Bauwelt

Rietvelds Meisterwerk

Die Niederlande feiern in diesem Jahr das 100. Jubiläum von „De Stijl“. Eine ganze Reihe von Ausstellung und Veranstaltungen steht an. Die Rietveld-Schau im Centraal Museum Utrecht ist ein lohnender Einstieg

Text: Adam, Hubertus, Zürich

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Ausstellungsauftakt mit Rietveld-Stühlen und Schröder-Haus.
Foto: CMU/Ernst Moritz/Pictoright

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Ausstellungsauftakt mit Rietveld-Stühlen und Schröder-Haus.

Foto: CMU/Ernst Moritz/Pictoright


Rietvelds Meisterwerk

Die Niederlande feiern in diesem Jahr das 100. Jubiläum von „De Stijl“. Eine ganze Reihe von Ausstellung und Veranstaltungen steht an. Die Rietveld-Schau im Centraal Museum Utrecht ist ein lohnender Einstieg

Text: Adam, Hubertus, Zürich

1917 erschien in Leiden das erste Heft der Zeitschrift „De Stijl“. Um den umtriebigen Herausgeber Theo van Doesburg scharte sich eine Gruppe von Malern, Plastikern, Designern und Architekten. De Stijl bildete einen lockeren Zusammenschluss, keine feste Gruppe, manche traten bald wieder aus, andere kamen hinzu – zu heterogen waren die Positionen, und einige der Mitglieder sind sich wohl nicht einmal persönlich je begegnet. 1928 stellte die Zeitschrift ihr Erscheinen ein, eine letzte Gedenknummer erschien nach van Doesburgs Tod 1931.
Während in Deutschland das Bauhaus-Jubiläum 2019 noch bevorsteht, feiern die Niederlande in diesem Jahr ihren vielleicht wichtigsten Beitrag zur Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts. „From Mondriaan to Dutch Design“ lautet der Titel des Themenjahrs, das mit Ausstellungen und Veranstaltungen an vielen Orten gefeiert wird, die mit De Stijl verbunden sind. Der Schwerpunkt der Präsentationen liegt im zweiten Halbjahr, doch einige Ausstellungen sind schon jetzt zu sehen.
Dazu zählt insbesondere „Rietvelds Meesterwerk: Leve De Stijl!“ im Centraal Museum Utrecht. Die Schau fokussiert auf die frühen Jahre von Gerrit Rietveld. Angesichts vergangener Ausstellungen über den Künstler und verschiedener vorliegender Publikationen vermittelt die Schau zwar keine grundlegend neuen Erkenntnisse. Sie kann aber aus dem Vollen schöpfen, weil das Centraal Museum nicht nur das größte Rietveld-Archiv besitzt, sondern auch den Nachlass von Truus Schröder, die Rietveld 1924 mit dem Bau ihres eigenen Wohnhauses beauftragte. Resultat war das Schröder-Haus, das seit 2000 zum Unesco-Weltkulturerbe zählt und heute vom Centraal Museum betreut wird.
1888 in Utrecht geboren, begann Rietveld schon im Alter von elf Jahren als Lehrling in der Tischlereiwerkstatt seines Vaters mitzuarbeiten. Die Ausstellung dokumentiert, wie der junge Möbeltischler sich das Handwerk aneignete, Malkurse belegte, seine Ausbildung in einem Juweliergeschäft fortsetzte, Mitglied in den lokalen Künstlervereinigungen wurde und sich schließlich 1917 mit einem eigenen Betrieb selbständig machte. Dies erlaubte ihm, zweigleisig zu fahren: Kundenaufträge auszuführen und zugleich experimentelle Möbelentwürfe umzusetzen. Der Architekt Rob van t’Hoff, Mitglied von De Stijl und damals ganz im Bann von Frank Lloyd Wright, lässt die Möbel für eine Villa von Rietveld ausführen, entdeckt dessen Potenzial und vermittelt ihn an van Doesburg. Wiederholte Beiträge in De Stijl eröffnen Rietveld, der sich in Utrecht zunehmend künstlerisch einsam fühlt, eine neue Welt. Dabei stand De Stijl in seinen ersten Jahren noch gar nicht für das, was heute landläufig darunter verstanden wird. Bei der Architektur dominierten die Frank-Lloyd-Wright-Adaptionen, und Piet Mondriaan malte noch symbolistisch. Wichtige Impulse empfing dieser wohl während eines Aufenthalts 1916–18 in Laren. Weil er wegen des Krieges nicht in seine Wahlheimat Paris zurückkehren konnte, verbrachte er die Zeit in dem niederländischen Künstlerort und traf dort auf Bart van der Leck, der schon zu dieser Zeit mit rechteckigen Farbflächen und Primärfarben experimentierte.
Die Ausstellung spürt Rietvelds unterschiedlich intensiven Kontakten zu den Mitgliedern von De Stijl nach: zu Oud, Bart van der Leck, Vilmos Huszár und natürlich van Doesburg. Für eine gemeinsam mit Huszár geplante, aber letztlich nicht ausgeführte Installation entsteht 1923 der „Berlin Chair“, als asymmetrische Komposition aus Latten und Platten noch radikaler als der bekanntere „Rot-blaue Stuhl“. In nuce finden sich hier Prinzipien, die dann beim Schröder-Haus in den großen Maßstab übertragen werden.
Lange wurde das Haus als bahnbrechendes Hauptwerk des vom Tischler zum Architekten avancierten Rietveld gehandelt, heute weiß man um die entscheidende Mitwirkung von Truus Schröder. Aus der Arbeits- wurde sogar eine Lebenspartnerschaft. Mit dem durch mobile Trennwände unterschiedlich konfigurierbaren Obergeschoss revolutionierten Rietveld und Schröder das Raumverständnis des 20. Jahrhunderts. Insofern ist der Besuch des Hauses eine fast zwingende Ergänzung zur Ausstellung. Weitere Rietveld-Bauten in Utrecht sowie seiner näheren und weiteren Umgebung lassen sich mit dem Fahrrad oder dem Auto erkunden; im Shop des Museums erhält man es die Tourenbeschreibungen.
Fakten
Architekten Rietveld, Gerrit (1888-1964)
aus Bauwelt 10.2017
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