Von Chemnitz nach Chicago
Editorial
Text: Crone, Benedikt, Berlin; Friedrich, Jan, Berlin; Kleilein, Doris, Berlin
Von Chemnitz nach Chicago
Editorial
Text: Crone, Benedikt, Berlin; Friedrich, Jan, Berlin; Kleilein, Doris, Berlin
Die gemeine Londoner Großstadttaube hat eine menschliche Fähigkeit für sich entdeckt: Sie steigt um. Augenzeugen berichten, es gäbe flugfaule Vögel, die morgens in die U-Bahn hüpfen, bei Bedarf sogar die Linie wechseln und, wenn sie eine „nahrhafte“ Gegend erreicht haben, wieder ins Freie flattern.
Das für Tiere noch überraschende, für den modernen Menschen selbstverständliche Nutzen eines Bewegungshelfers ist heute mehr denn je geprägt durch den ständigen Wechsel der Verkehrsmittel. Bahn, Bus, Taxi, Elektroroller, Car-Sharing, Leihfahrrad, Fähre, Flugzeug und Füße – altbewährte Vehikel treffen auf neue, durch die Digitalisierung beflügelte Konzepte. Wie in der Medienwelt verdrängt eine neue Technologie nicht die alte, sondern erweitert den Kanon.
Umso wichtiger wird der reibungslose Umstieg von einem zum anderen Verkehrsträger. Ihn müssen die Schnittstellen leisten, die Bahnhöfe, Busterminals und Flughäfen. Im Wettlauf mit den Entwicklungen gilt es die Verkehrsknoten neu zu sortieren und umzustapeln – ohne dass die Qualität der Architektur vom funktionalen Verkehrsfluss fortgerissen wird. Wir zeigen in dieser Ausgabe europäische Beispiele eines „wechselhaften“ Verkehrsbaus: von Schiene auf Schiene in Chemnitz, von Rad auf Fähre und Bahn in Holland, und – auch das gibt es noch – von der Bahn aufs Automobil in Bordeaux.
Ebenfalls dem Verkehrsbau widmet sich die Baukulturwerkstatt „Infrastruktur, Innovation, Baukultur“, die Bundesstiftung Baukultur und DB Netz AG am 20. und 21. November in Frankfurt am Main veranstalten. U.a. wird Werner Sobek über die Grundlagen für die elektrische Stadt sprechen, Kai Vöckler über Infrastrukturen als Raumbildner, und Marten Wassmann von Benthem Crouwel Architects über die neuen Bahnhöfe in Amsterdam und Rotterdam. Programm und Anmeldung auf www.bundesstiftung-baukultur.de
Architekturbiennale Chicago
Es gibt viele Gründe, nach Chicago zu reisen: Für die einen ist es Mies van der Rohe, für die anderen Frank Lloyd Wright oder die Hochhäuser von Sullivan oder Burnham & Root. Wer die zweite „Chicago Architecture Biennial“ besucht, die noch bis zum 7. Januar läuft, kann dies alles en passant mitnehmen, findet sie doch am Rande des „Loop“ (wie die Chicagoer ihre Downtown nennen) und in Laufweite des Lake Shore Drive statt. Ein Bus-Shuttle fährt die Gäste zudem den Michigansee hinauf nach Racine zum Firmensitz von SC Johnson, Wrights akribisch saniertem Hauptwerk. Doch wie positioniert sich die Biennale über das architektonische Erbe hinaus? Wie wird Architektur in Trumps Amerika verhandelt?
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