Bauwelt

Nordische Leseratten, Lichtenberger Halbstarke

Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin; Landes, Josepha, Berlin

Nordische Leseratten, Lichtenberger Halbstarke

Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin; Landes, Josepha, Berlin

Zwei Zielgruppen, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Beide dürfen sich über neue Räume freuen. In Helsinki wurde Anfang Dezember eine neue Zentralbibliothek eingeweiht, entworfen vom finnischen Büro ALA. In Kopenhagen-Tingbjerg eröffnete Mitte Oktober eine neue Stadtteilbibliothek, geplant vom dänischen Architekturbüro COBE. Und die Norweger von Snøhetta haben die neue Zentralbibliothek im kanadischen Calgary realisiert. Anlass genug für eine Zusammenschau dieser aktuellen Manifestationen skandinavischen Bibliotheksbaus. Aufschlussreich dabei ist nicht nur, dass alle drei Projekte eine Raum­typologie fortschreiben, die sich, in Abgrenzung zum klassischen Lesesaal-Typus, in quasi landschaftlichen Raumgliederungen übt – ein Entwurfsansatz, der mit Blick auf den „panskandinavischen“ Hintergrund der Entwerfenden insofern naheliegt, als Alvar Aalto ihn mit seiner Bibliothek im karelischen Viipuri (heute Vyborg) Mitte der 1930er Jahre in die Bauaufgabe eingeführt hat. Sondern auch, dass alle drei Neubauten Entwicklungen bestätigen, die sich seit der Jahrtausendwende bzw. seit dem Beginn der Verwandlung von Informationen in Daten abgezeichnet haben: Außer Büchern gibt es jeweils zahlreiche weitere Angebote, die die Bauaufgabe Bibliothek in Richtung Kultur- und Bürgerzentrum verschieben und die Büchereien zu Häusern für die ganze, gemischte Stadtgesellschaft machen wollen. Die unterschiedlichen Dimensionen und Standorte im Zentrum bzw. am Rand der Stadt legen es nahe, in ein paar Jahren nachzusehen, ob sich die Hoffnungen erfüllt haben, die die Bauherren an diese Investitionen knüpfen.

Infraleichtbeton

Eine andere Art des Treffpunkts haben Gruber + Popp Architekten mit ihrer Betonoase in Berlin-Lichtenberg geschaffen. Das Jugend- und Familienzentrum ist das erste öffentlich Gebäude aus dem an der TU Berlin entwickelten Baustoff Infraleichtbeton. Durch Zuschläge aus Blähton erreicht Infraleichtbeton eine Trockenrohdichte von weniger als 800 kg/m³ und kann die Funktion einer integrierten Dämmung übernehmen. Die verschiedenen Infraleichtbetonklassen rangieren unter der Abkürzung „ILC“, ergänzt jeweils um die Angabe ihrer Trockenrohdichte. Die Betonoase wurde aus ILC700 gebaut. Umgeben von DDR-Plattenbauten der Typen WBS70 und QP, verdeutlicht der Neubau auch neue Prinzipien des Bauens: Effizienz liegt nicht mehr in der Typisierung allein, sondern in der Raffinesse des in sich schlüssigen Ensembles. Die Betonoase ist Prototyp einer baulichen Lösung, die sich durch das intelligente Miteinander von Inhalt, Architektur und Ingenieurtechnik auszeichnet.

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