Kein Dialog, sondern die nächste Klatsche
Die Architekturfakultät an der TU Berlin sieht sich durch die Haushaltseinsparungen im Hochschulsektor bedroht. Die engagierte Fachschaft schlägt Alarm.
Text: Kraft, Caroline, Berlin
Kein Dialog, sondern die nächste Klatsche
Die Architekturfakultät an der TU Berlin sieht sich durch die Haushaltseinsparungen im Hochschulsektor bedroht. Die engagierte Fachschaft schlägt Alarm.
Text: Kraft, Caroline, Berlin
Es brodelt und rauscht immer wieder an der TU Berlin. Unter anderem macht sich seit Jahren der Gebäudebestand bemerkbar: störanfällige Haustechnik, heruntergekommene Sanitärbereiche, reißende Rohre. Das denkmalgeschützte Telefunken-Hochhaus reiht sich nach einem schweren Wasserschaden seit April nur als neustes Beispiel in die Riege gesperrter Gebäude. An der TU herrscht ein Sanierungsstau von 2,4 Milliarden Euro, ein Resultat jahrzehntelanger Sparmaßnahmen. Nun will der Berliner Senat für 2025 den Haushalt zusätzlich stark kürzen; von 100 Millionen Euro wurden die geplanten Sparmaßnahmen im Hochschulsektor auf 280 Millionen erhöht – Stand Anfang Dezember 2024.
Im Laufe des letzten Jahres wurden an der Architektur-Fakultät 30 Prozent der Tutorienstellen gekürzt, Fachgebietsräume fielen weg. Bis 2030 sollen zwei Professuren in Dozenturen umgewandelt werden. Betreuung und Forschungsmöglichkeiten werden abgebaut. Weniger Forschung bedeutet langfristig weniger Fördermittel, eine Kürzung mit Ansage. Die Fachschaft (Institut für Architektur, IfA) hat den Wunsch nach Unterstützung und einem Dialog bereits im Mai an den Senat und das Präsidium der TU kommuniziert. Der offene Brief und eine Demonstration blieben ohne Reaktion, stattdessen kam, wie es ein Mitglied des studentisch organisierten IfA-Kollektivs formuliert, „die nächste Klatsche.“
Wasserkocher, Mikrowelle, Arbeitsplatz: Gute Architektur kommt aus dem Studio
Am 14. November lud das IfA-Kollektiv zur ersten Kundgebung. 2025 soll ein Großteil der Studioflächen gestrichen und anderweitig vergeben werden. Bei den verbleibenden Plätzen hieße es dann: Shared-Desk, fachübergreifend. Es lebe New-Work! Natürlich ist nicht nur diese eine Fakultät betroffen, doch kann der Platzbedarf im Architekturstudium nicht mit dem von anderen Studiengängen verglichen werden. Ab dem ersten Semester, wir erinnern uns, werden Nachtschichten geschoben und predigen Profs das unvermeidbare Arbeiten in den Studios. Dieses Wissen um unterschiedliche Bedürfnisse scheine im TU-Präsidium zu fehlen, kritisiert Luis Biesler aus dem IfA-Kollektiv. Eine seiner Kolleginnen bringt es auf den Punkt: „Ohne Zusammensitzen macht man keine gute Architektur.“ An der TU sind die Arbeitsplätze, an denen sich zwischen Mateflaschen und Pizzakartons vielleicht das alles verändernde Architekturkollektiv der Zukunft kennenlernt, bedroht. Überhaupt Studioplätze zu haben, mag jetzt manch eine sagen, ist ja Luxus – wenn eine Uni als eine der besten Architekturschulen Deutschlands firmiert, dürfen sie aber schlicht nicht wegfallen.
Der Tanker fährt, aber welchen Kurs?
Auch von der gesellschaftlichen Verantwortung im späteren Berufsleben spricht Biesler. „Die Architekturlehre müsste gefördert werden, um die Bauwende zu schaffen“, fordert der Bachelor-Student und appelliert an Lehrkräfte und Mitarbeitende der Uni, gemeinsam gegen die Kürzungen vorzugehen, „schließlich wird nicht nur unserStudium erschwert, sondern auch Ihre Lehre.“ Stefanie Bürkle, Professorin für Bildende Kunst und stellvertretende geschäftsführende Direktorin des Instituts, ergänzt: „Die TU ist ein Tanker, wenn man den um die Ecke biegen will, muss man zwei Jahre vorher anfangen zu arbeiten, damit er dann abbiegt.“ Negative Veränderungen kämen dann allerdings ganz schnell. Bürkles Lehrstuhl wird nicht nachbesetzt werden. Architektur ist an der TU einer der bewerbungsstärksten Studiengänge, trotzdem sollen die Kürzungen in gleichem Maße auf alle angewendet werden. Im Saal sind keine Lehrenden auszumachen, Bürkle schließt mit dieser Bemerkung die Versammlung.
Auch etwa einen Monat nach der Vollversammlung war von Senat oder Leitung nichts zu hören. Dafür formiert sich an der TU ein Team kollektiven Widerstands, das sich, traurig pragmatisch, nur noch auf das konzentriert, was eventuell zu retten ist. Als die Architekturstudierendenvon den Mitarbeitenden der Mensa – nicht etwa von der Universitätsleitung – erfuhren, dass sie innerhalb einer Woche schließen werde, entschied sich das IfA-Kollektiv gegen eine Flugblatt-Aktion. In einer Woche kann der Tanker nicht wenden. Die Mensa gab täglich etwa 800–900 Essen aus, die Fakultät baut weiter an lebenswichtiger Infrastruktur ab. Top-down ist die Kommunikation jedenfalls jetzt schon unterirdisch. Die TU scheint immer mehr vom Kurs abzukommen, Ausgang offen.
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