Multifunktionsbauwerk
Ausgerechnet im Humboldt Forum läuft derzeit eine Ausstellung über den Palast der Republik
Text: Hamm, Oliver G., Berlin
Multifunktionsbauwerk
Ausgerechnet im Humboldt Forum läuft derzeit eine Ausstellung über den Palast der Republik
Text: Hamm, Oliver G., Berlin
Es hat schon etwas Anmaßendes, dass ausgerechnet im Humboldt Forum eine Ausstellung über den mit Ausnahme der Fundamentierung vollständig abgerissenen Palast der Republik zu sehen ist. Jenes 1976 fertiggestellte Bauwerk, das dieser ungefähren Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses weichen musste, in der nun ein paar Palast-Überbleibsel wie Devotionalien einer prähistorischen Epoche dargeboten werden. Die ganze (Trophäen-)Schau dann auch noch „Hin und weg“ zu betiteln, setzt der Angelegenheit noch eine symbolische Krone auf. Vielleicht sollte genau diese Botschaft rüberkommen: So wie einst die Kommunisten die Kriegsruine des barocken Stadtschlosses (die durchaus hätte instandgesetzt werden können) abräumen ließen, um dort den Palast der Republik zu errichten, musste jener selbst wieder verschwinden, um das Schloss (wenngleich mit neuer Funktion) wiederauferstehen lassen zu können.
Der Ausstellung gelingt es nicht, eine vollständige räumliche und atmosphärische Vorstellung von dem Multifunktionsbauwerk Palast der Republik zu vermitteln. Unter dessen Flachdach befanden sich mit dem Großen Saal und dem Kleinen Saal (Sitz der Volkskammer), mit dem großzügigen Hauptfoyer inklusive Palast-Galerie mit 16 Monumentalbildern, dem Theater, zahlreichen gastronomischen Einrichtungen, aber auch mit einer Bowlingbahn und einem Jugendtreff vielfältige Teilräume und Nutzungsbereiche, die unterschiedliche Gesellschaftsgruppen ansprachen. Entwurfszeichnungen zum „Zentralen Gebäude“ und Innenraumstudien der beiden Säle, ein Modell der Volkskammer, ein Modell des Stahlskelettbaus mit Gleitkernen und einige wenige Fotos vermitteln nur ein unvollständiges Bild des Palastes. Immerhin gewähren auf einer zentralen, erhöhten Bühne für Audiocollagen 22 ehemalige DDR-Bürger persönliche Eindrücke vom Palast: in insgesamt gerade mal 18 Minuten, die aus ursprünglich achtzig Stunden Material von 44 Interviews ausgewählt wurden.
Der Großteil des Ausstellungsrundgangs lädt vor allem zum Vorbeidefilieren an zahlreichen Originalobjekten aus dem Palast ein. Diese waren – nachdem das Bauwerk am 3.10.1990 in den Besitz der Bundesrepublik Deutschland übergegangen war – nach einer Verfügung der Bundesfinanzverwaltung zur Verwertung des mobilen Inventars und nach einer denkmalpflegerischen Dokumentation ausgewählter Palastbereiche eingelagert worden: von der Bundesanstalt für Immobilien, der Kunstverwaltung des Bundes und diversen Bundesinstitutionen. Zu sehen sind im Humboldt Forum u.a. die Gläserne Blume von Reginald Richter mit Richard O. Wilhelm aus dem Hauptfoyer (jedoch in Einzelteilen, so wie sie im Depot des Deutschen Historischen Museums eingelagert wurde), das großformatige Wandbild „Die rote Fahne – Kampf, Leid und Sieg“ von Willi Sitte, Teilstücke einer floralen Wandgestaltung aus der Personalkantine von Margret Lüdtke, eines Tresens aus dem Jugendtreff von Joachim Koenig und Dietmar Witteborn sowie von Marmorböden aus diversen Foyers, Freischwinger und Stahlrohrstühle von Horst Heyder, originalverpacktes und verwendetes Geschirr sowie Dienstbekleidungen der Palast-Angestellten.
Eine kleine Diashow gewährt einen Überblick über weitere Kulturpaläste im damaligen Ostblock; es fehlt jeglicher Querverweis auf die zahlreichen sonstigen Kultur- bzw. Volkshäuser in der DDR als Vorgängerinnen des Palastes der Republik. Jeweils viel zu knapp bemessen sind die Ausstellungsstationen zur Vorgeschichte des Bauwerks im historischen Stadtzentrum, zu den Nachwendediskussionen um den künftigen Umgang mit ihm, zu mehreren Architektur- und Ideenwettbewerben ab 1992 und zur Zwischennutzung „Volkspalast“ mit fast 1000 Veranstaltungen in den beiden Jahren vor dem im Februar 2006 begonnenen Abriss. Dieser war nach der Schließungsanordnung des DDR-Ministerrates aufgrund eines Asbestgutachtens und der Asbestsanierung 1998–2003, die einem Rückbau bis auf das tragende Skelett gleichkam, letztlich unausweichlich – mit einer bedeutenden Ausnahme: Zumindest der Volkskammersaal, in dem am 23.8.1990 der Beitrittsbeschluss der DDR zur Bundesrepublik Deutschland gefasst wurde, hätte als Geschichtsdenkmal ersten Ranges unbedingt erhalten bzw. nach der Asbestsanierung rekonstruiert werden müssen. Dass dieser Aspekt zu keinem Zeitpunkt der zahlreichen Diskussionen in den 1990er Jahren und auch nicht im Rahmen der Expertenkommission Historische Mitte, die 2002 mit einem knappen 8:7-Votum für eine Teilrekonstruktion des Schlosses gestimmt hatte, eine Rolle spielte, ist aus heutiger Sicht unverzeihlich. Andererseits wäre es insbesondere für ehemalige DDR-Bürgerinnen, die den Palast häufig zu Veranstaltungen und aus gastronomischen Gründen aufgesucht hatten, vermutlich unverständlich gewesen, wenn ausgerechnet dieser – dem normalen Bürger weitgehend verwehrte – Teilbereich im Unterschied zu anderen Teilbereichen des Palasts der Republik erhalten worden wäre.
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