Bauwelt

Schattenrisse, Chambre Noir und virtuelle Realität

Eine von Diller Scofidio + Renfro gestaltete Ausstellung im Jewish Museum in New York würdigt Pierre Chareau, den Architekten der Maison de Verre in Pairs. Absolut sehenswert!

Text: Drewes, Frank F., Berlin

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    Blick in die Ausstellung im Jewish Museum, in den Raum mit der tomographischen Rekonstruk­­­­ti­on der Maison de Verre.
    Foto: Will Ragozzino/SocialShutterbug.com

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    Blick in die Ausstellung im Jewish Museum, in den Raum mit der tomographischen Rekonstruk­­­­ti­on der Maison de Verre.

    Foto: Will Ragozzino/SocialShutterbug.com

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    Die „Maison de Verre“ in ­Paris, die ­Pierre Chareau gemeinsam mit dem holländi­schen Architekten Bernard Bijvoet realisierte, ist das bekannteste Werk des Franzosen.
    Foto: Mark Lyon

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    Die „Maison de Verre“ in ­Paris, die ­Pierre Chareau gemeinsam mit dem holländi­schen Architekten Bernard Bijvoet realisierte, ist das bekannteste Werk des Franzosen.

    Foto: Mark Lyon

Schattenrisse, Chambre Noir und virtuelle Realität

Eine von Diller Scofidio + Renfro gestaltete Ausstellung im Jewish Museum in New York würdigt Pierre Chareau, den Architekten der Maison de Verre in Pairs. Absolut sehenswert!

Text: Drewes, Frank F., Berlin

Wenige Architekten werden in ihrem Schaffen so konsequent auf ein Gebäude reduziert, wie es Pierre Chareau (1883–1950) mit der Maison de Verre (1932) widerfahren ist. Gleichwohl war das Wohnhaus mit gynäkologischer Praxis in Paris, erbaut aus Glasbausteinen und unverkleideten Stahlträgern, mit industriell anmutenden schmiedeeisernen Details und einem Kunststoffnoppenboden, sein wichtigster Auftrag.
Chareau verdankte seine Architektur-Aufträge im Wesentlichen zwei Förderern, mit denen er und seine Frau befreundet waren. Für die Bernheimers entwarf er eine Villa und ein Golfclubhaus an der Côte d’Azur. Annie (Geb. Bernheimer) und der Gynäkologe Jean Dalsace waren zudem die Auftraggeber für die Maison de Verre, die Chareau gemeinsam mit dem holländischen Architekten Bernard Bijvoet (1889–1979) und dem Metallbauer Louis Dalbet realisierte. Wegen ihrer jüdischen Wurzeln verließen die Chareaus Frankreich und ließen sich 1940 in New York nieder. Dort mündete die Freundschaft mit dem Künstler Robert Motherwell in dem einzigen Auftrag in den USA, einem Atelierhaus für Motherwell in East Hampton (1985 abgerissen).
Streng genommen war Pierre Chareau kein Architekt, die Aufnahme in die Architekturabteilung der École des Beaux-Arts in Paris war ihm verweigert worden. Hier sind die Quellen diffus; jedenfalls verbrachte er einige Semester an der École und arbeitete von 1903 bis 1914 bei der englischen Ausstattungsfirma Warring & Gillow. Bis zur großen Depression in 1929 realisierte Chareau primär exquisite Interieurs und Möbel – der Schwerpunkt seines Schaffens.
Das Jewish Museum in New York richtet Chareau nun in Zusammenarbeit mit dem Centre Pompidou die erste Einzelausstellung in den USA aus. Die Kuratorin Esther da Costa Meyer inszenierte die Schau in einer Innenarchitektur von Diller Scofidio + Renfro. Die Ausstellung ist in vier Bereiche gegliedert, die klar voneinander abgegrenzt sind, gleichwohl aber durchlässig bleiben. Zum Auftakt werden die Möbel und Leuchten vor transluzenten, raumgliedernden Sreens präsentiert, die mittels Beamer von den bewegten Schattenrissen imaginärer Bewohner (und deren Domestiken) belebt werden. Die Schatten der Objekte gilt es genauer zu betrachten, gemalte Schatten „mogeln“ sich zwischen die realen.
Die zweite Sektion ist als Chambre Noir angelegt und präsentiert in Petersburger Hängung die private Kunstsammlung der Chareaus, deren Teilverkauf die Emigration in die USA finanzierte. Hier werden die Originale erstmals wieder fast komplett vereint gezeigt. Der dritte Abschnitt widmet sich den Interieurs, die in Form von Fotos und Plänen außenseitig in die Lichtfuge eines White Cube eingestellt sind. Innen gänzlich schwarz gehalten, zeigt der Cube Möbel aus drei Pariser Interieurs von Chareau und aus dem Garten der Maison de Verre. Erst in der Betrachtung durch eine Virtual-Reality-Brille erscheinen die Möbel in ihrem Originalkontext und in Farbe.
Das Highlight ist eine tomographische Rekonstruktion der Maison de Verre. Der Grundriss ist auf dem Fußboden aufgebracht, darüber bewegt sich eine Projektionsfläche, die den jeweiligen Schnitt durch das Haus abbildet. Somit kann das schwer zugängliche, in einem Hinterhof gelegene Gebäude in seiner Komplexität erfasst werden. An einigen Stellen stoppt die Projektionsfläche, und auf die Seitenwände des Galerieraums werden Filme projiziert, in denen der Alltag im Haus nachgespielt wird. Eine grandiose Ausstellung – wobei die Faszination zwischen Ausstellung und Ausgestelltem in der Balance bleibt.

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