Eingriff in ein Ensemble am Fluss
Die 70er-Jahre-Gebäudegruppe „Collini-Center“ wird verkauft und umgebaut. Die Stadt Mannheim entschied den großflächigen Abriss des Bestands. Kann dieses Ergebnis zukunftsweisend sein?
Text: Malzahn, Jonas, Frankfurt am Main
Eingriff in ein Ensemble am Fluss
Die 70er-Jahre-Gebäudegruppe „Collini-Center“ wird verkauft und umgebaut. Die Stadt Mannheim entschied den großflächigen Abriss des Bestands. Kann dieses Ergebnis zukunftsweisend sein?
Text: Malzahn, Jonas, Frankfurt am Main
Die Quadratstadt an den zwei Strömen wagt sich an die Veränderung eines ihrer markantesten Gebäudeensembles: das Collini-Center. Seinen Namen verdankt der 1975 eröffnete Komplex dem Florentiner Cosimo Alessandro Collini (1727– 1806), der als Historograph und Leiter des Naturalienkabinetts am Mannheimer Hof wirkte.
Neben den barocken Bauten von Residenz, Altem Rathaus und Wasserturm prägen die Bauwerke der 1970er Jahre die Gestalt Mannheims. Die Stadt nahm die Bundesgartenschau 1975 zum Anlass, in die Zukunft aufzubrechen. Der schwebende Aerobus, eine Art Seilbahn, verband die Standorte der BUGA, und etliche zeichengebende Bauten entstanden, darunter die Multihalle von Frei Otto, Carlfried Mutschler und Joachim Langner, der Fernsehturm von Hein-le Wischer Partner und die Neckaruferbebauung (NUB). Letztere liegt auf halber Strecke zwischen den Standorten der BUGA, dem Louisenpark und Herzogenriedpark. Nach Plänen des Mannheimer Architekten Karl Schmucker für die Neue Heimat errichtet, markieren drei Wohntürme auf der nördlichen und das Collini-Center auf der südlichen, innenstadtnahen Uferseite den Zufluss des Rheins. Über den Neckar hinweg verbindet sie eine filigrane Fußgängerbrücke, der Collini-Steg.
Dem Collini-Center soll nun, 45 Jahre nach seinem Bau, die Zukunft in Erinnerung gerufen werden, die es einst versprach. Seiner ursprünglichenIdee „Urbanität durch Dichte“ ging schon vor einiger Zeit die Luft aus. In einer zweigeschossigen Galerieebene zwischen den beiden Türmen waren öffentliche Flächen, kommerzielle Nutzungen und sogar ein Freizeitbad untergebracht. Seit über 15 Jahren wird hier nicht mehr gebadet, und die Ladengeschäfte sind schlecht besucht. Der kleinere der Türme, in dem sich das Technische Rathaus befindet, ist seit Jahren von Gerüsten umhüllt. Die Kommune ist Eigentümer eines Großteils der Liegenschaft, veräußert sie jedoch im Zuge des nun angestoßenen Verfahrens. Der andere, der Wohnturm, bleibt im Besitz einer Eigentümergemeinschaft, er ist saniert und gut gepflegt.
Ersatz statt Instandsetzung
Es ist nicht verwunderlich, dass alle drei Finalisten im mehrstufigen wettbewerblichen Dialogverfahren den Abriss des Büroturms einer Sanierung oder Teilsanierung vorzogen. Außerdem stellte die Auslobung eine wirtschaftliche Betrachtung klar vor bau-, zeit- oder kulturgeschichtliche Dimensionen des für die Stadt einzigartigen Bauwerks. Neben der Forderung nach einem überzeugenden Gesamtensemble, der Orientierung zum Wasser und einer möglichst guten Einfügung in die bestehende Situation sollte „eineBebauung mit hohem energetischen und ökologisch-richtungsweisenden Möglichkeiten für nachhaltiges Bauen konzipiert werden.“
Das Vergabeverfahren nach Konzeptqualität war offen für Bietergemeinschaften bestehend aus Investoren und Architekten. Zunächst wurden drei Konzepte aus sieben unter Einbeziehung der Bürgerschaft diskutiert. Die gewonnenen Erkenntnisse gab man den Wettbewerbsteilnehmern zur Überarbeitung und Vertiefung auf den Weg.
Das Fachgremium unter Vorsitz von Jörg Aldinger tagte bereits im Januar. Ende Mai wur-den die Verfasser des Siegerentwurfs benannt: die Gemeinschaft schneider + schumacher Planungsgesellschaft (Frankfurt a.M.) mit Sinai Landschaftsarchitekten und Deutsche Wohnwerte. Sie sehen vier in ihrer polygonalen Grundform gleiche, in ihren Höhen gestaffelte Türme vor, die sich in unterschiedlicher Ausrichtung um den freigestellten bestehenden Wohnturm gruppieren. Eine Nutzungsmischung von Büros, Geschäften, Kita und Wohnungen, inklusive geförderter Einheiten, verspricht ein lebendiges Quartier. Die geknickten Gebäudeformen nehmen Bezug zum Bestand auf. Dies wird durch Zitate in der Fassadengestaltung vertieft. Ihre Höhenentwicklung setzt einen Auftakt zum Zentrum und einen Hochpunkt zum Fluss. Zwei niedrigere Gebäude im Südwesten vervollständigen das Ensemble.
Differenzierte Freiräume gewährleisten die Durchlässigkeit von der Innenstadt zum Neckar. Öffentlicher und privater Außenraum sind geschickt und klar getrennt. Die privaten Bereiche befinden sich hinter den flügelartigen Gebäudespangen. Ein sanduhrförmiger Platz in Quartiersmitte verbindet Stadt und Fluss. Der Uferbereich des Neckars bleibt jedoch schwer erreichbar. Zwar bleibt der Wohnturm Ankerpunktder Neckarsüdseite, durch das neue Gegenüber entsteht allerdings eine schluchtartige Situation in der Verlängerung des Collini-Stegs, wo sich Wohnungen direkt gegenüberliegen. Anstelle vonFernblick ergibt sich ein Vis-à-vis für die Bewohner, mit wohl eher ungewollten Einblicken. Auch der Einbindung des Collini-Stegs hätten die Architekten mehr Bedeutung beimessen können, kritisierte die Jury. Mit Lösungen in der Gebäudetechnik bzw. -nutzung und bei der Materialwahl sind die Entwurfsverfasser zwar um ein Gleichgewicht zwischen Kahlschlag und Vorzeigeprojekt bemüht, allein der vollständige Abriss des vernachlässigten Bestandes und eine das gesamte Areal umfassende Tiefgarage konkurrieren mit den als „richtungsweisend“ geforderten Nachhaltigkeitsaspekten.
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