Bauwelt

Lange Schatten der Vergangenheit

Das Altonaer Museum nimmt das Schaffen des umstrittenen ­Hamburger Architekten Cäsar Pinnau unter die Lupe

Text: Scheffler,Tanja, Dresden

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    Dr. Oetker-Verwaltungsgebäude in Berlin, 1960/61
    Foto unten: Lieselotte und Armin Orgel-Köhne/ Hamburgisches Architekturarchiv

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    Dr. Oetker-Verwaltungsgebäude in Berlin, 1960/61

    Foto unten: Lieselotte und Armin Orgel-Köhne/ Hamburgisches Architekturarchiv

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    Caesar Pinnau, Entwurf ­einer Motoryacht für den Scheich von Kuwait, 1961
    Abb.: Hamburgisches Architekturarchiv

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    Caesar Pinnau, Entwurf ­einer Motoryacht für den Scheich von Kuwait, 1961

    Abb.: Hamburgisches Architekturarchiv

Lange Schatten der Vergangenheit

Das Altonaer Museum nimmt das Schaffen des umstrittenen ­Hamburger Architekten Cäsar Pinnau unter die Lupe

Text: Scheffler,Tanja, Dresden

Er war einer der umtriebigsten deutschen Architekten der Nachkriegszeit. Sein Werkverzeichnis umfasst mehr als 400 Projekte: Der Hamburger Cäsar Pinnau (1906–1988) baute Landhäuser, Villen, sogar Paläste, Yachten und Frachtschiffe, Firmenzentralen, Fabrikgebäude und Hochhäuser – im In- und Ausland.
Pinnaus Herz schlug für den Klassizismus. Eine seiner ersten Zeichnungen während der Tischlerlehre (1924) zeigt eine bis ins kleinste Detail ausformulierte römisch-ionische Säule mit Kapitell. Die Darstellung wirkt im Rückblick wie eine Vorwegnahme seiner späteren Entwurfs­auffassung. Nach 1945 waren Pinnaus Bauherren vor allem Kaufleute, Reeder und Industrielle, die ein gesellschaftliches Interesse an standesgemäßer Repräsentation hatten. Für viele war er der „Hausarchitekt“, dem sie die Einrichtung ihrer Häuser und Schiffe übertrugen.
Zwar favorisierte Pinnau die verschiedenen Formen des Spätbarock, des nordischen Klassizismus und des französischen Empire, doch machte er die Wahl seiner Stilmittel – die er alle aus dem Effeff beherrschte – von der jeweiligen Aufgabenstellung abhängig. Privathäuser gestaltete Pinnau meist historisierend-traditionell, Verwaltungs- und Produktionsstätten dagegen grundsätzlich modernistisch; ausgestattet wurde dann mit den passenden Möbeln. Sein wichtigstes Bürogebäude ist die Firmenzentrale der zur Oetker-Gruppe gehörenden Reederei „Hamburg Süd“ (1958–64) an der ehemaligen Ost-West-Straße (heute Willy-Brandt-Straße), bei der er sich an der amerikanischen Moderne orientierte. Für den griechischen Reeder Aristoteles Onassis zeichnete er erste Entwürfe für den später von Skidmore, Owings & Merrill ausgeführten Olympic Tower (1970–72), einen Wolkenkratzer an der Fifth Avenue in New York.
Seit den 50er Jahren lebte Pinnau im Bezirk Altona. In den noblen Hamburger Elbvororten und an der Alster baute er unzählige Landhäuser, die Statussymbole der besseren Gesellschaft. Ab 1974 nutzte er das ehemalige Wohnhaus des klassizistischen dänischen Architekten Christian Frederik Hansen (1756–1845) an der Palmaille, Altonas historischer Prachtstraße, für sein „Atelier“ genanntes Architekturbüro. 1986 errichtete er sich in Blankenese im Baurs Park ein neo-klassizistisches Privathaus: ein achteckiges Palais mit zwei flachen, einen Ehrenhof einfassenden Flügelbauten. Das Altonaer Museum hat nun in Zusammenarbeit mit der Hamburgischen Architektenkammer auf der Grundlage von Pinnaus umfangreichen Nachlass (den das Hamburgische Architekturarchiv aufbewahrt) eine Ausstellung mit Original-Zeichnungen, Fotografien und Modellen zusammengestellt. Die Schau nimmt erstmals Pinnaus gesamtes Wirken kritisch und differenziert unter die Lupe.
Cäsar Pinnau war nach 1945 zur Persona non grata geworden – hatte er doch Teile der Inneneinrichtung von Hitlers Neuer Reichskanzlei entworfen und unter Albert Speer an der Berliner Nord-Süd-Achse mitgeplant. Und sein historisierender Stil war in der frühen Bundesrepublik eine ideologisch verdächtige, im Grunde völlig indiskutable Entwurfshaltung. Zudem war er jahrzehntelang der Hausarchitekt der Oetker-Firmengruppe (Nahrungsmittelindustrie, Brauereien, Schifffahrt), deren Führungspersonal zu den Stützen der NS-Gesellschaft gehört hatte und die nun im Zuge des Wirtschaftswunders wieder expandierte. Für den Firmenchef Rudolf-August Oetker (1916–2007) baute er neben Büros und Produktionsstätten in Hamburg und Bielefeld Villen auf Capri und in Namibia sowie Brauereien in Italien und den USA. Viele Zeitgenossen stempelten Pinnau als unverbesserlichen „Nazi-Architekten“ ab. In Standardwerken der Baugeschichte wurde sein Werk ignoriert, außerhalb Hamburgs ist es kaum bekannt.
Pinnaus während der NS-Zeit ebenfalls viel beschäftigten Kollegen, die wie Herbert Rimpl und Egon Eiermann oder in Hamburg Bernhard Hermkes und Rudolf Lodders im Rüstungsindustriebau die Fahne der Flachdachästhetik hoch gehalten hatten, galten hingegen als unbelastet. Hielten sie sich doch nach dem Krieg (auch wenn sie zuvor ganz anderen ästhetische Vorlieben anhingen) an die Maximen des „demokratische Bauens“ der transparent-leichten Nachkriegsmoderne: ohne extreme Symmetrie, ohne lange Achsen oder andere altbekannte Status- und Machtsymbole. Doch, wie es der Münchner Architekturhistoriker Winfried Nerdinger einmal plakativ formulierte, nicht hinter jeder dorischen Säule steht zwangsläufig „ein blutbefleckter Diktator“. Und seit einiger Zeit haben die Bauhistoriker die naive Gleichsetzung von Form und Inhalt eines Gebäudes hinter sich gelassen. Damit ist auch ein weniger voreingenommener Blick auf Cäsar Pinnaus lange tabuisiertes Werk möglich.

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