Bauwelt

Nur Fassade?

Text: Friedrich, Jan, Berlin

Nur Fassade?

Text: Friedrich, Jan, Berlin

Der Energiewende Gestalt verleihen – dieser oft formulierte Anspruch bedeutet im kleinen Maßstab für Planerinnen und Planer vor allem: für Photovoltaik-Anlagen einen passenden Aufstellungsort finden, die Elemente so selbstverständlich wie möglich in die Fassade oder das Dach eines Gebäudes integrieren, oft wohl aber auch nur: eine Stelle finden, an der die Wärmepumpe nachträglich platziert werden kann, ohne allzu sehr im Weg herumzustehen. Uns hat für diese Ausgabe allerdings der große Maßstab der Energieerzeugung interessiert und da insbesondere die Frage: Sind Biomasseheizkraftwerke, sind Großwärmepumpen, sind Gaskraftwerke oder Umspannanlagen überhaupt architektonische Aufgaben? Und, falls sie es nicht per se sein sollten, welche Voraussetzungen braucht es, damit sie es werden?
Bevor irgendwelche Zweifel aufkommen: Uns ist bewusst, dass der Titel dieser Bauwelt „Energie ma-terialisieren“ physikalischer Unsinn ist. Energie lässt sich nicht in Materie umwandeln. Trotzdem kommen Architektinnen und Architekten, die mit der Aufgabe betraut sind, Energieinfrastrukturen eine Form zu geben, aber nicht drumherum, etwas Derartiges zu versuchen, zumindest im übertragenen Sinn. Das gut eingeübte Vokabular, an eine Entwurfsaufgabe heranzugehen – das Programm analysieren, seine Teile in einen passenden räumlichen Zusammenhang bringen, auf den Kontext beziehen, eine stringente architektonische Ausdrucksform finden und so weiter –, damit kommt man bei der Gestaltung eines Kraftwerks kaum voran, genauer gesagt: Auf diese Weise lässt sich die Entwurfsarbeit nicht beginnen. Denn die innere Struktur einer solchen Anlage, ihre räum-liche Disposition, lässt sich im Grunde nicht entwerfen, sie folgt meist ausnahmslos technischen Notwendigkeiten. Wenn man den Versuch unternimmt, aus Energieinfrastrukturen Architektur werden zu lassen, muss man sich im allerersten Schritt bewusst machen: Ich gestalte die Hülle für eine Maschine. Dann ist es im nächsten Schritt auch möglich, sich zu über-legen: Welchen Ausdruck sollte diese Hülle annehmen, um dem Wesen der Maschine, das sie umhüllt, Ausdruck zu verleihen? Muss sie das überhaupt? Wie hilft diese Hülle, eine Maschine solch gigantischen Maßstabs in den Ort zu integrieren, an dem sie steht? Kann sie das denn? Und derartige Fragen sind, selbst wann man sich dabei „nur“ mit Hüllen beschäftigt, natürlich von essenziell architektonischer Natur.
Übrigens: Ist eine solche Hülle ausreichend robust, kann sie mitunter die Lebenszeit „ihrer“ Maschine um viele Jahrzehnte überdauern. Die Mauern eines ehemaligen Heizwerks in München-Aubing sind, nach jahrelangem Dornröschenschlaf, kürzlich zu einem zweiten Leben als Kulturort wiedererweckt worden.

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