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Das Berliner Museum für Architekturzeichnung zeigt Stadtansichten aus der Sammlung der Albertina Wien

Text: Schulz, Bernhard, Berlin

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Sinnbild der Großstadt, nicht deren Abbild: Wilhelm Thöny, New York, 1933, Aquarell, 49,3 × 65,7 cm.
© Albertina, Wien; Inv. GSA 26.789r

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Sinnbild der Großstadt, nicht deren Abbild: Wilhelm Thöny, New York, 1933, Aquarell, 49,3 × 65,7 cm.

© Albertina, Wien; Inv. GSA 26.789r


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Das Berliner Museum für Architekturzeichnung zeigt Stadtansichten aus der Sammlung der Albertina Wien

Text: Schulz, Bernhard, Berlin

Aus dem Jahr 1561 stammt die älteste der 32 im Museum für Architekturzeichnung gezeigten Stadtansichten, von 1961 die jüngste. Vier Jahrhunderte überspannt die Ausstellung „Der Blick auf die Stadt“, so dass die älteste und die jüngste der „Veduten und Panoramen aus der Albertina“ in dem Berliner Ausstellungshaus nebeneinander hängen. Was Joris Hoefnagel an der französischen Stadt Tours reizte und was Oskar Kokoschka an Hamburg, blieb im Grunde gleich: die Faszi­na­tion der Stadt als solcher, die sich mitteilt in der Vielfalt ihrer einzelnen Elemente, ihrer Türme, Brücken und ihrer schieren Menge an Häusern, mochte der Künstler sie bis ins letzte Detail sezieren wie Hoefnagel oder mit kräftigen Strichen hinwerfen wie Kokoschka.
Beide Male entstand ein Bild der jeweiligen Stadt, das den endlos wechselnden Perspektiven des realen Besuchers ein wiedererkennbares, ein bleibendes Image entgegensetzt. Natürlich sind die 32 Blätter, die Christian Benedik, Chefkurator der Architektursammlung der Albertina, ausgewählt hat, aus den verschiedensten Motiven heraus entstanden. Und doch frappiert, wie im Grunde schon mit der ältesten Arbeit, so sorgsam mit der Feder gezeichnet und dann aquarelliert, etwas beginnt, das wir heute mit Stadtmarketing umschreiben. In allen Jahrhunderten seither waren es solche Bilder, gezeichnete, gemalte und gedruckte Ansichten, die für die erdrückende Mehrzahl der Menschen eine Vorstellung von fremden Städten vermittelten, ehe erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Möglichkeiten gegeben waren, zu reisen und mit eigenen Augen zu schauen.
Weil sich das Bild einer Stadt zumeist auf die eine einzige Ansicht beschränkte, die dann von Hand zu Hand ging, lag es nahe, den panoramatischen Blick zu wählen. Darauf weisen die Querformate in der Ausstellung. Der geheimnisvolle Flame Jan van Stinemolen hat unter den nur drei Arbeiten, die von seiner Hand bekannt sind, eine hinreißende Ansicht von Neapel hinterlassen, die wie eine heutige Panoramaaufnahme zusammenbringt, was mit einem einzelnen Blick gar nicht zu erfassen wäre – vom Vesuv zur Linken bis zum Castel Sant’Elmo zur Rechten, und auch der aus kompositorischen Gründen eingefügte Bergsaum im Vordergrund rundet sich wie unter der Verzerrung einer Kamera.
Das war 1582. Die Niederländer blieben lange Zeit führend in der Stadtdarstellung, obgleich ihre eigenen, in die Ebene gebauten Städte für Rundumansichten wenig geeignet sind. Dafür aber in der Betonung der Höhenlinie, gebildet von Stadttoren und Wachttürmen und der Vielzahl der Kirchen mit ihren Glockentürmen. Allert von Everdingens Ansicht von Alkmaar hat dann schon die Frische einer Momentaufnahme, wozu die geschickt im Vordergrund platzierten Kähne ebenso beitragen wie die Vögel hoch am Himmel.
Hoch – das ist das Stichwort für die meisten Stadtansichten. Der Standpunkt des Künstlers muss erhöht sein, um alle Details wahrnehmen zu können; ja, er muss nicht einmal real existieren. Als Landvermesser hat Joseph Daniel von Huber unter Maria Theresia Karriere gemacht, und von ihr erhielt er den Auftrag, eine exakte Darstellung der Residenzstadt Wien anzufertigen. Bewundernswert die Genauigkeit, die aus dem exakten Aufmaß sämtlicher Wiener Gebäude herrührt, die dann in Parallelprojektion auf den Plan gezeichnet wurden, also ohne Fluchtpunkt und perspektivische Verkürzung. Sechs der insgesamt 42 Federzeichnungen Hubers sind nach Berlin gekommen, und unschwer erkennt man auf dem linken oberen Blatt das 1792 umgebaute Palais des Herzogs Albert von Sachsen-Teschen, Sitz der heutigen Albertina, die sich diesem hochbedeutenden Kunstsammler verdankt. Die Hälfte der in Berlin zu sehenden Arbeiten befand sich schon in Alberts Bestand.
Militärischen Zwecken diente das größte der gezeigten Blätter, beeindruckende 233 Zentimeter breit. Wenzel von Callot hatte 1752 die Aufgabe, Luxemburg als Grenzfestung der spanischen Niederlande darzustellen. Auch Callot vereint mehrere Standpunkte zu einem einzigen Panorama. Im Katalog, wie stets höchst sorgfältig gestaltet, ist die Ansicht als Klapptafel eingefügt.
Als bereits die Kamera ihren Siegeszug antrat, fertigt Franz Alt 1873 nochmals eine Vogelperspektive auf Wien als Aquarell. Wo zuvor das Glacis freie Schussbahn gewährte, erheben sich nun die Bauten der „Ringstraßenzeit“ und nicht zuletzt die nach dem Aufstand von 1848 hinbefohlenen Kasernen. Der Bruder Rudolf wie auch der Vater Jakob Alt machten stimmungsvolle Veduten zu ihrem Betätigungsfeld. Kein vollständiger Blick wird von Rudolf (von) Alt mehr gesucht, sondern der Ausschnitt, und als „Guckkastenbild“ dient es der Unterhaltung. Noch um den Aspekt des Exotischen gesteigert ist die „Ansicht des Hafens von Beirut“ von Leander Russ, in feinsten Details ausgeführt 1842, als tatsächlich für einen kurzen Moment die österreichische Flagge über Beirut wehte.
Das 20. Jahrhundert kommt in der Ausstellung kleinformatig daher. Wilhelm Thöny sieht New York 1933 als Abbreviatur von Symbolen wie der Brücke und dem Hochhaus, als Sinnbild der Großstadt statt deren Abbild. Gerhart Frankl kehrte 1947 aus dem erzwungenen Exil für kurze Zeit in seine Vaterstadt Wien zurück und kann sie nur noch als schwarze, kaum unterscheidbare Massierung von Gebäuden erkennen. Den farb­frohen Gegenpol markiert wenige Jahre später Hans Robert Pippal mit seiner Ansicht von Salzburg, als hätte eine der heute so beliebten Licht­inszenierungen die Stadt koloriert.
Schließlich ist in der gehaltvollen Ausstellung die Ansicht von Assisi zu sehen, die Clemens Holzmeister 1952 aquarellierte: die um die Franziskus-Basilika herum errichtete Stadt in der Bildmitte, die Landschaft auf breite Striche in Grün und Braun reduziert. Es ist der Blick des Architekten, der sich auf die Stadt fokussiert, seit jeher der Ort von Verheißung und Sehnsucht. In dieser Ausstellung wird deutlich, wie wenig sich daran über 400 Jahre hinweg geändert hat.

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