Bauwelt

Zero-Waste-Stadt Kiel

Ihre Strategie: breite Beteiligung und verhaltensändernde Kommunikation

Text: Flagner, Beatrix, Berlin

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    Hunderte Mülltonnen waren 2021 auf der Reventlouwiese in Kiel aufgestellt. Unter dem Motto „Wollt ihr, dass die Tonnen zu euch kommen?“ sollen die Besucherinnen der Wiese dazu bewegt werden, ihren Abfall richtig zu entsorgen.
    Foto: picture alliance/dpa | Frank Molter

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    Hunderte Mülltonnen waren 2021 auf der Reventlouwiese in Kiel aufgestellt. Unter dem Motto „Wollt ihr, dass die Tonnen zu euch kommen?“ sollen die Besucherinnen der Wiese dazu bewegt werden, ihren Abfall richtig zu entsorgen.

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    Clusterung der Zielvisionen für Kiel: Es gibt eine ganze Bandbreite von priorisierten Zero-Waste-Maßnahmen, die aber nicht alle in einem Zug angegangen werden können. Wichtig ist es, zusammenhängende Maßnahmen auch gemeinsam umzusetzen.
    Abbildung: Zero Waste-Konzept Kiel

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    Clusterung der Zielvisionen für Kiel: Es gibt eine ganze Bandbreite von priorisierten Zero-Waste-Maßnahmen, die aber nicht alle in einem Zug angegangen werden können. Wichtig ist es, zusammenhängende Maßnahmen auch gemeinsam umzusetzen.

    Abbildung: Zero Waste-Konzept Kiel

Zero-Waste-Stadt Kiel

Ihre Strategie: breite Beteiligung und verhaltensändernde Kommunikation

Text: Flagner, Beatrix, Berlin

Den Grundstein für eine klimaverträgliche Ausrichtung der Stadt legte Kiel genau vor dreißig Jahren. 1994 wurde das Projekt „Klimaschutzstadt Kiel“ ins Leben gerufen und durch die Gründung des Klimaschutzfonds im darauffolgenden Jahr weiter verankert. Seitdem arbeitet die Landeshauptstadt von Schleswig-Holstein aktiv auf ein Ziel hin: Klimaneutralität. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist die Vermeidung von Müll.
Bereits seit 2016 existiert in Kiel ein lokaler Zero-Waste-Verein, der Teil des internationalen Netzwerks Zero Waste Europe ist. Dieser regte dazu an, dass Kiel eine Zero Waste City werden könnte. Im Jahr 2020 wurde ein einstimmiger Ratsbeschluss gefasst, gefolgt von der Erlangung des Kandidatenstatus 2021. Seit dem vergangenen Jahr erfüllt Kiel alle Kriterien und ist damit die erste zertifizierte Zero-Waste-Stadt in Deutschland.
Bis zum Jahr 2035 soll sich die Gesamtabfallmenge pro Kopf pro Jahr durchschnittlich um fünfzehn Prozent reduzieren (ausgehend von 498 Kilogramm im Jahr 2017), die Haus- und Geschäftsabfälle sollen sogar um die Hälfte sinken, langfristig auf unter fünfzig Kilogramm pro Einwohner. Das Jahr 2017 bildet den Status quo, da für dieses Jahr die meisten Daten in den verfügbaren Statistiken vorliegen.
Ein besonderes Merkmal des Vorgehens der Stadt Kiel ist der partizipative Ansatz bei der Umsetzung und der Fokus auf verhaltensverändernde Kommunikation, die ein zentraler Bestandteil des Konzepts ist. Die Kieler und Kielerinnen wurden durch fünf Workshops in die Entwicklung von Maßnahmen einbezogen. Das Ergebnis ist ein 270-seitiger Maßnahmenkatalog, der die Umsetzung im Detail beschreibt.
Neben den zwei Hauptzielen wurden 18 sektorspezifische Ziele festgelegt, die sowohl kurzfristig (bis 2025), mittelfristig (bis 2030) als auch langfristig (bis 2050) zu erreichen sind. Eine wichtige Erkenntnis bezüglich der verhaltensändernden Kommunikation ist, dass sie zielgruppenspezifisch sein muss. Dem Modell sozialer Milieus folgend gibt es in der Bevölkerung verschiedene Gruppen, die soziodemografische Merkmale teilen. Zunächst trugen Zeitungsartikel, Veranstaltungen und Labels dazu bei, die Sichtbarkeit des Konzepts zu erhöhen. „Zero.Waste.City“ wurde in das Stadtmarketing integriert, und das Logo wird in alle Marketingaktivitäten einbezogen. Eine Zero-Waste-Map gibt einen Überblick über alle Zero-Waste-Möglichkeiten, partizipative Händlerinnen und Institutionen. Sie zeigt beispielsweise Einkaufs-, Essens- und Reparaturmöglichkeiten auf.
Der Maßnahmenkatalog umfasst insgesamt 17 Kommunikationsmaßnahmen und neunzig Umsetzungsmaßnahmen. Eine dieser Maßnahmen ist die Anpassung des Abfallgebührensystems. Durch die Einführung von „Pay as you throw“ (PAYT) soll ein finanzieller Anreiz zur Abfallvermeidung geschaffen werden. Bei diesem Preissystem zahlen Haushalte eine Gebühr entsprechend der erzeugten Abfallmenge. Eine automatische Abfallwiegung misst die Menge des Haus- und Geschäftsabfalls, woraufhin die Gebühr berechnet wird. Das PAYT-Konzept wurde bereits in der italienischen Stadt Parma eingeführt und es konnte eine Steigerung der getrennten Abfallerfassung von 48,5 Prozent auf rund 76 Prozent verzeichnet werden. In Parma verfügt jede Restmülltonne über einen sogenannten RFID-Chip, der den Besitzer identifiziert. Die Einführung des PAYT-Systems erfordert Investitionen von circa einer Millionen Euro.
Eine derzeit laufende Maßnahme ist eine umfangreiche Aktion zur Verringerung von Windelabfällen. Die Stadt bietet finanzielle Unterstützung beim Kauf von wiederverwendbaren Stoffwindeln an. Außerdem ist die Einführung eines eigenen Förderprogramms für Zero-Waste-Initiativen bis 2025 geplant. Neben finanzieller Anschubfinanzierung oder laufender finanzieller Unterstützung beabsichtigt die Landeshauptstadt Kiel auch, Im-mobilien zur Verfügung zu stellen, günstig zu vermieten oder bei der Suche nach entsprechenden Gebäuden zu helfen.
Ein wichtiges Ziel für die Stadt ist die Eröffnung eines Zero-Waste-Kulturhauses bis 2030. Dort sollen Maßnahmen zur Weitervermittlung, Re-paratur und Wiederaufbereitung räumlich gebündelt werden. Das Kulturhaus kann aber auch dazu dienen, Tauschbörsen und Flohmärkte zu veranstalten oder ein Tauschregal und Reparatur-Café beherbergen. Darüber hinaus gibt es Raum für den Austausch von Ideen für einen abfallfreien Lebensstil. Eine weitere Maßnahme, die im kommenden Jahr umgesetzt werden soll, ist das Angebot von Beratungsgesprächen vor Gebäudeabbrüchen. Weiter plant die Stadt bis 2027 die Eröffnung einer Bauteilbörse für gebrauchte Bauteile wie Fenster, Treppen, aber auch Baustoffe wie Holz oder Ziegel. Zusätzlich wird eine Bodenbörse vorgeschlagen, eine Plattform zur Vermittlung von Bodenaushub. Eine „Bodenrecyclinganlage“ wird derzeit für die Stadt Wuppertal geplant.
Bevölkerung
248.873 (Stand 2023)
Zero-Waste-Status
zertifizierte Stadt
Recyclingquote
65 Prozent

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