Bauwelt

Gebäude richtig kennenlernen

Ein Gespräch mit Winfried Brenne über die Schau The Great Repair

Text: Kil, Wolfgang, Berlin

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Im Personal­treppenhaus kann man sich über Winfried Brennes Sanierung der AdK informieren.
Foto: David von Becker

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Im Personal­treppenhaus kann man sich über Winfried Brennes Sanierung der AdK informieren.

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Gebäude richtig kennenlernen

Ein Gespräch mit Winfried Brenne über die Schau The Great Repair

Text: Kil, Wolfgang, Berlin

Herr Brenne, der Name Ihres Büros steht in Fachkreisen für akribische Bauforschung und exzellenten Rückgewinn originaler Bauzustände. Was verschlägt Sie in die Ausstellung „The Great Repair“, die nach eigener Aussage gerade nicht auf „High-end-Denkmalpflege“, sondern schlicht auf Schadensbehebung und Substanzerhalt setzt?
Winfried Brenne: Keine Frage, Schadensreparatur und Denkmalpflege sind verschiedene Felder, die bedürfen unterschiedlicher Betrachtung. Aber wenn man das Thema so weit aufspannt, dass Repair schon mit Sorgfalt und Pflege im Alltag beginnt, dann trifft das eine unserer zentralen Forderungen: Bauwerke verlangen Respekt. Daher finde ich die Entscheidung sinnvoll, die Ausstellung in der Akademie nicht über die gravitätische Haupttreppe, sondern über den Seitenaufgang, die Personaltreppe betreten zu lassen. Das schafft Aufmerksamkeit für die weniger glamourösen Seiten eines Gebäudebetriebs, also für Reinigung, Installationspflege usw. Heute heißt sowas Dienstleistung, aber es ist praktischer Werterhalt.
In der Ausstellung zeigen Sie Teile Ihres inzwischen an die Akademie der Künste übergebenen Materialproben-Archivs. Mehr Pochen auf Denkmalgenauigkeit geht eigentlich nicht.
Ursprünglich kamen wir dazu, weil wir den wunderbaren Akademie-Bau von Werner Düttmann saniert haben. Das war schon interessant: Genau wie bei den Moderne-Klassikern, den Taut-Siedlungen oder den Dessauer Meisterhäusern, standen wir auch bei der Nachkriegsmoderne vor zeittypischen Materialbefunden, Schadensbildern und Baufehlern. Die mussten analysiert und bewertet werden. Und ohne Kreativität geht da nichts. Für bestimmte neue Anforderungen, etwa die Umrüstung der Belichtung auf energiesparende LED-Technik, haben wir lange nach passenden Angeboten der Industrie gesucht, um wenigstens die charakteristischen Metallschirme der Strahler erhalten zu können. Wäre einfach nach Standard ausgetauscht worden, hätte das die Wirkung der Räume deutlich verändert. Auf dem Podest im Personaltreppenhaus kann man sich Material zu diesen Untersuchungen anschauen. Hoffentlich sind die Besucher da schon aufmerksam genug.
Gilt die Sanierung des Akademie-Gebäudes noch als Reparatur oder ist das schon Denkmalpflege?
Ganz klar – der Akademiekomplex ist ein Denkmal! Um ein über sechzig Jahre altes Haus nach heutigen Bedürfnissen und Vorschriften zu ertüchtigen, muss man sich mit ihm intensiv auseinandersetzen, es richtig kennenlernen. Der Aufwand unterscheidet sich nicht von unserer Arbeit an Bauten des Weltkulturerbes. Es sind fast immer die gleichen neuen Standards, die ein bautechnisches Update erfordern – Wärmeschutz, Energieeinsparung, Barrierefreiheit. Konstruktiv sind Bauten der Moderne, auch der Nachkriegsmoderne im Allgemeinen ja noch intakt. Bestimmte Materialien oder Installationen haben ihre Verschleißgrenze erreicht. Und die Oberflächen der Häuser, die sind oft falsch behandelt worden.
Zu alten Häusern gehört, dass an ihnen herumrepariert wurde. Gerade in der Nachkriegszeit drängte der Mangel an Material und Fach­wissen vielleicht zu vorschnellen Lösungen in fragwürdiger Qualität. Sind „minderwertige“ Reparaturen nach heutigen Standards, also durch „tauglichere“ Sanierungen zu ersetzen?
Ich denke schon. Falsch gewählte Reparaturmittel verursachen oft zusätzliche oder neue Schäden, wie wir es etwa beim jahrzehntelangen Einsatz von Dispersionsfarben an Fassaden erlebt haben. Und wie, nur als Beispiel, an der Gewerkschaftsschule von Hannes Meyer in Bernau zu sehen war: Durch Notreparaturen oder mangelnde historische Kenntnis sind Bauten nicht selten gravierend entstellt worden. Da geht es dann, neben korrekter Materialwahl und Funk­tionstüchtigkeit, auch um ästhetischen Gewinn! Die Qualität einer Sache ist ein wichtiger Faktor für Nachhaltigkeit. Ansehnlichen Gebäuden wird viel eher mit Respekt begegnet, womit wir dann wieder bei der schon erwähnten Pflege-Bereitschaft wären.
Noch einmal zum Aufwand, den denkmalpflegerische Akribie oft erfordert. Wird da nicht manchmal übertrieben angesichts der Misere vieler sonstiger Bestände? Mein Eindruck ist, die Ausstellung drängt hier auf mehr Verhältnismäßigkeit.
Wenn wir redlich hinschauen, dann sind es drei bis vier Prozent aller Bauten, die unter die Kategorie Denkmal fallen. Untersucht man die genauer, was als Kostenfaktor durchaus zu Buche schlägt, kommt es nicht selten zu Erkenntnissen, die sich auch für weitere Objekte nutzen lassen – egal ob im Denkmalschutz oder im einfachen „Repair“-Sektor. Das sollte man sich schon mal leisten. Im profanen Sanierungsalltag wird viel zu oft nach Gefühl oder „nach altem Brauch“ entschieden. Aber ein Gebäude muss doch genau begriffen werden: Warum haben die damals so oder so gebaut… Vielleicht lässt sich daraus ja ein geeigneter Ansatz für Reparatur ableiten. Und was Sie an unserer Arbeit „akribisch“ nennen – Sorgfalt ist die Grundlage für spätere Überprüfbarkeit, nur so lassen sich unsere Erkenntnisse auf weitere Anwendungsfälle übertragen.
Wie blicken Sie mit Ihren Praxiserfahrungen auf die Ausstellung „The Great Repair“?
Ich finde hier überraschend neue Blicke auf Probleme, die uns schon seit langer Zeit beschäf­tigen. Da werden plötzlich neue Kontexte angeboten, wie etwa lange vergessene oder nie gekannte Erfahrungen und Praktiken indigener Gesellschaften. Manches ist nicht auf Anhieb zu verstehen, das braucht sicher Zeit. Aber wie andere Kulturen sich auf Naturphänomene einlassen, wie sie ihre natürliche Umwelt regelrecht personalisieren, um ihr mit Demut, aber eben auch behutsam, respektvoll zu begegnen – das ist anregend. Für einen sparsameren Umgang mit unseren Ressourcen wird es wohl ohne einen Kulturwandel nicht gehen. Das gibt zu denken, wenn man es ernst meint mit der Reparaturgesellschaft.

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