Ideen für die Tonne
Text: Crone, Benedikt, Berlin; Flagner, Beatrix, Berlin
Ideen für die Tonne
Text: Crone, Benedikt, Berlin; Flagner, Beatrix, Berlin
Beginnen wir diese Ausgabe mit zwei guten Nachrichten. Die erste lautet: In Deutschland wird immer weniger Müll produziert. Das gesamte Abfallaufkommen von 2022, dem letzten Jahr, zu dem das Statistische Bundesamt Zahlen zu bieten hat, betrug knapp 400 Millionen Tonnen; die Menge sinkt seit 2018 kontinuierlich. Mehr als die Hälfte des Abfalls stammt aus der Baubranche. Im Privaten erreicht das Abfallaufkommen ebenfalls einen Tiefstand: mit 438 Kilogramm Haushaltsabfällen pro Jahr und Kopf. Die zweite gute Nachricht: Immerhin circa siebzig Prozent des Mülls werden recycelt, knapp zwölf Prozent „energetisch verwertet“. Der Rest wird „abgelagert“. Auch wenn andere Länder teils bessere Quoten haben, steht die Bundesrepublik beim Müll vergleichsweise gut dar.
Die weniger gute Nachricht: Deutschland exportiert in absoluten Zahlen so viel Plastikmüll ins Ausland wie kein anderes Land in Europa, auch pro Kopf gerechnet erreichen wir gerade das Mittelfeld. Viel Müll landet in der Türkei und Ländern Südostasiens zu Recyclingzwecken in Anlagen, deren Arbeit kaum kontrolliert wird. Zudem erleben wir einen starken Anstieg beim Verpackungsmüll. Beides – der ungeklärte Umgang mit (exportiertem) Abfall und der wachsende Verpackungsmüll – belastet unsere natürliche und gebaute Umwelt. Es sind die Städte, die den größten Anteil am Müllaufkommen tragen. Es sind die Städte, die mit achtlos Weggeworfenem und illegal Abgestelltem zu kämpfen haben. Und es sind die Städte, in denen die Weichen für eine abfallarme Zukunft gelegt werden.
Für den Übergang zu einer abfallarmen Zukunft sind nationale und internationale Gesetze maßgebend: Das zentrale Gesetz des Abfallrechts in Deutschland bildet das 2012 in Kraft getretene Kreislaufwirtschaftsgesetz. Doch neben der Europäischen Kommission, Bund und Ländern, die umwelt- und abfallpolitische Ziele und Vorgaben festlegen, kommt den Kreisen, Städten und Gemeinden die entscheidende Rolle zu: Sie sind für die Entsorgung der Abfälle aus Privathaushalten und anderen Bereichen zuständig. Das Ziel, das Abfallaufkommen zu reduzieren, verfolgen daher neben Staatsregierungen – wir werfen Blicke nach Japan, Italien und Uganda – in erster Linie Städte. Die Zero-Waste-Bewegung weltweit hunderte Kommunen in dem Ziel, ihr Abfallaufkommen zu minimieren und die Recyclingquote zu erhöhen. Die erste Stadt Europas, die als Zero Waste zertifiziert wurde, ist das italienische Capannori. In Deutschland sind Kiel und München auf dem offiziellen Weg dorthin.
Die Frage nach dem richtigen Umgang mit Müll beschäftigt allerdings nicht nur Rathäuser und Kommunalverwaltungen. Sie reicht bis ins Innere unserer Quartiere und Häuser. „Die Mülltonne ist das Stiefkind des Architekten“, schrieb die Bauwelt bereits in den Sechzigerjahren. An der Priorität hat sich für Planerinnen und Planer tendenziell wenig geändert: Der Abfallentsorgung wird häufig nicht der Platz eingeräumt, der ihr zustehen sollte. Paradoxerweise erhalten die etwas stillosen Behälter und Säcke gerade hierdurch eine große Präsenz in Hof, Vorgarten oder Straßenraum. Ebenso wenig bedacht wird die Rolle der Mülleimer für die Sauberkeit einer Stadt: Erst wenn sie fehlen, gewinnen sie an Bedeutung.
Dabei gibt es auch beim Müll zukunftsweisende Konzepte und Infrastrukturen, von Unterflurbehältern bis Abfallsauganlagen, die aber in Deutschland noch selten Anwendung finden. Die Recherchen zur Ausgabe zeigten vielmehr: Die meisten Initiativen für eine abfallarme Gesellschaft entspringen dem Engagement ehrenamtlicher Überzeugungstäter, sei es, weil sie es Leid sind, Abfall zu produzieren – oder ihn täglich vor ihrer Haustür zu finden.
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