Bauwelt

Heimeliges und Unheimliches

Editorial

Text: Crone, Benedikt, Berlin

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Die alte Altstadt Frankfurts: Die Aufnahme von 2004 zeigt noch das Technische Rathaus (Mitte), heute Dom-Römer-Areal, und die Erweiterung des Historischen Museums hinter dem Altbau (links unten).
Foto: Stadtvermessungsamt Frankfurt am Main

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Die alte Altstadt Frankfurts: Die Aufnahme von 2004 zeigt noch das Technische Rathaus (Mitte), heute Dom-Römer-Areal, und die Erweiterung des Historischen Museums hinter dem Altbau (links unten).

Foto: Stadtvermessungsamt Frankfurt am Main


Heimeliges und Unheimliches

Editorial

Text: Crone, Benedikt, Berlin

Wir sollen stolz sein auf die Tradition unserer herrlichen Stadt am Maine, auf ihr Aufblühen durch schwere und frohe Tage“, schreibt Ernst May 1926, damals Stadtbaurat von Frankfurt. „Wir lehnen es aber ab, diese Tradition dadurch zu ehren, dass wir ihre Schöpfungen kopieren. Wir wollen im Gegenteil uns dadurch ihrer würdig zeigen, dass wir entschlossen Neues gestalten.“ Dieser Gestaltungswille des „Neuen Frankfurts“, Mays gleichnamigen Stadtplanungsprogramms, prägte bekanntermaßen lange Zeit die Bau- und Planungspoli­tik des Landes. Auch 90 Jahre später hat der Wille zum Formen der Städte nicht nachgelassen – doch schlägt er in viele Richtungen.
Das neue Frankfurt ist nicht nur Europaviertel oder EZB-Hochhaus, sondern auch die frisch „gesattelte“ Altstadt, die bis 2018 auf der Tiefgarage des 2010 abgerissenen Technischen Rathauses entsteht. Das Areal zwischen Dom und Römerberg diente seit Kriegsende als Parkplatz. Erst 1972 entstand hier das Tech­nische Rathaus, das vor allem wegen seines großen Volumens bald als „Bausünde“ verschrien war. Dieses Schicksal teilte es mit der wenige Meter entfernten Erweiterung des Historischen Museums, die nun durch einen Neubau ersetzt wurde.
Schon vor dem Abriss des Technischen Rathauses, für den die Stadt das Gebäude 2007 von der Immo­bilienfirma zurückerstand, an die sie es 1994 in einem Leasingvertrag verkauft hatte, entbrannte eine Debatte über den Wiederaufbau einzelner Altstadthäuser. Die Entscheidung fiel zugunsten eines Quartiers aus 15 Rekonstruktionen und 20 Neuschöpfungen, orientiert am Vorkriegsstadtgrundriss.
Es wäre zu bequem, das Dom-Römer-Areal ohne Umschweife ins Reich des Ewiggestrigen zu verdammen. Dass bei einem Frankfurter Bauprojekt Sehnsucht mitschwingt, muss weder verwundern noch stören. Ein Teil der Bevölkerung scheint angesichts der in zwei Bombennächten zerstörten Altstadt auch heute noch so unter Phantomschmerzen zu leiden, dass er ein „Ihr-dürft-das-nicht“ nur als gefühlskalte Belehrung verstehen kann. Die Fassaden der rekonstruierten und „progressiv-historisierenden“ Häuschen lassen jedoch bereits jetzt ein gebautes Traumbild erahnen, das den Besucher in einem schwerelosen Gefühlszustand von Geschichts-und-Gegenwartsverdrehung schweben und zwischen heimelig und unheimlich schwanken lässt.
Beruhigen kann vielleicht eine traditionelle Eigenschaft jeder kleinteiligen Innenstadt: ihre Unbeständigkeit. Welches Haus auf welcher Parzelle wie lange Bestand haben wird, könnte bald nach Fertigstellung zu einem beliebten Ratespiel werden.

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