Bauwelt

Santa Monica-Bergamot Station. Auto wird zu Fahrrad

Lässt sich – ein halbes Jahrhundert nach der aktionsgesteuerten Kritik an der autogerechten Stadt – mit dem Auto noch Kunst machen? Die Methoden, mit denen sich Folke Köbberling und Martin Kaltwasser mit der Mobilität auseinandersetzen, sind brisant wie nie. Sie dokumentieren, wie das Fahrzeug mit Verbrennungsmotor gerade von der Bildfläche verschwindet.

Text: Geipel, Kaye, Berlin

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    Die beiden Fahrräder der Arbeit „Cars into Bicycles“ gibt es heute noch, die Karkasse des Saab 900 Turbo ging unterwegs verloren.
    Foto: Folke Köbberling und Martin Kaltwasser

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    Die beiden Fahrräder der Arbeit „Cars into Bicycles“ gibt es heute noch, die Karkasse des Saab 900 Turbo ging unterwegs verloren.

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Santa Monica-Bergamot Station. Auto wird zu Fahrrad

Lässt sich – ein halbes Jahrhundert nach der aktionsgesteuerten Kritik an der autogerechten Stadt – mit dem Auto noch Kunst machen? Die Methoden, mit denen sich Folke Köbberling und Martin Kaltwasser mit der Mobilität auseinandersetzen, sind brisant wie nie. Sie dokumentieren, wie das Fahrzeug mit Verbrennungsmotor gerade von der Bildfläche verschwindet.

Text: Geipel, Kaye, Berlin

„Das Auto ist die Plastik des 20. Jahrhunderts“. Folke Köbberling, Künstlerin und Professorin am Institut für architekturbezogene Kunst der Uni Braunschweig, die im Auto einen gesellschaftlichen und politischen Gegenstand, aber auch ein bildnerisches Material sieht, zitiert Wolf Vostell. Der Kölner Aktionskünstler hatte 1969 seinen Opel Kapitän in eine Parklücke in der Kölner Domstraße gesteuert, dort einbetoniert und dann zur Plastik deklariert. Die kantige Skulptur wurde mehrmals umgesetzt. Sie steht heute auf dem Hohenzollernring, und man könnte sie im Vorbeifahren mit einem Prototyp von Elon Musks Cybertruck verwechseln. Köbberling bezweifelt aber, dass uns Vostells Aussage noch weiterhilft. „Sind wir nicht längst bei der Dekonstruktion dessen angekommen, was das Auto ein ganzes Jahrhundert lang bedeutet hat?“ Die Entmythologisierung des Autos vor Augen zu führen, das haben Köbberling und ihr Partner Martin Kaltwasser in einer Reihe von Aktionen systematisch durchgeführt. Vorbei ist es mit der Vollkommenheit einer „Göttin“, die Roland Barthes in einem legendären Aufsatz über den Citroen DS beschrieben hat.
Eine erste Zerlegung mit einem kleinen Peugeot 205 findet 2008 in Graz statt. Im selben Jahr produzieren die beiden eine „Crushed Cayenne“ genannte Skulptur aus Abbruchholz, die zwei frontal verkeilten Exemplaren des größten Porschemodells gleicht.
Dann folgt in Los Angeles eine Aktion, die sich an einem Fetisch der Architekten, dem Saab 900 abarbeitet – Lieblingsauto einer ganzen Berufsgruppe. Der Schwede wurde wegen seiner lasziven Hängelinie geschätzt und stand, solange er noch in seiner ursprünglichen Form gebaut wurde, in vielen Garagen. Mit Studierenden des Art Center College of Art and Design zerlegen Köbberling und Kaltwasser ein himbeerrotes Exemplar in geschätzte 10.000 Einzelteile. Aus den verwertbaren Bestandteilen montieren sie zwei mächtige Fahrräder mit breiten Reifen und unklaren Fahreigenschaften. Sie gehorchen dabei einer selbstgestellten Demontage-Regel, bei ihrem Re-Use-Verfahren nur auf Materialien zurückzugreifen, die das Auto selbst zu bieten hat.
2013 erweitern sie ihren Radius auf die Verkehrsarchitektur und bauen vor der Münchner Pinakothek eine temporäre Parkgarage aus Gipskartonplatten, die sich durch zwei dort geparkte, selbstfahrende und ferngesteuerte Autos langsam selbst zerstört. Eine weitere Auseinandersetzung mit dem Thema benzingetriebene Mobilität folgt 2017 vor dem Museum el Eco in Mexiko. Folke Köbberling zerlegt dort wieder einmal ein fahrtüchtiges Auto in mühsamer Handarbeit. Dann katalogisiert sie die Teile und präsentiert sie anschließend im angrenzenden Museum auf zwölf Tischen.
Dem Dream Car für alle, dem billigen individuellen Fortbewegungsmittel, dem der Autoenthusiast Le Corbusier 1936 im „Voiture Minimum“ noch ein knautschiges Denkmal gebaut hat, folgt heute sein Abgesang. Während der Titel der Arbeit, „Crushed Autogeddon“, auf die ökologischen Ka­tastrophen hinweist, die man heute mit dem Auto verbindet, wird hier nur noch nüchtern sortiert und abgelegt. Besonders hübsch ist das, was vom wichtigsten Fortbewegungsmittel des 20. Jahrhunderts auf den Tischen des Museums zu sehen ist, nicht.

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