Randständiges Werk
Eine Hamburger Galerie beleuchtet Biographie und Schaffen des Bauhäuslers Fritz Schleifer.
Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig
Randständiges Werk
Eine Hamburger Galerie beleuchtet Biographie und Schaffen des Bauhäuslers Fritz Schleifer.
Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig
Wer sich rund um das Bauhausjubiläum abseits der großen Schauplätze und Namen umgetan hat, ist vielleicht Fritz Schleifer (1903–1977) bereits begegnet. Er war einer der Protagonisten in der Ausstellung samt Publikation „Bauhaus in Hamburg: Künstler, Werke, Spuren“. Sie skizzierte personelle wie inhaltliche Verflechtungen zwischen der Hamburger Hochschule für Bildende Künste und dem Bauhaus während der Weimarer Republik sowie der Nachkriegszeit bis Ende der 1970er Jahre. (Bauwelt 11.2022). Im Rahmen des Hamburger Architektursommers widmen sich nun zwei Ausstellungen und eine Monographie Schleifers Lebensweg als Architekt, Künstler und Hochschullehrer. Im Herbst werden Schleifers Fotografien von Küstenlandschaften ab den 1930er Jahren in der Berliner Alfred-Erhardt-Stiftung zu sehen sein.
Schleifer, im katholischen Bayern geboren und aufgewachsen, begeisterte sich schon als jugendlicher Wandervogel für Natur und Architektur. Frühe grafische Arbeiten sowie der Entwurf eines minimierten Zelts belegen gleichermaßen künstlerisches wie konstruktives Talent. 1922 ging er ans Weimarer Bauhaus, absolvierte dort den Vorkurs und wählte anschließend die Klasse für Wandmalerei und Raumgestaltung. Auch wenn er nur bis Ende 1924 am Bauhaus blieb, um danach ein (nie abgeschlossenes) Architekturstudium im München aufzunehmen, scheinen ihm die vier Semester in Weimar die entscheidende Prägung gegeben zu haben: ein kreatives wie auch freundschaftliches Reservoir für ein künstlerisches Werk in der Synthese verschiedener Disziplinen.
Um 1927 kam Schleifer nach Hamburg, arbeitete dort unter anderem im Architekturbüro von Karl Schneider, dem einzigen Modernen in Hamburg. Nachts verfasste er eigene Wettbewerbsbeiträge, auch in Konkurrenz zu seinen Arbeitgebern. Schleifers oft isometrisch angelegte Zeichnungen griffen zu einer plakativen Grafik nahe dem sowjetischen Konstruktivismus, der zweiten prägenden Schule der Zwischenkriegsjahre. Dies trug ihm Diffamierungen in der konservativen Presse ein. „Falsche Baugesinnung“ hieß es, oder „Kniefall vor Moskau“, als er 1930/31 am Wettbewerb für ein Theater und Konzerthaus mit 4000 Plätzen in Charkiw teilnahm. Schleifers Zentralraumidee mit kreisrunder Bühne, orientiert am „Totaltheater“, das Walter Gropius um 1927 für Erwin Piscator konzipiert hatte, blieb sein größtes Projekt in einer langen Reihe nicht realisierter Bauten.
Max Sauerlandt, Direktor der Landeskunstschule, berief Schleifer 1930 zum Leiter einer der beiden, der Bauhauslehre verpflichteten Vorklassen für Architektur, die zweite übernahm ein weiterer Bauhäusler, Alfred Erhardt. Beide verloren 1933 ihre Ämter. Für Schleifer folgten instabile, freiberufliche Jahre, und, nach seiner Wiedereinstellung an der Landeskunstschule im November 1945, Zeiten voller Unverständnis für sein Beharren auf einer künstlerisch breit angelegten Architekturlehre im Geiste des Bauhauses. Er sah sich in Gemeinschaft mit seinen Studierenden, ließ sie an Wettbewerben teilhaben, so 1952 für die Neubebauung Helgolands. Kollegiale Intrigen an der Hochschule mehrten sich, der Rückhalt schwand: Schleifer blieben die Leitung einer Architekturklasse und der Rang eines Professors an der 1955 akademisch aufgewerteten Einrichtung verwehrt, denn seiner Lehre, etwa Tragwerksexperimenten in Papier- und Drahtmodellen, wurde „Hochschulqualität“ abgesprochen. 1958 schied Schleifer freiwillig aus dem Dienst.
Es folgten erstaunliche Jahre ungebrochener Kreativität mit neuen Werkabschnitten: Schwarz-Weiß-Grafiken, die mit optischen Täuschungen arbeiteten, Anaglyphen, die, durch eine Rot-Blau-Brille betrachtet, dreidimensionale Raumgebilde entfalteten, Plastiken, Designentwürfe mit seinem Sohn. Gelang es ihm, den Verlust der Mitte zu einem Gewinn des Randes umzudeuten? So will es uns zumindest der Titel einer grafischen Arbeit aus dem Jahr 1952 weißmachen: ein Quadrat, aus dessen Schwerpunkt heraus sich trapezförmige Flächen, Schaukeln genannt, spielerisch nach außen schleudern.
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