Bauwelt

Tchobanograd

Tchoban Voss Architekten in der Architektur Galerie Berlin

Text: Schulz, Bernhard, Berlin

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    Sergej Tchobans „Museum für Architekturzeichnung“ in einer Zukunftsvision von Gottfried Müller. Er stellt sich das Haus am Berliner Pfefferberg im Jahr 2117 um unzählige Geschosse gewachsen vor. Eine illegale Dachaufstockung à la Ex-Jugoslawien?
    Zeichnung: Gottfried Müller

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    Sergej Tchobans „Museum für Architekturzeichnung“ in einer Zukunftsvision von Gottfried Müller. Er stellt sich das Haus am Berliner Pfefferberg im Jahr 2117 um unzählige Geschosse gewachsen vor. Eine illegale Dachaufstockung à la Ex-Jugoslawien?

    Zeichnung: Gottfried Müller

Tchobanograd

Tchoban Voss Architekten in der Architektur Galerie Berlin

Text: Schulz, Bernhard, Berlin

Es sei „ein außergewöhnliches Experiment“, heißt es auf dem Informationsblatt der Architektur Galerie Berlin über deren neue Ausstellung „Bilder aus Berlin“. Fürwahr, dass Architekturbüros Ansichten ihrer Bauten von Künstlern nach Herzenslaune bearbeiten, verfremden oder auch weiterdenken lassen, kommt in der heutigen Zeit makelloser Renderings für gewöhnlich nicht vor.
Doch genau das hat das in Hamburg hauptansässige Büro Tchoban Voss zum 20-jährigen ­Jubiläum seiner Berliner Dependance getan. Der starke russische Anteil an den Künstlern – fünf von elf – deutet darauf hin, dass Sergej Tchoban die Auswahl vorgenommen hat, und das geht vollkommen in Ordnung, ist doch Tchoban mit seiner Ausbildung an der Petersburger – seinerzeit noch Leningrader – Akademie selbst auch ein für seine Zeichnungen bekannter Künstler. Reiner Nagel, der Vorsitzende der Bundesstiftung Baukultur, nannte ihn in seiner Eröffnungsrede im überfüllten Galerieraum an der Karl-Marx-Allee einen „begnadeten Zeichner und zeichnenden Architekten“. Seine Liebe zur gezeichneten Architekturdarstellung hat Tchoban mit dem Bau seines „Museums für Architekturzeichnung“ am Berliner Pfefferberg (Bauwelt 28.2013) denn auch sichtbar unterstrichen.
In der Ausstellung geht es allerdings nicht um realitätsnahe Darstellung von Bauwerken, sondern um den spielerischen Umgang mit ihnen. Gottfried Müller, akademisch ausgebildeter Grafiker und mittlerweile Professor für Architekturdarstellung in Dortmund, stellt sich Tchobans Museum im Jahr 2117 vor, ein Jahrhundert voraus: Da ist das Gebäude um einige immer weiter auskragende Geschosse in die Höhe gewachsen. So kann man den Sammeltrieb, dem jedes Museum seiner Natur nach unterliegt, ironisieren. Valery Koshlyakov „zeichnet“ die Konturen des Museumsgebäudes mit farbigen Klebestreifen auf Plexiglas nach.
Eindrucksvoll ist Nikolai Makarovs Acrylgemälde vom Innenraum der Synagoge in Berlin, das den Sepiaton alter Fotografien nachempfindet und wohl auf einer absichtlich unscharfen Fo­tografie beruht. Gleich mehrere Gebäude des Büros hat Vladimir Dubossarsky fröhlich auf einer Großleinwand collagiert, deren Titel „Tchobanograd“ an die sowjetische (Un-)Sitte erinnert, Städte nach Politgrößen zu benennen: Hier aber erscheint Tchoban als der eine und einzige Baumeister seiner eigenen Stadt.
Alexander Brodsky, dieser Poet des Bauens und der Vergeblichkeit, hat einen fiktiven Schnitt durch ein Gebäude, das vage mit einem solchen des Büros zu tun hat, angelegt, mit seinen zahl­losen Treppen und Kammern mehr ein piranesischer Alptraum als ein benutzbares Bauwerk. Und schließlich grinsen vom größten der zehn gezeigten Werke zwei „Russen in Berlin (Tolstoewski Projekt)“ von der Papierarbeit, die Vrubel & Timofeeva in East-Side-Gallery-Manier gestaltet haben – links und rechts ganz groß die beiden, in der Mitte klein das „Living Levels“-Wohnhaus des Büros an der Spree, dort, wo eben auch die reale East Side Gallery, das bemalte Mauerstück, gegen allerlei Investorenwünsche in ihrem Bestand verteidigt werden musste.
Der Ertrag? Er wolle „die Architekten anregen, tiefer über Architektur nachzudenken“, erklärte Ulrich Müller zur Eröffnung, der seine Galerie als „Forum für die Auseinandersetzung mit Architektur jenseits konventioneller Ausstellungspraxis“ versteht. „Konventionell“ sind die Arbeiten der Künstler gewiss nicht. Zu viel Gedankentiefe darf man allerdings nicht in sie hineinlegen. Sie sind ein visuelles Vergnügen, wie man es sich zu einem runden Jubiläum leisten kann. Im Übrigen wäre zu wünschen, dass der großartige Sascha Brodsky einmal wieder in Berlin ausstellt. Wir kennen da ein geeignetes Museum.

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