Pavillon als Residenz
Das Entsetzen über die Gräueltaten an der Grenze zum Gazastreifen ist groß. Der Staat Israel sieht sich erneut in seiner Existenz bedroht. Ende Juni, lange bevor die Spannungen im Nahen Osten am 7. Oktober mit Gewalt neu entbrannten, wurde der Wettbewerb für die neue Residenz der Deutschen Botschaft in Tel Aviv entschieden.
Text: Redecke, Sebastian, Berlin
Pavillon als Residenz
Das Entsetzen über die Gräueltaten an der Grenze zum Gazastreifen ist groß. Der Staat Israel sieht sich erneut in seiner Existenz bedroht. Ende Juni, lange bevor die Spannungen im Nahen Osten am 7. Oktober mit Gewalt neu entbrannten, wurde der Wettbewerb für die neue Residenz der Deutschen Botschaft in Tel Aviv entschieden.
Text: Redecke, Sebastian, Berlin
Natürlich tritt der Wettbewerb zur Residenz der Deutschen Botschaft in Tel Aviv vor dem Hintergrund der aktuell stark besorgniserregenden Lage mit weltpolitischen Auswirkungen weit zurück. Das Projekt ist aber nicht nur von Bedeutung für die Festigung der Deutsch-Israelischen Beziehungen, sondern auch mit Blick auf den Preisträger Gustav Düsing. Ende September erhielt der Berliner Architekt als Co-Autor des Pavillons für Studierende der TU Braunschweig den Deutschen Architekturpreis 2023. Der 39-jährige Villa-Massimo-Stipendiat und weltweit Gastvortragende und -lehrende hat bisher kaum gebaut. Man wünscht ihm, seinen Entwurf für Israel (in Zusammenarbeit mit Wolff Architekten) realisieren zu können.
Das Preisgericht für Tel Aviv entschied am 14. Juni nach der EU-weiten Ausschreibung über 17 Entwürfe. Der nicht-offene einphasige Wettbewerb war vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) ausgelobt worden. Nach Abschluss wird das BBR wie geplant ein Verhandlungsverfahren nach VgV unter den drei Preisträgern durchführen. Damit haben der zweite und dritte Preisträger theoretisch noch eine Chance.
Während die Botschaft bisher auf einer Etage in einem größeren Bürokomplex im pulsierenden Stadtzentrum untergebracht ist, befindet sich das Eckgrundstück mit der bisherigen Residenz an der Ha-Eskel-Straße in der ruhigen und grünen Wohnstadt Herzliya nördlich von Tel Aviv. Aufgabe war der Ersatz des bestehenden Gebäudes aus den 1950er Jahren, das den heutigen Anforderungen nicht mehr entspricht. Die Residenz ist Wohnsitz der Botschafts-Familie wie auch Empfangsort für Gäste. Die Liegenschaft ist seit 1977 in Bundesbesitz.
Düsing entschied sich als einziger Teilnehmer, das Bestandsgebäude der Residenz nicht abzureißen, entfernt nur zwei Vorbauten im Erdgeschoss und überspannt den Bau in seiner Architektursprache des „feinen Strichs“ mit einer an Veranstaltungen oder Witterungsbedingungen anpassbaren Hülle aus vertikalen Metalllamellen als Sicht- und Sonnenschutz. Hinsichtlich Material und Energie folgt er dem Entwurfsgedanken des „Öko-Minimalismus“.
Vorgesehen ist ein Gebäude mit drei Ebenen auf knapp 1000 Quadratmetern Fläche. Im Bereich zwischen Altbau und neuer Fassadenhaut entsteht – ressourcenschonend, durchlüftet und weder out- noch indoor – die „Middoors“-Zone: Eine großzügige, rechteckige Hülle lässt im Erdgeschoss mit Empfangs- und Speisesaal einen geschützten Raum entstehen. Die Nebenräume, die neue Innentreppe und der Aufzug sind unter der Hülle in einer L-förmigen Ergänzung angeordnet. Im Obergeschoss befinden sich hier zwei Aufenthaltszonen für Gäste.
Eine Botschaftsresidenz im Nahen Osten ist eine völlig andere Bauaufgabe als ein Studierendenhaus in Niedersachsen, dennoch sind die Entwurfsansätze in der Handschrift des Architekten teils ähnlich. Studierendenpavillon wie Botschaftsresidenz bestehen aus transparenter Hülle und Leichtbaukonstruktion in Stahl und Holz. Das Partner-Büro Wolff Architekten bearbeitete hauptsächlich den Sanierungsanteil des Bestands. Auch mit der Gartenanlage gehen die Verfasser vorsichtig um; die Vegetation wird weitgehend bewahrt. Für diese Planung war das niederländische Büro Emmerick garden design and research zuständig. Der vorgeschlagene Trockengarten mit ortstypischer Bepflanzung kommt ohne intensive Bewässerung aus.
Der zweite Preis ging an Gerber Architekten. Entsprechend ihres konzeptionellen Grundgedankens „Architektur und Landschaft im Einklang“ öffnet sich der Baukörper zur Gartenseite aufgelockert in fünf vor- und zurückspringenden Kuben. Optisch entsteht so der Eindruck von nah beisammenstehenden Einzelhäusern, deren Proportionen der Jury „etwas willkürlich“ erschienen. Begrünte Patios sollen für Atmosphäre, Querlüftung, Kühlung und Befeuchtung sorgen. Die Wohnbereiche sind um die Fugen zwischen den Kuben und den Patios angeordnet.
Den dritten Preis erhielten Sacker Architekten, mit dem Vorschlag eines Neubaus in Holz-Lehm-Bauweise. Sie folgten damit sehr konsequent der Vorgabe „Lowtech-Gebäude und Berücksichtigung der örtlichen klimatischen Parameter“ des Auslobers. Dennoch diskutierte die Jury die ausgeprägte Rasterung, die „den Gesamteindruck des Gebäudes als repräsentative Botschaftsresidenz schwächen“ würde.
Gustav Düsings sympathischer Ansatz in eindeutiger Sprache voller Leichtigkeit ist unmittelbar erlebbar. Diese einladende Offenheit und zudem sensible, feingliedrige Präsenz, die die Architektur der Residenz zum Ausdruck bringt, kann in der aktuellen Lage für Hoffnung stehen.
Nichtoffener, einphasiger Realisierungswettbewerb
1. Preis (18.500 Euro) Gustav Düsing, Berlin; wolff:architekten, Berlin; Architekten für nachhaltiges Bauen,
Verden; emmerik garden design and research, Rotterdam
2. Preis (13.000 Euro) Gerber Architekten, Dortmund
3. Preis (9.000 Euro) Sacker Architekten; freisign Landschaftsarchitektur, beide Freiburg
Anerkennung (7500 Euro) Bundschuh Architekten; 100 Landschaftsarchitektur, beide Berlin
Anerkennung (7500 Euro) LKK Lehrecke Kammerer Keiss Architekten, Berlin; Beusch Landschaftsarchitekten, Potsdam
1. Preis (18.500 Euro) Gustav Düsing, Berlin; wolff:architekten, Berlin; Architekten für nachhaltiges Bauen,
Verden; emmerik garden design and research, Rotterdam
2. Preis (13.000 Euro) Gerber Architekten, Dortmund
3. Preis (9.000 Euro) Sacker Architekten; freisign Landschaftsarchitektur, beide Freiburg
Anerkennung (7500 Euro) Bundschuh Architekten; 100 Landschaftsarchitektur, beide Berlin
Anerkennung (7500 Euro) LKK Lehrecke Kammerer Keiss Architekten, Berlin; Beusch Landschaftsarchitekten, Potsdam
Ausloberin
Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR)
Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR)
Fachpreisgericht
Markus Allmann (Vorsitz), Marianne Mommsen, Matthias Rammig, Ramona Schwertfeger, Nazmi Shehadeh
Markus Allmann (Vorsitz), Marianne Mommsen, Matthias Rammig, Ramona Schwertfeger, Nazmi Shehadeh
Verfahrensbetreuung
BBR, Ref. A2 – Projektentwicklung, Wettbewerbe, Zuwendungsbau, Landschafts- und Innenarchitektur, Kunst am Bau
BBR, Ref. A2 – Projektentwicklung, Wettbewerbe, Zuwendungsbau, Landschafts- und Innenarchitektur, Kunst am Bau
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