Bauwelt

Nützliches aus Köln

Eigentlich kaum vorstellbar, dass unser Autor mit seiner Vorliebe für Reduziertes auf der imm cologne jedes Jahr fündig wird. Wird er aber

Text: Kasiske, Michael, Berlin

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    TT 54 von Paul Schneider-Esleben, neu aufgelegt bei Richard Lampert
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    TT 54 von Paul Schneider-Esleben, neu aufgelegt bei Richard Lampert

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    Frog: eine Re-Edition von Herbert Hirches „Frosch“ (ebenfalls bei Lampert)
    Foto: Richard Becker

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    Frog: eine Re-Edition von Herbert Hirches „Frosch“ (ebenfalls bei Lampert)

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    M 38 von Andree Weissert für TECTA: Stahlrohr und geölte Faserzementplatte
    Foto: HG Esch

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    M 38 von Andree Weissert für TECTA: Stahlrohr und geölte Faserzementplatte

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    Curve von Felix Stark für Schönbuch: Weniger Möbel geht kaum.
    Foto: Max von Eicken

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    Curve von Felix Stark für Schönbuch: Weniger Möbel geht kaum.

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    Gherpe von Superstudio ist seit 1967 im Programm von Poltronova
    Foto: L. Sechi

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    Gherpe von Superstudio ist seit 1967 im Programm von Poltronova

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    Focus von Susanne Tesche: Tischlampe mit höhen­verstellbarer Lichtquelle
    Foto: S. Tesche

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    Focus von Susanne Tesche: Tischlampe mit höhen­verstellbarer Lichtquelle

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    Pong von Simon Diener bezieht seinen Strom aus dem Akku im Gegengewicht
    Foto: Philipp Radowitz

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    Pong von Simon Diener bezieht seinen Strom aus dem Akku im Gegengewicht

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    Neo von Bernhard Osann: extrem reduziert, aber voller ausgeklügelter Details
    Foto: Nils Emde

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    Neo von Bernhard Osann: extrem reduziert, aber voller ausgeklügelter Details

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Nützliches aus Köln

Eigentlich kaum vorstellbar, dass unser Autor mit seiner Vorliebe für Reduziertes auf der imm cologne jedes Jahr fündig wird. Wird er aber

Text: Kasiske, Michael, Berlin

Zu Jahresbeginn jagen die Möbelmessen einander – als wollten sie sich vor dem im April stattfindenden „Salone del Mobile“ in Mailand noch Aufmerksamkeit sichern. Die erste in diesem Reigen, vor der Maison & Object Paris und der Stockholm Furniture Fair, ist die imm cologne, die vom 16. bis zum 22. Januar stattfand. Ihr Selbstverständnis als „wichtigste Einrichtungsmesse im weltweit wichtigsten Einrichtungsmarkt“ kommt nicht von ungefähr: Zum einen wird die Leistungs- und gleichzeitig Gestaltungsschau schon seit 1949 am Rhein ausgerichtet, zum anderen nimmt das Segment Wohn- und Küchenmöbel fast siebzig Prozent des Gesamtumsatzes der inländischen Möbelproduktion ein. Davon wird zudem ein Drittel ausgeführt, womit Deutschland weltweit den dritten Platz im Möbelexport einnimmt, überraschenderweise noch vor Italien.
Deutsches Design wird von jeher weniger als aufregend denn als solide empfunden. Das mag für den Hersteller Richard Lampert Anlass sein, Möbelentwürfe aus den frühen Jahren der Bundesrepublik neu aufzulegen, die wie ihre Entwerfer etwas in Vergessenheit geraten sind. Das erste Parkhaus Deutschlands, die Haniel-Ga­rage, das Mannesmann-Hochhaus und der Flughafen Köln-Bonn sind als stilbildende Gebäude der Nachkriegszeit präsenter als ihr Schöpfer, der Düsseldorfer Architekt Paul Schneider-Esleben (1915–2005). Seinen Stuhl TT 54 – die Buchstaben stehen für ein kindliches „Tinchen Tühlchen“ – entwarf er 1954. Man sieht dem Gestell aus schwarzem, nur zehn Millimeter dickem Rundstahl an, dass Material seinerzeit knapp war. Das freilich gibt dem Stuhl das Filigrane, wobei das Geflecht aus Naturrattan an der Rückenlehne wie ein etwas zu knapp bemessenes Bikini-Oberteil wirkt. Die ursprüngliche Form wurde leicht modifiziert, wodurch der einst von Schneider-Esleben für ein Esszimmer vorgesehene Stuhl nun aktuellen Anforderungen an Ergonomie und Komfort entspricht.
Auch der ehemalige Bauhäusler Herbert Hirche (1910–2002) hat zu jener Zeit Sitzmöbel mit Naturgeflecht entworfen, die jedoch mehr der ­Bequemlichkeit als dem Purismus verpflichtet ­waren. Hirche war bekannt, für seine „Möbel, die Unterhaltungselektronik beinhalten“. Lampert jedoch präsentiert eine Neuauflage des ebenfalls Mitte der 50er Jahre entstandenen Stuhls Frog. Der stapelbare Stuhl wurde seinerzeit für Hörsäle entworfen und zeichnet sich durch eine unten rund ausgeschnittene Rückenlehne aus. Die entfernt an ein Maul erinnernde Öffnung ­zwischen Sitzfläche und Lehne hat Hirche vermutlich zu der Bezeichnung „Frosch“ angeregt. Ursprünglich hatte die Rückenlehne oben einen eckigen Abschluss; in der Überarbeitung wurde sie abrundet und folgt formal dem Rohr, an das sie befestigt ist. Hirche begriff den heute aus Stahlrohr und Eiche gefertigten Stuhl seinerzeit als Arbeitsstuhl: In der von ihm gestalteten Musterwohnung im Hansaviertel für die Interbau 57 steht der Stuhl jedenfalls vor dem Schreibtisch. Natürlich in Schwarz. Wohingegen die heutige Ausführung in sechs Farbtönen erhältlich ist.
In der Tradition der Tische, die Hirche vor sechzig Jahren für Christian Holzäpfel entwarf, steht der Tisch M 38 von Andree Weissert. Und das nicht allein formal: Der in Berlin lebende Weissert ist nach seiner Ausbildung zum Zimmermann schon seit 2000 als Handwerker und Designer selbstständig; insofern war das folgende Architekturstudium stets durch praktische Erfahrungen geerdet – ähnlich der Bauhausausbildung des gelernten Tischlers Hirche. Der M 38 entstand, während der Firmensitz des Herstellers TECTA umgebaut wurde. Erwünscht war ein zurückhaltender Arbeitstisch, der in der firmeneigenen Schlosserei gefertigt werden konnte. Das Stahlgestell besteht aus sehr schlanken Vierkantprofilen, darüber „schwebt“ eine Eternitplatte als Tischfläche. Das haptisch angenehme Material wird geölt und wirkt im Farbton Graubraun beinahe wie eine Holzoberfläche.
Im Unterschied zur Diversität von TECTA legt das bayrische Unternehmen Schönbuch den Schwerpunkt seiner Möbel auf den Eingangsbereich. Kleider- und andere Ablagen sind in den meist engen Fluren nur mit Geschick und selten formschön unterzubringen. Sozusagen einen Vorstoß macht die Garderobe Curve. Unbenutzt steht der Rahmen aus Rundrohr fast plan an der Wand, für den Gebrauch wird er oben so weit nach vorn gezogen, dass sich Kleiderbügel einhängen lassen. Unten, in der Kehle zwischen Wand und Fußboden, wirkt das Rohr wie ein Drehgelenk; oben wird der Rahmen von dünnen, kaum sichtbaren Drähten gehalten, die sich aus zwei kleinen Wandzylindern abspulen, die auch als Abstandhalter dienen. Bei derartiger Reduktion möchte man kaum von einem Möbel sprechen. Entworfen wurde es vom Designer Felix Stark, der, ebenfalls ausgebildeter Schreiner, seit zwölf Jahren in Köln ein Büro mit dem programmatischen Namen „formstark“ betreibt.
Abseits der Messe zeigte das Ungers Archiv für Architekturwissenschaft in einer Ausstellung die Möbel der italienischen Gruppe Superstudio, die heute noch produziert werden. Es ist wenig bekannt, dass die Schöpfer der berühmten erdumspannenden Megastruktur „Monumento Continuo“ auch inspirierende Gebrauchsgegenstände entworfen haben. Davon führt der tra­ditionsreiche, seit 2005 unter dem Namen Centro Studi Poltronova firmierende Hersteller einige von Beginn an im Programm. Etwa die Leuchte Gherpe. Sie wurde 1967, ein Jahr nach der Gründung von Superstudio, entworfen und besteht aus sechs gebogenen Plexiglasstreifen unterschiedlicher Länge, die an ihren Enden durch eine Drehachse miteinander verbunden sind. Zusammengeschoben bilden sie ein Art „Turm“ mit einander überlappenden Halbkreisen, aufgefächert formen sie lamellenartig einen Schirm, aus dessen Mitte die an der Achse befestigte Lichtquelle leuchtet. Niklas Maak charakterisierte sie bei der Vernissage als „kleines Monument der Unruhe“ – auf jeden Fall ist sie ein für die späten 60er Jahre typisches partizipatorisches Objekt, das trotz seiner industriell wirkenden Gestalt in Handarbeit gefertigt wird.
Der individuelle Umgang spielt auch bei den Leuchtobjekten eine Rolle, die die Nachwuchsdesigner auf der Messe vorführten. Bei der Tischlampe Focus von Susanne Tesche ist dort, wo man üblicherweise die Lichtquelle vermutet, ein konkav geformter Spiegel. Damit nimmt Tesche den Begriff „Reflektor“ wörtlich: Das von einer LED erzeugte Licht wird gleichsam über Bande in den Raum zurückgeworfen. Dabei kann der Leuchtkörper auf einem kleinen, im Lampenständer arretierten Kragarm hoch- und runtergeschoben werden, wodurch das Licht stärker gebündelt oder weiter gestreut wird. Die individuelle Bestimmung, welche Fläche beleuchtet wird, ist ganz im Sinne von „hide and show“ – so hieß das Seminar, in dem die Designstudentin der Kunsthochschule Kassel die Leuchte entwickelt hat. Fanden die ersten Versuche noch mit Taschenlampe und Kosmetikspiegel statt, soll das Endprodukt aus gefrästem Aluminium und Spritzgussteilen bestehen.
Die Hängeleuchte Pong huldigt einer besonderen Sehnsucht der Moderne, nämlich der Freiheit, einen Gegenstand ohne Bindung an einen Ort einsetzen zu können. Dank eines integrierten Akkus kann der Designer Simon Diener einen statischen Stromanschluss vermeiden und die Zuleitung scheinbar spielerisch, tatsächlich aber konsequent funktional für die Hängung einsetzen – mit dem länglichen, zylindrisch geformten Stromspeicher als Gegengewicht. So wird die Leuchte lässig über waagerechte Träger aller Art gehängt oder, mit dem Reflektor nach oben, auch auf Flächen gelegt, wenn es die Situation erfordert. Als Materialien verwendet der Student der Karlsruher Hochschule für Gestaltung Aluminium und Messing, der Leuchtkörper ist zeitgemäß natürlich eine LED.
Unter Nachwuchs ist Bernhard Osann fast nicht mehr einzuordnen. Der Tischler, Bildhauer und Produktdesigner (an der Hochschule für bildende Künste Hamburg ausgebildet) hat schon Objekte entworfen, die sich in Produktion befinden. Das wünscht man sich auch für seine Stehleuchte Neo, ein filigranes, zweifach gebogenes Stabprofil. Minimalistischer kann ein Leuchtobjekt kaum sein, das einfach an die Wand gelehnt ist. Doch an den Berührungspunkten sorgt Silikon unauffällig für Rutschsicherheit. Im oberen Teil des Profils bilden LED-Module einen schmalen Lichtstreifen, der, nach vorn gedreht, wie eine leuchtende Fortsetzung des Stabes wirkt. Zur Wand gewendet, bietet Neo eine indirekte Beleuchtung. Bei genauem Hinschauen sieht man die Kühlschlitze hinter dem Leuchtsegment – eines der Details, die zum klaren, kraftvollen Erscheinungsbild beitragen. Und das sich in Mailand durchaus noch einmal sehen lassen könnte.

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