Denken, diese Gedanken werden nun „in den Raum gestellt“.
Recht defensiv, um es zusammenfassend voranzustellen, gehen die Jungkünstler dann auch mit Ungers Räumen um. Eine Herausforderung ist zweifelsohne die stereotype Durchfensterung der Außenseiten, hier wäre das künstlerische Feingefühl, gezielte Blicke zu inszenieren und in eine Ausstellungsdramaturgie zu integrieren, gefordert. Stattdessen wahren fast alle Präsentationen einen pietätvollen Abstand zur Fensterfront, die architektonische Disposition der Raumschale um einen Kern mit Servicebereichen, Treppen und Lichthof sondert eine weitere Schicht entlang ihrer Fassade aus. Ein Rundgang mutet dann ein wenig an wie ein Messebesuch: meist streift man entlang an Installationen, blickt in sie hinein wie in Bühnenbilder, ohne aber durch eine künstlerische Dramaturgie gelenkt, herein- und durchgeführt zu werden. Natürlich ist auch dabei vieles zu entdecken. Da wären etwa die monochromen Leinwände, die Franziska Reinbothe bearbeitet. Die Leipzigerin bleibt von allen sieben am stärksten dem planen Malgrund treu, faltet, schneidet oder kantet ihn. Diesen Bildgestalten gibt sie originelle Titel, „Hüftbruch“ etwa oder „Opi mit Stock“. Zaghaft entfalten sie sich auch im Zusammenspiel mit drei Fenstern. Und geradezu magisch reflektiert der unverstellte Fußboden aus schwarzen Asphaltplatten die Farbigkeit der Leinwände. Claudia Wieser aus Berlin besetzt einen Eckraum. Kunsthandwerklich anmutende Keramikfliesen an der Wand bilden den Hintergrund für einen fragmentierten, raumgreifenden Würfel aus hochglanzpoliertem Edelstahl. Er spiegelt nun Facetten der Umgebung in den Raum – wenngleich nur der Gleistrasse zum nahen Hauptbahnhof.
Am ehesten als Raumkunst zu bezeichnende Arrangements konzipierten Helga Schmidhuber, Sol Calero und Dana Greiner. Die süddeutsche Schmidhuber setzt ihre fantasievolle „Arche endemisch“ aus bunten Paravents naturkundlicher Motivik ins Zentrum des Raumes, das Tierprä­parat vom Walross Antje, zu Lebzeiten Maskottchen des ortsansässigen NDR, mittendrin. Calero, gebürtig aus Venezuela, zeigt ein exotisches Ambiente mit (künstlichen) Pflanzen, eine „Wechselstube“ nimmt Angebote für eine Edition entgegen. Dana Greiner aus München kombiniert ihre farbenfrohe Malerei mit Projektionen und Sound zu einer flirrenden Totalinstallation. Leider verdunkelt ausgerechnet sie wieder ein Fenster, statt den hier nun wirklich einmal spektakulären Blick auf Hamburgs Schokoladenseite intelligent ins Setting einzubeziehen.
In der Gemäldegalerie zeigt das Kuratoren-Duo mit der Schau „Früher war schon immer jetzt“ eine ganz und gar klassische Hängung mit Werken aus der Sammlung, die nach 1947 entstanden. Hier gelingt eine Reaktion auf die offensichtlich sehr disziplinierende Kraft der Unger’ schen Räume – aber eher als eine kuratorische Eskapaden dämpfende Erkenntnis für die kommende Arbeit mit dem Haus.

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