Schule und Schloss
Editorial
Text: Friedrich, Jan, Berlin; Redecke, Sebastian, Berlin
Schule und Schloss
Editorial
Text: Friedrich, Jan, Berlin; Redecke, Sebastian, Berlin
Schulmangel ist kein schönes Wort; versiert muss man alle Teile des Sprechapparats einsetzen, um es einigermaßen klangvoll zu artikulieren. Der inhaltlich eng verwandte Lehrermangel, von dem jetzt, wo in vielen Bundesländern das neue Schuljahr beginnt, häufig zu lesen und zu hören ist, geht etwas leichter über die Lippen. Einen wünschenswerten Zustand beschreibt freilich auch er nicht. Denn, ganz klar: Ein Mangel, ist er einmal als solcher erkannt, muss behoben werden. Und da kann man schon auf die Idee kommen, von gewissen Standards abzusehen, die in Zeiten, in denen noch kein Mangel herrschte, unbedingt gesetzt waren. So galt es bis vor kurzem als selbstverständlich, dass, wer Schüler unterrichtet, ein ausgebildeter Lehrer sein muss. Heute kann man auch Mathematiker, Physiker, Informatiker, Chemiker, Musiker, Sportler, Künstler oder Architekt sein. Beim Versuch den eingangs angesprochenen Schulmangel zu beheben, ist das Abrücken von solchen Standards bisher nicht zu beobachten. Vielleicht, wenn Kinder übergangsweise in Containern unterrichtet werden. Aber bei dauerhaften Gebäuden glücklicherweise noch nicht. In diesem Sinn sind die Schulneubauten, die wir in dieser Ausgabe vorstellen, durchaus als Plädoyer dafür zu verstehen, mit der Behebung des einen Mangels, des Schulmangels, nicht versehentlich einen anderen zu schaffen: Architekturmangel.
Schloss Cecilienhof
Deutsches Handwerk, wie es der Architekt Paul Schultze-Naumburg mochte, aber auch englischer Tudorstil, wie es sich der Bauherr vor hundert Jahren wünschte, dazu mit der Potsdamer Konferenz 1945 ein Ort, der Weltgeschichte schrieb: Schloss Cecilienhof in Potsdam. Ebenfalls deutsch: Hier wurden zu DDR-Zeiten viele Geschäfte abgewickelt. Alexander Schalck-Golodkowski hockte in einem separaten Bereich im Schloss und traf sich mit Händlern aus dem Westen. Kunstwerke, Antiquitäten, altes Straßenpflaster, alles was die DDR für Devisen im großen Stil umsetzen konnte, war im Angebot.
In den letzten fünf Jahren wurde das Anwesen saniert, erneuert und der Rundweg durch die Gedenkstätte erweitert. Wir haben ein Interview mit den Beteiligten geführt und erfuhren staunend von der im Verborgenen liegenden Stahlkonstruktion. Bei der Neudeckung des Dachs mit Flachbiberschwanzziegeln kam Dachshaar-armierter Kalkmörtel zur Anwendung. Klingt positiv, auch was die Einhaltung des Budgets anbetrifft. Am 30. August wurde das Haus vorgestellt. Schwierig bleibt die Frage nach der Nutzung. Das Hotel ist schon lange ausgezogen, und zwei Drittel der Räume stehen seither leer. Noch fehlt die zündende Idee. Wie wär’s mit einer Schule?
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