Bauwelt

Nothing but the Bauhaus

Neuauflagen von Bauhaus-Klassikern und Neuheiten vom Nachwuchs: Eine Auswahl von der Möbelmesse imm cologne

Text: Kasiske, Michael, Berlin

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    Das Regalsystem DHS 10 von Herbert Hirche
    Foto: Richard Lampert; Tecta

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    Das Regalsystem DHS 10 von Herbert Hirche

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    Die Tischlampe von Gerrit Rietveld
    Foto: Richard Lampert; Tecta

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    Die Tischlampe von Gerrit Rietveld

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    Verschiedene Formationen sind möglich. Stellt man die quadratischen Elemente über Eck, können die Rol­-len als Lehnen dienen.
    Foto: de Sede

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    Verschiedene Formationen sind möglich. Stellt man die quadratischen Elemente über Eck, können die Rol­-len als Lehnen dienen.

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    Die Neuauflage des Stuhls 905 von Vico Magistretti ist mir rot, braun, beige und schwarzem Leder erhältlich.
    Foto: Cassina

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    Die Neuauflage des Stuhls 905 von Vico Magistretti ist mir rot, braun, beige und schwarzem Leder erhältlich.

    Foto: Cassina

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    Das Eternit-Sofa von Klemens Grund, Hersteller ist Mohr Polster.
    Foto: Werkraum Bregenzerwald/Adolf Bereuter; Yannik Rohloff

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    Das Eternit-Sofa von Klemens Grund, Hersteller ist Mohr Polster.

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    Den doppelwandingen Topf potpot befüllt man über den Griff mit Wasser.
    Foto: Werkraum Bregenzerwald/Adolf Bereuter; Yannik Rohloff

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    Den doppelwandingen Topf potpot befüllt man über den Griff mit Wasser.

    Foto: Werkraum Bregenzerwald/Adolf Bereuter; Yannik Rohloff

Nothing but the Bauhaus

Neuauflagen von Bauhaus-Klassikern und Neuheiten vom Nachwuchs: Eine Auswahl von der Möbelmesse imm cologne

Text: Kasiske, Michael, Berlin

„Ein Ding ist bestimmt durch sein Wesen.“ formulierte Walter Gropius 1926. „Um es so zu gestalten, dass es richtig funktioniert, muss sein Wesen zuerst erforscht werden.“ Dieses Diktum klärt den Blick auf die zahlreichen Produkte, die sich anlässlich der diesjährigen imm cologne auf die einflussreiche Gestaltungshochschule des vergangenen Jahrhunderts berufen. Ihr allgegenwärtiges Jubiläum hat auch vor der Möbelmesse, die im Januar 2019 in Köln stattfand, nicht halt gemacht. Zumal das Rubrum „Bauhaus“ ungebrochen für modern und progressiv steht, obschon die Entwicklung längst weitergegangen ist.
Dem Vergessen entriss Tecta die 1925 erstmals gebaute Tafellampje von Gerrit Rietveld (1888–1964). Damit hat der deutsche Möbelhersteller, der seit langem Entwürfe von Bauhauslehrern wie Gropius und Marcel Breuer produziert, nach einer programmatischen Hängelampe nun eine bislang kaum bekannte Tischleuchte des niederländischen Architekten ins Programm aufgenommen. Der Aufbau der Lampe ist mit dem glänzenden Leitungsrohr und der Lichtquelle in Form einer kugelförmigen Birne betont sachlich, lediglich an der Basis erlaubte sich der Autodidakt Rietveld spielerisch zu werden. Der Stand wird nämlich durch zwei rechtwinklig miteinander verbundenen Rohren mit gegensätzlichen Durchmessern und Längen gewährleistet, die beide farbig ausgeführt sind. Ursprünglich hatte Rietveld das Licht zu einem Strahl konzentriert, indem er den Großteil der Glühbirne schwarz übermalte. Das wird in der Neuauflage durch eine Metallfassung mit LED-Leuchtmittel auf den gegenwärtigen Stand der Technik gebracht, ohne dass die Tischlampe ihre Klarheit einbüßt. Das passt zur Antwort Rietvelds 1942 auf die Frage nach der Architektur der Zukunft: „Ihre einzige kulturelle Aufgabe ist es, unser Raumgefühl zu entwickeln, und dadurch beizutragen, das Leben vor unseren Augen zu entfalten.“
Um ein weiteres Stück aus dem Œuvre von Herbert Hirche (1910–2002) zu präsentieren, hätte es für Richard Lampert nicht des Jubiläums bedurft. Der Stuttgarter würdigt den von Ludwig Mies van der Rohe ausgebildeten Bauhäusler, der anschießend bei Lilly Reich und seinem Lehrer bis zu dessen Emigration arbeitete, mit zahlreichen Neuauflagen zu Recht als einen der maßgeblichen Gestalter im Nachkriegsdeutschland. Das Bücheranstellregal, so heißt das System DHS 10 in einer Werkübersicht, entwarf Hirche 1954 als eines der ersten Wandsysteme, die in Serie produziert wurden. Leitern aus Stahlrohr als Tragstruktur waren bekannt, doch DHS 10 zeichnet aus, das es freistehend ist und somit auch als Raumteiler funktioniert. Angesichts der seinerzeit kleinen Wohnungen kam dem System seine Leichtigkeit und Vielseitigkeit zugu­te; es ließen sich nicht nur Regalböden, sondern auch geschlossene Schrank- und Schubladenelemente einbringen. Das Anbausystem war das erste Wohnmöbel, das Hirche für die Schreinerei des damals gerade 24-jährigen Christian Holzäpfel entwarf und damit den Grundstein für ein bis in die 1970er Jahre erfolg-reiches Unternehmen legte. Heute sind die drei Höhen produzierten Leitern wie auch die Corpi in schwarz, weiß und lichtgrau erhältlich, zusätzlich gibt es die Einbauelemente auch in hellem Eichenfurnier. Wie bei allen seinen Möbeln hatte Hirche den mobi­len Menschen im Blick, der seine Einrichtung leicht in verschiedenste Raumverhältnisse integrieren kann.
Während im folgenden Jahrzehnt etwa die Hochschule für Gestaltung Ulm als selbst verstandene Nachfolge des Bauhauses in dessen Sin­ne mehr und mehr Produkte für die Industrie entwickelte, huldigte Vico Magistretti (1920–2006) mit seinem Stuhl 905 dem Handwerk und dem Archetypus, denn eine langlebige Gestaltung war ihm ein gewichtiges Anliegen. 1964 war der italienische Architekt mit dem auch optisch massiven Holzgestell seiner Zeit voraus: An den Enden abgerundete Stuhlbeine, die oben von sichelförmigen, sich im Querschnitt verjüngende Armlehnen durchschnitten werden, waren erst in der nächsten Dekade geläufig und markierten dann schon den Übergang zur Postmoderne. Magistretti hatte vermutlich ein gutes Werkstück im Sinn, denn der Sitz und die Rückenlehne bestehen aus Leder, die wie ein Sattel den statisch wichtigen Rahmen ummanteln. Nachdem der Stuhl beinahe zwei Jahrzehnte nicht mehr im Programm war, hat Cassina eine Neuauflage gestartet, die in Esche und Nussbaum lieferbar ist. Dank 5-Achs-CNC-Fräsen können die Verbindungspunkte zwischen Holz und Leder auch ökonomisch effizient gefertigt werden – raffinierte Details wie auch die kleinen Stuhlkappen, die den robusten Stuhl leicht über dem Boden schweben lassen.
An eine Vielseitigkeit wie beim Sofa 1088 konnte in den 1920er Jahren schon wegen des bürgerlichen Lebensstils der Kultur tragenden Schicht nicht gedacht werden. Dennoch ist das 1975 im Entwurfsstudio des schweizerischen Ledermöbelherstellers de Sede unzweifelhaft der Moderne verpflichtet. Denn diese Ära war wohl die letzte gestalterisch kreative Phase, bevor das Fiktionale der Postmoderne die in die Jahre gekommenen, teilweise auch zur Banalität verhunzten Lehren modernen Designs ablöste. Das nun wieder ins Programm genommene Sitzobjekt besteht aus vier jeweils fast ein Quadratmeter großen Elementen, zu dem sich zwei 165 Zentimeter lange und 24 Zentimeter hohe Rollen gleichsam gesellen. Denn die vier Quadrate, deren Sitzhöhe fast wie bei einem Stuhl ist, können nebeneinander oder über Eck gestellt werden oder zusammen ein großes Quadrat bilden. Die möglichen Formationen genügen dem Anspruch an gegenwärtiges Mobiliar: Vielseitig einsetzbar und durch die Qualität der Verarbeitung auch langlebig. „Sitzlandschaft“ hieß das zur Entstehungszeit und ist damit auch dem Anliegen verpflichtet, den bürgerlichen Sesseln und Sofas, die Sitzordnungen vorgaben, endgültig eine Absage zu erteilen.
Außerhalb des Experimentierens wurde am Bauhaus wenig mit vorgefundenen Produkten gearbeitet. Dabei ist das Ready-Made, das Umwerten des Gewöhnlichen, ein Kennzeichen jener Zeit, das sich freilich mehr in der freien Kunst als im Design niederschlug. In der Gegenwart griff Klemens Grund (*1982) mit dem als billigen Baustoff bekannten Eternit ein solches Mate­rial für sein Sofa wieder auf. Der Kölner Designer, der einige Jahre im Atelier Peter Zumthor tätig gewesen ist, bevorzugt klare, unaufgeregte Formen (Bauwelt 4.2018). So besteht auch das Eternit-Sofa aus einem Korpus aus Well-Eternit, der von einem filigranen Metallgestell vom Boden abgehoben und gefasst wird. Sitz- und Rückenpolster füllen die Form aus, die kleineren Kissen lassen das Sofa, das zum Geradesitzen auffordert, etwas gemütlicher erscheinen. Das eigensinnige, auch witterungsfeste Objekt wurde beim Gestaltungswettbewerb „Handwerk + Form 2018“ im Bregenzerwald zum ersten Mal vorgestellt und erhielt eine Anerkennung für seine klare Gestalt. Zur Fertigung benötigt das Sofa neben dem üblichen Polsterer zudem Spengler, Metallbauer und Strahltechniker.
Ein Werkstoff des modernen Designs war Borosilikatglas. Durch den geringen Wärmeausdehnungskoeffizenten unempfindlich gegen plötzliche Schwankungen der Temperatur, wurde es beispielsweise von dem Bauhäusler Wilhelm Wagenfeld für sein berühmtes Teeservice und vor allem für Kochgeschirr eingesetzt. Das Spezialglas ist auch das Material des potpot von Yannik Rohloff (*1990). Die Leidenschaft am Kochen ließ den Designstudenten einen gläsernen Körper entwickelt, in dem etwa Schokolade oder Honig effektiv geschmolzen werden kann. In dem doppelwandigen Topf wird das eingefüllte Wasser erhitzt und erwärmt ohne die Gefahr des Spritzens die Substanz, die sich in der darüber geformten Mulde befindet. Das Wasser und die zu schmelzende Masse, die vom Glas getrennt werden, haben einen eigenen visuellen Reiz; zudem kann das glatte Gefäß rückstandsfrei gereinigt werden. Rohloff, der im siebten Semester Produktdesign an der Universität der Künste Berlin studiert, ist ein Hersteller zu wünschen, mit dem er den „potpot“ zur Serienreife entwickeln kann. Wie es einigen bis heute für das Bauhaus stehenden Produkten gelang, die das Wesen der Funktion ästhetisch wiederspiegeln.

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