Bauwelt

Europäische Erfahrungen

Editorial

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

Europäische Erfahrungen

Editorial

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

Donald Tusk ist Danziger und Europäer. Seit 2014 leitet er den Europäischen Rat in Brüssel. Zuvor war er Ministerpräsident Polens und initiierte 2007 das Museum des Zweiten Weltkriegs in seiner Heimatstadt; dort wo am 1. September 1939 alles begann. Das im März eröffnete Museum von den Architekten Kwa­-drat zeigt sich mit großer Symbolkraft als keilförmiges Gebäude, das sich in den Boden bohrt. Die politischen Umwälzungen in Polen durch die rechtskonservative Regierung bekommt Tusk heftig zu spüren – auch sein Museum. Es sei nicht patriotisch genug. Der Gründungsdirektor wurde bereits abgelöst. Was sich nun ändern wird, ist offen. Meine Mutter hat den Kriegsanfang mit 11 Jahren in Danzig erlebt und schickte mir ihre Erinnerungen: „Wir wohnten in der Langgasse 56, der heutigen Długa, im Herzen der Stadt. Wir glaubten uns damals sicher behütet zwischen Marienkirche und Rathausturm. Am 1. Septem­-ber bekam diese Sicherheit erste Risse. Ich schlief mit meinen Schwestern im vierten Geschoss. Im Morgengrauen erwachten wir vom Geräusch dumpfer Schläge. Aufgeregt kletterten wir auf das Dach. Was wir sahen, wollten wir nicht glauben. Über die Marienkirche hinweg rasten schwarze Flugzeuge durch die ersten Sonnenstrahlen. In der Ferne hörten wir es krachen und knallen. Plötzlich stiegen Flammen über der Westerplatte auf. Der Zweite Weltkrieg hatte angefangen.“
Zwei spätere Erinnerungen waren ihr wichtig zu ergänzen: „1945 sahen wir das Feuer, das die Stadt vernichtete. Von Feuersglut angestrahlt hob sich das dunkle Schiff der Marienkirche in die Höhe. Wir sa­hen eine helle Flamme auf dem stumpfen Turm der Kirche wie ein Fanal. Nacheinander stürzten die Glocken laut dröhnend in die Tiefe. Die Stadt war tot.
40 Jahre später wagte ich mich wieder in die Stadt, die jetzt Gdańsk heißt. Und es ist tatsächlich ein Wunder geschehen. Die Stadt lebt wieder, wie von Zauberhand neu aufgebaut. Die alte Marienkirche scheint auf mich gewartet zu haben. Um die Kirche herum hat man neue Häuser errichtet und ihnen alte Gewänder angezogen. Auch mein Elternhaus wurde wieder aufgebaut und trägt die Hausnummer 56.“
Europa in einem Haus
In Brüssel kann man nun auch in die wechselvolle Geschichte Europas eintauchen. Auf Initiative des Europäischen Parlaments und unter Leitung eines polnischen Historikers wurde eine Dauerausstellung zusammengestellt. Raum dafür bot am Europaviertel eine ehemalige Zahnklinik aus den dreißiger Jahren. Chaix & Morel und JSWD Architekten wollten beim Gebäude viel Transparenz und Leichtigkeit; die Ausstellung brauchte aber nur dunkle Räume.

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