Bauwelt

Profanität und Nobilität

Die Architekturgalerie München präsentiert eine Auswahl von Iwan Baans Fotografien der Städte Rom und Las Vegas. Eine Gegenüberstellung zweier Städ­te die mehr gemeinsam haben, als im ersten Moment erwartet.

Text: Kammerbauer, Mark, München

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    Iwan Baans Bilder enthül­len unerwartete Parallelen und Verbindungen zwischen den beiden Städten Rom und Las Vegas. Scott Brown, Izenour und Venturi appellierten in „Learning form Las Vegas“, man solle zunächst beobachten, verstehen und erst dann be­urteilen.
    Foto: Iwan Baan

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    Iwan Baans Bilder enthül­len unerwartete Parallelen und Verbindungen zwischen den beiden Städten Rom und Las Vegas. Scott Brown, Izenour und Venturi appellierten in „Learning form Las Vegas“, man solle zunächst beobachten, verstehen und erst dann be­urteilen.

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Profanität und Nobilität

Die Architekturgalerie München präsentiert eine Auswahl von Iwan Baans Fotografien der Städte Rom und Las Vegas. Eine Gegenüberstellung zweier Städ­te die mehr gemeinsam haben, als im ersten Moment erwartet.

Text: Kammerbauer, Mark, München

Der niederländische Architekturfotograf Iwan Baan nimmt uns mit nach Rom und Las Vegas, nach Las Vegas und Rom. Zusammen mit ihm besucht man Bauten und Plätze, besichtigt Nicht­orte der Infrastruktur, bestaunt ganze Stadt­kulissen. Die Architekturgalerie München präsentiert derzeit eine Auswahl von Baans Aufnahmen aus den zwei Städten. In ihrer Gegenüberstellung wird ein Spannungsfeld zwischen Profanität und Nobilität spürbar. Die Bilder zeigen die Ewige Stadt der Antike, bedeutsam und vielschichtig und die ephemere Stadt des schnellen Profits, die Stadt der Sünde, schrill, vulgär und künstlich. 2022 fotografierte Baan die beiden Orte für die US-amerikanische Kultureinrichtung American Academy in Rome. In München werden seine Bilder insgesamt auf drei Geschossen inszeniert, wobei die gerahmten und gehängten Bilder die großen Räume schmücken und großformatig hinterleuchtete Drucke in den Zwischenbereichen pointiert Kontrapunkte setzen.
Bei der kritischen Auseinandersetzung mit der Architektur entlang des „Las Vegas Strip“, der Hauptschlagader der Stadt und bei der Betrachtung der Gassen und Plätze in Rom kommen einem sofort Gedanken an „Learning from Las Vegas“ von Denise Scott Brown, Robert Venturi und Steven Izenour. Venturi hatte als Stipendiat der American Academy in Rome die Gelegenheit, sich auch mit der „Ewigen Stadt“ zu befassen. Die Gegenüberstellung der beiden so verschiedenen Orte ist grundlegend für architektur­the­oretische Debatten über die Postmoderne. In der Ausstellung in München wird den Besuchern ein bildhafter Dialog präsentiert, der diese Debatten um eine weitere Dimension bereichert.
Die Bilder verweisen in einer zeitgemäßen Form auf das politische Raumverständnis der Vereinigten Staaten. Die oft beschworenen „Founding Fathers“, die Gründungsväter der demokratisch verfassten Republik waren sich damals, im späten 18. Jahrhundert gar nicht so sicher, ob ihre Staatsform Bestand haben würde. Das politische Raumbild, auf das die USA noch heute gerne zurückgreifen, hat daher die Architektur der griechischen und römischen Antike zum Vorbild. Dies zeigt einen Bezug zur attischen Demokratie und der römischen Republik, um der Gesellschaft eine als beständig verstandene bauliche Form zu verleihen. Dieser Ansatz ist keineswegs auf politische Repräsentationsbauten beschränkt.
Baans Bilder von Las Vegas zeigen, dass die klassizistischen Elemente dem flüchtigen Charakter des Strips eine Illusion von historischer Stabilität geben können. Dabei gilt die architektonische Einschränkung, dass wir es eben nicht mit Marmor zu tun haben, sondern mit Produkten der petrochemischen Industrie – Styropor, durch eine mineralische Schicht aufgehübscht. Das Profane simuliert also Nobilität, wir erkennen es und bewerten Bauten und Räume dementsprechend. Aber stimmt denn diese Annahme? Ist Las Vegas die profane Täuschung architektonischer Nobilität und Rom das Gegenbild, das Noble, das durch Tourismus profaniert wird? Dabei verbindet gerade der Tourismus beide Städte und macht sie zu Orten, die ihrer Geschichte und Geografie enthoben sind.
Die Negation des Orts entfaltet sich erst in Las Vegas vollkommen, wie an den mitunter ex­tremen Spannweiten stützenfreier Innenräume in den Casinos und Hotels erkennbar wird. Bei ihrer Planung wurde der menschliche Bedarf nach natürlichem Licht und natürlicher Luft komplett ausgeblendet. Es sind künstliche Orte, die uns der Fotograf offenbart. Gleichzeitig bietet uns Baan vielleicht die beeindruckendste Luftaufnahme von Rom, die existiert.
Unter den ausgestellten Bildern gibt es ein weiteres, das hervorsticht: Es handelt sich um ein Foto staunender Besucherinnen der Six­tinischen Kapelle. Darauf stehen sie mit offenen Mündern und aufgerissenen Augen. Doch der Raum, in dem sie sich befinden, wirkt für die Architekturfotografie völlig untypisch verwaschen. Hier verblasst die unerbittliche Präzision, hier kehrt das Mysterium zurück. Hier beginnt außerdem das, was Baan so ganz nebenbei erzielt: Die Verschmelzung von Rom und Las Vegas miteinander. Beide werden in Baans Objektiv zu einer imaginären Stadt, die in ihrer magischen Unschärfe zu einem Topos mutiert, in dem Profanität und Nobilität eins sind. Wie sang einst der Gouverneur des US-amerikanischen Bundesstaates Louisiana, Huey P. Long? „Every Man A King.“ Analog dieser Aussage wäre in Rom jeder Caesar zugleich ein Servus, in Las Vegas jede Gewinnerin zugleich eine Verliererin. Das Zweidimensionale des Bildes gewinnt eine emotionale Tiefenwirkung, die die Betrachter zum Nachdenken über ihr persönliches Rom, ihr persönliches Las Vegas anregt. Ganz modern gedacht können sie ja überall und zugleich sein. Oder eben in München, wo man selbst durch Baans Objektiv blicken kann.

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