Bauwelt

Rolf Kuhn

1947–2024

Text: Hunger, Bernd, Berlin

Rolf Kuhn

1947–2024

Text: Hunger, Bernd, Berlin

Die Nachricht kam überraschend und trifft schwer: Rolf Kuhn ist gestorben. Ein Mensch, der auf seinem Lebensweg von Weimar über Dessau in die Lausitz bleibende Spuren in der deutschen Planungsgeschichte hinterlassen hat. Vor 77 Jahren in einem thüringischen Dorf geboren, studierte er in Weimar Gebietsplanung und Städtebau. Ab 1970 an die Bauakademie der DDR nach Berlin gewechselt, wandte er sich den Ansprüchen der Bewohner an ihre städtische Umwelt zu – ein Thema, das ihn nicht mehr losließ und zum Gegenstand seiner Promotion wurde. Vom Doktorvater Fred Staufenbiel nach Weimar zurückgerufen, gelang es Rolf Kuhn, am neu gegründeten Lehrstuhl für Stadtsoziologie eine innovative Form der Ausbildung zu etablieren – das „Kommunale Praktikum“. Bereits im ersten Studienjahr sollten zukünftige Stadtplanerinnen in vierwöchigen Forschungsaufenthalten systematisch beobachten und erfragen, wie Nachbarschaften ihr Wohnmilieu erleben und beurteilen. Diese gemeinschaftlichen, intensiven Stu-dien vor Ort in den Städten vermittelten den Studierenden reale Eindrücke vom Lebensalltag in Altstädten, Gründerzeitvierteln oder industriell errichteten Wohnsiedlungen, eine auch emotiona-le Erfahrung, die das Berufsethos der zukünftigenStädtebauer wesentlich prägte.
Als 1986 die Neueröffnung des Bauhauses in Dessau anstand, wurde Rolf Kuhn dessen Gründungsdirektor. Seine Berufung nutzte er als Chance, jenseits einer möglichen Musealisierung mit einem zeitgemäßen, auf aktuelle Praxis orientierten Konzept an die soziale Ausrichtung des Bauhauses anzuknüpfen. Exakt zum Ende der DDR wurde hier mit dem „Industriellen Gartenreich“ eine Vision entwickelt für einen ökologischen Wandel der Altindustrieregion zwischen Dessau, Lutherstadt Wittenberg und Bitterfeld, von der nach der Wende einige prägnante Projekte umgesetzt werden konnten, etwa Ferropolis, die „Stadt aus Eisen“ in einem ehemaligen Braunkohlentagebau, oder die Revitalisierung von bedeutsamen Werksiedlungen in Piesteritz oder Zschornewitz. Zu den bleibenden Verdiensten Rolf Kuhns gehört, das Bauhaus Dessau durch schwierige Wendezeiten manövriert und in eine Stiftung überführt zu haben, deren Direktor er dann von 1994 bis 1998 war.
Nach dem Bauhaus wagte Rolf Kuhn einen weiteren Neustart. Er zog nach Großräschen, um inmitten noch aktiver Tagebaue und einer Industrielandschaft die IBA Fürst-Pückler-Land aufzubauen. Von 2000 bis 2010 war er nicht nur deren Geschäftsführer, sondern wirklich der Spiritus Rektor, dessen Vision einer neu zu gewinnenden Kultur- und Seenlandschaft an Zeiten anknüpfte, da aus der Lausitz die Energie für große Teile der DDR kam. Den Menschen in der Region den Stolz auf ihre hier geleistete Arbeit zurückzugeben, war ihm zentrales Anliegen, aber auch Hoffnung auf eine Energieregion neuen Typs zu wecken. Über die IBA-Zeit hinaus erfolgreiche Projekte wie die begehbare Förderbrücke F 60 in Lichterfeld oder die inzwischen sogar mit Weinreben bepflanzten IBA-Terrassen am neu entstandenen Ilse-See in Großräschen sind unter Kuhns Ägide erdacht und entwickelt worden. Dank seiner unverdrossenen Hartnäckigkeitsteht die ehemalige IBA-Geschäftsstelle als Studierhaus für Seminare und Veranstaltungen bis heute offen.
Es sind nicht nur die fachlichen Verdienste, weshalb Rolf Kuhns Tod vielen so nahegeht. Für seine Freunde und Mitstreiter war Rolf Kuhn in erster Linie ein Menschenfreund – zugewandt, freundlich, humorvoll. Ein hellwacher Geist, der in kritischen Situationen nie die Nerven verlor, der Gelassenheit und Vertrauen ausstrahlte. Er konnte Menschen zusammenbringen wie kaum ein anderer. Sein Haus stand immer offen, an seinem Tisch haben Freunde und Kollegen aus aller Welt und unterschiedlichster Profession diskutiert, hier wurden Ideen geschmiedet und Feste gefeiert. Es sind so viele, denen Rolf Kuhn jetzt fehlen wird.

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