Bauwelt

Tomáš Valena

1950 – 2019

Text: Stabenow, Jörg

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    Foto: privat

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Tomáš Valena

1950 – 2019

Text: Stabenow, Jörg

Am 3. Februar 2019 starb der Architekt, Architekturtheoretiker und Stadtforscher Tomáš Valena. Der gebürtige Prager studierte an der TU München und der Cornell University, führte 1987-96 ein Architekturbüro mit Thomas Will und lehrte 1994-2015 Städtebau und Entwerfen an der Hochschule München. Neben Entwurfspraxis und Lehre entfaltete er eine breite wissenschaftliche und baukulturelle Tätigkeit.
Überblickt man den Weg Valenas als eines kreativen Intellektuellen, dann beeindruckt vor allem das hohe Maß an Kohärenz seines Forscherlebens. Valena hatte ein großes Thema, das er wie kaum ein anderer systematisch reflektierte: die Kategorie des Ortes, die Ortsbezogenheit von Architektur und Städtebau. Entlang zweier Stränge lässt sich seine Auseinandersetzung mit dem architektonischen Ort verfolgen. In dem 1994 abgeschlossenen Kartenwerk ‚Stadt und Topographie‘ analysiert er die urbane Form europäischer Städte in ihrem Verhältnis zum Bodenrelief. In seiner ebenfalls 1994 veröffentlichten Dissertation ‚Beziehungen. Über den Ortsbezug in der Architektur‘ leistet er eine theoretische Grundlegung des Ortsbegriffs.
Die Frage drängt sich auf, was dieses Lebens­thema mit dem Menschen Tomáš Valena zu tun hatte. Er selbst konnte das Credo der Ortsfestigkeit in keiner Weise praktizieren. 1950 in Prag geboren, war er 1965 zur Emigration gezwungen, die ihn zunächst in die slowenische Heimat der Mutter, nach Ljubljana führte und im folgenden Jahr nach München, wo er 1970 sein Studium begann. Später sollte er sich in Ljubljana ein Haus bauen und in München eine Familie gründen. Valena hatte also drei Heimaten, denen er mit gleicher Intensität verbunden war. Vielleicht war es gerade diese Pluralität der Ortsbindungen, die ihn dazu befähigte, so eindringlich nach dem Ort zu fragen.
Von den drei Heimaten war Prag für ihn lange unerreichbar. Zu Zeiten des Eisernen Vorhangs war eine Rückkehr unmöglich. Sicher ist es kein Zufall, wenn in seinen Arbeiten zum Ortsbezug Prager Beobachtungen eine prominente Rolle spielten. Doch das genügte nicht. Valena baute sich eine zusätzliche Brücke, die geeignet war, zumindest zwei seiner Heimatorte nachhaltig miteinander zu verknüpfen. Dafür begab er sich in die Rolle des Architekturhistorikers und erschloss sich als weiteres großes Arbeitsfeld das Werk des slowenischen Architekten Jože Plečnik, der selbst an drei Orten aktiv war, von denen zwei, Ljubljana und Prag, mit Valenas Heimatwelten zusammenfielen.
Dann kam das Jahr 1989. Prag wurde zum Schauplatz der Samtenen Revolution, der Eiserne Vorhang fiel, der politische Umbruch erreichte auch Slowenien, das im Mai 1990 seine erste frei gewählte Regierung erhielt. Bald darauf, im Juni 1990, war Valena als Begleiter einer Delegation des slowenischen Premierministers auf dem Flug nach Prag. Im Gepäck hatte er ein Ausstellungskonzept, das dem Präsidenten Havel als binationales Kooperationsprojekt angeboten wurde. Dies war der erste Schritt zur Realisierung der Ausstellung ‚Jože Plečnik. Architecture for the New Democracy‘, die 1996 auf der Prager Burg eröffnete.
Die Ausstellungsidee erschien damals als Projekt der Stunde, das den historischen Ort und die Erinnerung an die erste tschechoslowakische Republik mit der politischen Gegenwart Tschechiens und Sloweniens verband. Für Valena war die Ausstellung zugleich ein Medium der Wiederbegegnung mit seiner Vaterstadt nach 25 Jahren. Das Thema Plečnik nutzte er als eine Art fliegenden Teppich, der es ihm erlaubte, neue Beziehungen zu seiner alten Heimat anzuknüpfen.
Valena ist dem Thema treu geblieben und hat ihm in zahlreichen Studien immer neue Facetten abgewonnen. In dem Sammelband ‚Jože Plečnik. Für eine humanistische Architektur‘, der im Sommer 2019 erscheinen soll, führt er diese Beiträge zusammen. Den Titel des Buchs kann man natürlich auf Plečnik beziehen; aber man kann ihn auch als einen Appell des Autors Valena, als sein – vielleicht unabsichtliches – Vermächtnis verstehen. Eine humanistische Architektur – was ist damit gemeint? Man darf vermuten: Der elementare Anspruch, Architektur und Stadt immer als ein Gegenüber des Menschen zu begreifen und sie in Bezug auf ihren menschlichen Wi­derpart zu definieren. Valena hat Orte, Städte, Plätze nie für sich gedacht, sondern sie stets in menschlicher Wahrnehmung und Aktivität gespiegelt.
Tomáš Valena war ein Brückenbauer; er hat Beziehungen gestiftet zwischen Orten, Menschen und Kulturen. Er hat dies getan mit Einfühlung und Beharrlichkeit, mit Weisheit und stiller Leidenschaft. Die Brücken, die er gebaut hat, laden dazu ein, auch in Zukunft beschritten zu werden.

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