Ist die Renaissance der Stadt am Ende? Eine Chance für ein neues Stadt-Land-Verhältnis
Urbanisierung und Landflucht wechseln sich mit Suburbanisierung und Landlust ab. Letztere führen jedoch häufiger zur Zersiedelung von Orten als zur Revitalisierung der Kerne. Um die gemeinsame Regionalplanung von Städten, Kreisen und Gemeinden zu fördern, wurde nun das eigenständige Förderinstrument des Bundes, der „Plan für Deutschland“ für gleichwertige Lebensverhältnisse ins Leben gerufen. Warum es diese neue Raumordnungspolitik dringend braucht.
Text: Hellweg, Uli, Berlin
Ist die Renaissance der Stadt am Ende? Eine Chance für ein neues Stadt-Land-Verhältnis
Urbanisierung und Landflucht wechseln sich mit Suburbanisierung und Landlust ab. Letztere führen jedoch häufiger zur Zersiedelung von Orten als zur Revitalisierung der Kerne. Um die gemeinsame Regionalplanung von Städten, Kreisen und Gemeinden zu fördern, wurde nun das eigenständige Förderinstrument des Bundes, der „Plan für Deutschland“ für gleichwertige Lebensverhältnisse ins Leben gerufen. Warum es diese neue Raumordnungspolitik dringend braucht.
Text: Hellweg, Uli, Berlin
Kein Zweifel, die „Renaissance der Städte“ ist ein voller Erfolg. Tatsächlich war die Suburbanisierung nach der Jahrtausendwende in vielen Regionen gestoppt. Die Menschen zog es wieder in die Städte, und in vielen Umlandgemeinden mussten Eigenheimbesitzer mitansehen, wie die Preise ihrer Immobilien verfielen. Auch heute wachsen die deutschen Großstädte noch rasant, vor allem auf Grund des Zuzugs von jungen Leuten und Ausländern. Aber neue Fragen stehen im Raum: Wie lange können sich Familien das Wohnen in der Stadt noch leisten? Wann sind die Grenzen von Nachverdichtung und Innenentwicklung erreicht? Wie lebenswert sind die Großstädte auf Dauer angesichts des täglichen Verkehrskollapses, wachsender sommerlicher Überhitzung, hoher Stickoxyd- und Feinstaubbelastungen?
Wie die Statistiken zeigen, zieht es seit Mitte dieses Jahrzehnts vor allem den Mittelstand wieder in die Peripherien der Großstädte, in die attraktiven Mittelstädte der Region oder gar „raus auf’s Land“. Seit 2014 wandern wieder mehr Inländer aus den Großstädten ins Umland und die ländlichen Regionen als umgekehrt. Ländliche Kreise verzeichnen dabei sogar die meisten Zuzügler. Hier wird gebaut, was die Regionalplanung hergibt und manchmal mehr als das. Wie das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) unlängst feststellte, geht der Neubau-Boom allerdings bei der Hälfte der rund 400 Kreise und kreisfreien Städte in Deutschland zumindest teilweise am Bedarf vorbei, dass heißt „es wurden im Zeitraum 2016 bis 2018 ausreichend oder zu viele Wohnungen gebaut“. Dabei handelt es sich oft um Regionen mit fünf Prozent und mehr Leerstand. Mit jedem neuen Eigenheimgebiet am Ortsrand sinkt die Chance der Revitalisierung der historischen Ortskerne doppelt: für die historische Bausubstanz und für den örtlichen Einzelhandel; denn ein Eigenheimgebiet kommt selten allein, und mehrere brauchen ein autogerechtes Einkaufszentrum. So steigt der ohnehin überproportional hohe Brutto-Baulandbedarf gleich mehrfach: durch eine niedrige GFZ der Baugrundstücke, zusätzliche Verkehrsinfrastruktur und den großflächigen Einzelhandel. Aber auch im engeren Verdichtungsraum der Großstädte wird heute – mit seltenen Ausnahmen – flächenfressend oft nur mit Dichten von 20–50 Einwohnern pro Hektar gebaut. Schon in den neunziger Jahren hatten verschiedene Untersuchungen nachgewiesen, dass Suburbanisierung volkswirtschaftlich unsinnig ist, da sie in den Bereichen öffentliche Infrastruktur, ÖPNV und Bauunterhaltung mit den höchsten Kosten pro Einwohner verbunden ist. Katastrophal wird die Bilanz, wenn man die sogenannten „externen Kosten“ für Flächenverbrauch, Umweltbelastung und Mobilität mitrechnet. Dass die neuen suburbanen Wohngebiete darüber hinaus nicht selten von äußerst bescheidener architektonischer Qualität sind (im Fachjargon auch „Wildsaugebiete“ genannt) sei hier nur am Rande erwähnt.
Stumpfe Schwerter?
Warum, so fragt man sich, steuern Landes- und Regionalplanung nicht massiv gegen? Warum gelingt es ihnen nicht, die im Raumordnungsgesetz geforderten „räumlichen Voraussetzungen für die Erhaltung der Innenstädte und örtlichen Zentren als zentrale Versorgungsbereiche“ herzustellen? Warum schaffen sie es kaum, die „Siedlungstätigkeit räumlich zu konzentrieren“ und „vorrangig auf vorhandene Siedlungen mit ausreichender In-frastruktur und auf Zentrale Orte auszurichten“? Warum werden neue Wohnbauflächen immer noch außerhalb des Einzugsbereichs des öffentlichen Personennahverkehrs – oft sogar in den freizuhaltenden Grünachsen des Verdichtungsraumes – ausgewiesen? Offensichtlich müssen erst „Volksbegehren gegen den Flächenfraß“ (Bayern 2018) oder für Artenviel-falt („Rettet die Bienen“, Brandenburg, Bayern 2019) die Öffentlichkeit aufwecken, damit Politik über Raumordnung neu nachdenkt.
Die Ursachen für das zumindest partielle Scheitern der Raumordnungspolitik sind so vielfältig, wie es das System der Raumplanung in Deutschland ist. Dennoch lässt sich eine Haupttendenz benennen: Spätestens seit der Lissabon Strategie der EU aus dem Jahre 2000, die Europa zum „wettbewerbsfähigsten und innovativsten Wirtschaftsraum der Welt“ machen sollte, konzentrierte sich die Raumordnungspolitik auf das Prinzip „Stärken stärken“. Den Städten und Gemeinden wurde eine größere Eigenverantwortung und Selbstbestimmung – auch in der Siedlungsentwicklung – eingeräumt, damit sie sich im internationalen Wettbewerb behaupten können. Im Konkurrenzkampf um Wachstum und Steuerzahler, so die neoliberale Theorie, sollten die Menschen „mit den Füßen abstimmen“, wo sie leben wollen. In den strukturschwachen ländlichen Regionen vor allem in Ostdeutschland stand das „Abstimmungsergebnis“ von vornherein fest: Wer einen Ausbildungsplatz oder Arbeit suchte, musste zum Wochenendpendler oder Auswanderer werden. Denn hier gab es keine wirtschaftlichen„Stärken zu stärken“, und selbst die „Mindeststandards der Daseinsvorsorge“ schmolzen dahin. Die sozio-demographischen und mittlerweile auch politischen Ergebnisse dieser Raumordnungspolitik sind bekannt. Im Juli 2019 legten die Bundesminister Seehofer, Klöckner und Giffey ihren „Plan für Deutschland – Gleichwertige Lebensverhältnisse überall“ vor, der gewissermaßen die späte politische Antwort auf die – nicht nur an der Finanzkrise von 2008 – gescheiterte Lissabon-Strategie darstellt. Da der Plan nur „Empfehlungen“ und keine Entscheidungen enthält, bleibt abzuwarten, was daraus wird.
Die Verantwortung der Raumordnungspolitik
Die Zuständigkeit für die Raumordnung ist im föderalen System der Bundesrepublik zwischen Bund und Ländern geteilt. Die Hauptverantwortung liegt bei den Ländern, zu denen verfassungsrechtlich auch die Kommunen gehören. Verglichen mit der Planungseuphorie der siebziger Jahren führt eine gestaltende Raumplanung heute ein Schattendasein. Das System der „Zentralen Orte“, noch immer theoretische Grundlage der Raumordnung, wird zwischen Wunsch und Wirklichkeit zerrieben. In den Verdichtungsräumen sind „zentrale Orte“ schon längst in transkommunalen Verflechtungen aufgegangen; in ländlichen Räumen ist ihre Funktion zwiespältig. Einerseits sollen zentrale Orte die Mindestversorgung der Bevölkerung – immerhin lebt hier jeder siebte Bundesbürger – sicherstellen, andererseits dürfen die kommunalen Haushalte in den strukturschwachen Regionen aber nicht noch weiter überfordert werden. Die im August 2019 veröffentlichte Studie „Zukunft der Regionen in Deutschland“ des Instituts der Deutschen Wirtschaft zeigt, dass fast ein Drittel aller Regionen aufgrund ihrer Verschuldung in ihrer „infrastrukturellen Entwicklung gefährdet“ ist. Die Studie stellt fest, „dass die Regionen mit identifiziertem Handlungsbedarf zum Teil seit Jahrzehnten gefördert werden. Allein dies ist ein Signal, über neue Wege in der Regionalpolitik nachzudenken.“
Eine Rückkehr zur „Raumplanung von oben“ ist weder möglich noch sinnvoll. Die Regionalplanung wird auch in Zukunft eine Sache des Aushandelns einerseits zwischen den Städten, Kreisen und Gemeinden untereinander und zwischen Kommunen und Landesplanung andererseits bleiben. Eine Schlüsselrolle spielt dabei die freiwillige kommunale Kooperation. Seit den Zweckverbänden des 19. Jahrhunderts, dem Siedlungsverband Ruhr (SVR), der Emschergenossenschaft u.a. hat interkommunale Kooperation eine lange und erfolgreiche Tradition. Unter dem Druck kommunaler Finanznot und einer ausufernden Aufgabenzuweisung durch Bund und Länder ist ihre Bedeutung seit den neunziger Jahren noch einmal deutlich gestiegen. Die Selbstorganisation funktioniert in den Bereichen Daseinsvorsorge, Klimaschutz und Klimaanpassung, Aufbau von Netzwerken mit der Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft/Forschung, Marketing und Tourismusförderung in vielen Regionen sehr gut. Auch im Bereich regionaler Wirtschaftskreisläufe oder der Organisation nachhaltiger Verkehrskonzepte hat sich vor allem im Rahmen der Europä-ischen Metropolregionen und in den ländlichen Regiopolen in den letzten Jahren viel getan. Regionalentwicklung ist heute ohne diese freiwilligen, deshalb aber keineswegs unverbindlichen Kooperationsstrukturen nicht mehr denkbar.
In der Siedlungsentwicklung ist die Situation komplizierter. Am ehesten kooperieren Städte, Kreise und Gemeinden bei naturschutzfachlichen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sowie bei der Gewerbeflächenentwicklung. Gemeindegrenzen überschreitende Gewerbegebiete erfordern nicht nur eine abgestimmte Flächennutzungsplanung, sondern auch öffentlich-rechtliche (z.B. Zweckverband) oder privatrechtliche (z.B. GmbH) Rechtsformen, in denen der Nutzen- und Lastenausgleich, die Bewirtschaftung und Vermarktungsaktivitäten geregelt werden. Der überwiegende Teil der interkommunalen Gewerbegebiete entsteht auf der grünen Wiese oder – wo noch vorhanden – auf Konversionsflächen. Interkommunale Gewerbegebiete werden in der Regel mit EU-, Bundes- und Landesmitteln gefördert und könnten grundsätzlich auch ein Vorbild für eine interkommunale Entwicklung von Wohnbauflächen sein. Wie die zahlreichen Projekte im Rahmen des Förder- und Forschungsprogramms „Modellvorhaben der Raumordnung“ (MORO) des Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) zeigen, ist dies aber noch sehr selten der Fall. Zwar konn-ten durch MORO zahlreiche interkommunale Kooperationsprojekte angestoßen werden; aber ein regionales Flächenmanagement bleibt die Ausnahme. Ähnliches gilt für die Regionalen in NRW, die bis heute die stringenteste und nachhaltigste Form von Kooperationen zwischen Landes-, Regional- und Kommunalebene in Deutschland sind und die sich jetzt mit der Regionale 2025 „Bergisches Rheinland“ an die Frage eines „Regionalfonds“ herantasten.
Neue Governance-Struktur für die Regionalplanung
Für eine den Zielen der Nachhaltigkeit, des Ressourcen- und Klimaschut-zes verpflichtete Raumordnungspolitik ist es unerlässlich, dass die gesetzlichen Organisationen der Regionalplanung (Regionalverbände etc.) in der Siedlungsentwicklung eine aktivere Rolle spielen. Das bedeutet aber nicht, dass die gewachsene und bewährte Kultur der freiwilligen Zusammenarbeit der Kommunen untereinander und mit der Zivilgesellschaft, der Wirtschaft, den Universitäten und Forschungseinrichtungen deshalb überflüssig wird. Im Gegenteil: die formellen und informellen Organisationen der Regionalplanung müssen zukünftig noch enger zusammenarbeiten und dabei von den Ländern aktiv unterstützt werden – eine Selbstverständlichkeit, die bisher leider nicht überall selbstverständlich ist. Wesentliches Ziel einer steuernden und koordinierenden neuen Governance-Struktur sollte es sein, die Instrumente der Regionalplanung zu einem koordinierten regionalen Flächenmanagement auszubauen, z.B. durch die Schaffung regionaler Flächenpools, öffentlicher Entwicklungsgesellschaften oder Zweckverbände, revolvierender Grundstücksfonds und vorbildlicher Modellprojekte. Überlegenswert ist auch, ob die Verantwortlichen einer neujustierten Regionalplanung nicht durch direkte demokratische Wahlen legitimiert werden sollten, wie dies bei der Regionalversammlung der Region Stuttgart oder beim neu geschaffenen „Ruhrparlament“ ab 2020 der Fall ist.
Für ein erweitertes Aufgabenfeld und eine neue Governance-Struk-tur in der Regionalplanung bedarf es auch Geld. Die Minister Seehofer, Klöckner, Giffey schlagen in ihrem „Plan für Deutschland“ ein „eigenständiges Förderinstrument des Bundes für die Raumordnung“ vor, „um ge-zielt Impulse in Regionen mit besonderem Handlungsbedarf geben zu können“. Die Nagelprobe wird hier die „Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur – GRW“ sein, die neben den EU-Mitteln das wichtigste Förderinstrument der Raumordnung ist. Da ab 2020 voraussichtlich die Mittel aus dem „Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung – EFRE“ (u.a. wegen des Brexits) weitgehend entfallen werden, muss das gesamte Fördersystem der Regionalentwicklung neu konfiguriert werden. Diese Chance sollte genutzt werden, um wie bei der Städtebauförderung (z.B. Programm „Soziale Stadt“) nun auch ganzheitliche Strategien und Konzepte der regionalen Entwicklung mit GRW-Mitteln zu initiieren und zu unterstützen; denn bisher werden nur Wirtschaftsstruktur und wirtschaftsnahe Infrastruktur gefördert.
Eine steuernde und ganzheitlich orientierte Förderpolitik ist eine wesentliche Voraussetzung für eine gestaltende Raumordnungsplanung. Sie muss dabei zumindest teilweise die strukturellen Probleme und Zielkonflikte des kommunalen Steuer- und Finanzsystems lösen. Einkommens-, Gewerbe- und Grundsteuer sind und bleiben die wichtigsten Einnahmequellen jeder Kommune in Deutschland. Auch nach der Reform des Länderfinanzausgleichs im nächsten Jahr wird sich daran nichts ändern. Daher werden auch weiterhin vor allem finanzschwache Kommu-nen versuchen, durch Ausweisung von Wohnbau- und Gewerbeflächen steuerzahlende Betriebe und Einwohner anzuziehen – dies umso mehr, je weniger die Großstädte ihr Wohnungsproblem lösen können.
Umgekehrt gilt: Wer sich der Wettbewerbs- und Wachstumslogik des kommunalen Finanzsystems entzieht, um z.B. Flächen für Natur, Landschaft und Klima zu schützen, wird dafür finanziell bestraft. Dies bedeutet gerade für finanzschwache Kommunen in ökologisch hochwertigen Natur- und Landschaftsräumen einen gravierenden Zielkonflikt, den eine gestaltende Regionalplanung z.B. durch Flächenpools oder Flächenzertifikate lösen könnte. Anders liegen die Dinge bei jenen wohlhabenden Kommunen, die die „Schotten dichtmachen“ wollen – sei es, weil Bürger-initiativen mittels Volksbegehren jede weitere Entwicklung zu blockieren versuchen, sei es, weil die Politik in „vorauseilender Bürgerbeteiligung“ Verdichtungspotentiale oder geeignete Entwicklungsflächen für eine Siedlungsentwicklung zurückhält. Auch hierauf muss Raumordnungspolitik reagieren können. Denn da hilft auch kein §13b BauGB, der 2017 (vorläufig) befristet bis 2019 ins BauGB eingeführt wurde, um Bauvorhaben im Außenbereich zu „beschleunigen“. Dass diese Chance dann eher finanzschwache Kommunen im näheren oder weiteren Umland nutzen, um extensiv Einfamilienhaus- und Gewerbegebiete auszuweisen, kann man ihnen angesichts der Eigenlogik des kommunalen Finanzsystems nicht verdenken.
Damit entschwindet allerdings auch das 30ha-Ziel der Nachhaltigkeitsstrategie von 2002, das die Bundesregierung 2017 – weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit – bereits von 2020 auf 2030 verschoben hat, in noch weitere Ferne. Wenn die gegenwärtig im wahrsten Sinne des Wortes „heiß“ diskutierten Klima- und Nachhaltigkeitsziele eine Chance auf Realisierung haben sollen, müssen neue Regeln für die Entwicklung von Siedlungsflächen – also Wohn- und Gewerbeflächen sowohl im Bestand wie für Neuausweisungen – vereinbart werden. Dies wird aber unter den gegebenen Voraussetzungen des kommunalen Steuer- und Finanzsystems nur gelingen, wenn der Staat die von ihm selbst geschaffenen Mechanismen der Ressourcenverschwendung durch aktiv steuernde und fördernde Raumordnungspolitik zumindest teilweise wieder außer Kraft setzt.
Stadt und Land gemeinsam denken
Vieles spricht dafür, dass in Zukunft „die Stadt“ nicht mehr der primäre Sehnsuchtsort der Menschen ist, sondern dass sich Urbanisierung, Suburbanisierung und De- oder Re-Urbanisierung parallel abspielen werden. Läuft diese Entwicklung in den Mustern des letzten Jahrhunderts ab, werden nicht nur die Nachhaltigkeits- und Klimaziele verfehlt, sondern auch die sozialen und politischen Spannungen an Brisanz gewinnen – und zwar sowohl in den „inneren Peripherien“ der Städte wie in den äußeren des Landes. Bund, Länder und Gemeinden haben es in der Hand, die-se Entwicklung jetzt zu stoppen und sie durch eine gestaltende Raumordnungspolitik in nachhaltige Bahnen zu lenken. Ob die vielbeschworenen Möglichkeiten einer „digitalen Zukunft“ mit „autonomer Mobilität“, „Tele-Medizin“, „E-Learning“ usw. dabei helfen, ein neues Stadt-Landverhält-nis zu schaffen, hängt wesentlich von dieser Neujustierung der Raumordnungspolitik ab. Stadt und Land müssen mehr denn je zusammengedacht werden, als Stadt-Land-Nexus, dessen Probleme existentiell zusammenhängen und nur zusammen gelöst werden können. Dies programmatisch vorzudenken, könnte und sollte die Aufgabe der Fortschreibung der „Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt“ aus dem Jahre 2007 sein. Was wäre eine bessere Gelegenheit als die anstehende EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands 2020?
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