Bauwelt

Von Venedig nach Frankfurt

Making Heimat, die viel beachtete Ausstellung im Deutschen Pavillon in Venedig 2016, ist nun in Frankfurt, der Heimat der Kuratoren, angekommen. Für die Präsentation im DAM wurde sie inhaltlich erweitert. Es ist vor allem die Ausstellungsgestaltung, die begeistert.

Text: Meyer, Friederike, Berlin

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    Das Muster der Vorhänge hat das Büro Something Fantastic entworfen. Es verwebt Flaggen deutscher Bundesländer mit denen der Herkunftsländer.
    Foto: Kirsten Bucher

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    Das Muster der Vorhänge hat das Büro Something Fantastic entworfen. Es verwebt Flaggen deutscher Bundesländer mit denen der Herkunftsländer.

    Foto: Kirsten Bucher

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    Im Obergeschoss sind die Datenbblätter von 57 Bauten für Flüchtlinge zu sehen, sieben davon als Fotoessay mit Autorentexten.
    Foto: Kirsten Bucher

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    Im Obergeschoss sind die Datenbblätter von 57 Bauten für Flüchtlinge zu sehen, sieben davon als Fotoessay mit Autorentexten.

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    Die Wände im Erdgeschoss des DAM sind mit Doug Saunders Thesen und Beispielen deutscher Ankunftsorte tapeziert. Neu ist das Modell eines typischen Offenbacher Blocks.
    Foto: Kirsten Bucher

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    Die Wände im Erdgeschoss des DAM sind mit Doug Saunders Thesen und Beispielen deutscher Ankunftsorte tapeziert. Neu ist das Modell eines typischen Offenbacher Blocks.

    Foto: Kirsten Bucher

Von Venedig nach Frankfurt

Making Heimat, die viel beachtete Ausstellung im Deutschen Pavillon in Venedig 2016, ist nun in Frankfurt, der Heimat der Kuratoren, angekommen. Für die Präsentation im DAM wurde sie inhaltlich erweitert. Es ist vor allem die Ausstellungsgestaltung, die begeistert.

Text: Meyer, Friederike, Berlin

Deutschland ist ein Einwanderungsland. Mit dieser Aussage präsentierte sich der Deutsche Pavillon auf der Architekturbiennale in Venedig im Sommer 2016. Wir erinnern uns: Die Kuratoren des Deutschen Architekturmuseums Peter Cachola Schmal, Oliver Elser und Anna Scheuermann hatten eine Ausstellung unter dem Titel „Making Heimat“ konzipiert, hatten Öffnungen in die Wände des Pavillons stemmen lassen und die Räume mit Fotos und Thesen aus Doug Saunders Buch „Arrival City“ tapeziert (Bauwelt 21.2016). Auf plakative Art und Weise erklärten sie, was manch deutsche Stadt für Einwanderer attraktiv macht, wo und wie sich nach Deutschland kommende Menschen niederlassen, wie Integration im Stadtbild sichtbar wird. U-Bahnpläne aus Berlin und Frankfurt, deren Stationen mit den im Umkreis gängigen Durchschnittsmieten ergänzt sind, verdeutlichten, dass Einwanderer dorthin ziehen, wo die Mieten bezahlbar sind. Fotos aus Berlin, Hamburg, Stuttgart und Offenbach unterstützen die These, dass sie schnell Netzwerke aufbauen, selbstständig sind und ihren Geschäften vorrangig in den Erdgeschosszonen großer Städte nachgehen. Die Berliner Rütlischule stand als Beispiel für die Forderung: Die Arrival City braucht die besten Schulen. Die Ausstellung „Making Heimat“ im Deutschen Pavillon in Venedig war zur richtigen Zeit am richtigen Ort - selbstkritisch und motivierend zugleich.
Ernüchterung, aber warum?
Nun ist „Making Heimat“ im Deutschen Architekturmuseum, der Heimat ihrer Kuratoren, angekommen. Doch die Begeisterung hält sich auf den ersten Blick in Grenzen. Ist es die gute mediale Vermarktung und Vernetzung der Kuratoren, die die Inhalte der Ausstellung inzwischen als längst bekannte Schlager erscheinen lassen? Oder die veränderte politische Lage, die die Aktualität des Themas verblassen lässt? Die Balkanroute ist geschlossen, immer weniger Menschen kommen in Deutschland an, es herrscht eine Stimmung, in der Politiker eher Abschiebepraktiken als Unterkünfte diskutieren. Ist es der Umzug vom türlosen Pavillon ins Unger’sche Stützenraster des DAM, der für Ernüchterung sorgt? Oder liegt es am Unterschied zwischen dem Biennale-Kontext, in dem die Länderpavillons mit plakativen Botschaften um Aufmerksamkeit ringen, und dem Architekturmuseum in Frankfurt, das für detaillierte, wissenschaftliche und anschauliche Ausstellungen bekannt ist?
Viel gedemütigtes Offenbach
Diese Anschaulichkeit fehlt. Dabei hätte man im neu hinzu gekommenen Ausstellungsteil über Frankfurts viel gedemütigte Nachbarstadt Offenbach Möglichkeiten gehabt. Schließlich geht es ja vor allem um die Menschen, die da leben, die sich Offenbach als ihre Ankunftsstadt ausgewählt haben. Stattdessen versuchen staubtrockene Kreis- und Balkendiagrammen mit alten Klischees aufzuräumen: Offenbach ist kein Ghetto, hier leben Leute aus 143 Nationen. Offenbach ist kein krimineller Brennpunkt, Berlin, Köln und Dortmund führen die Liste der Straf­taten an. Offenbach hat die höchste Quote von Zu- und Wegzügen bezüglich der Gesamtbevölkerung in Deutschland, ist nicht nur Ankunftsstadt.
Ästhethik des Provisorischen
Trotz der Fragen und Kritik, die jemand hat, der in Venedig war und im Thema steckt, gibt es Grund genug „Making Heimat“ in Frankfurt (noch einmal) anzuschauen. Da ist zuerst die ebenfalls neu hinzugekommene Fotodokumentation von Anja Weber, die sieben Flüchtlingsunterkünfte besucht hat. Ihre Portraits und Stilleben dominieren das Obergeschoss, wo auch Datenblätter zu 50 weiteren Bauten zu sehen sind, die Architekten für Flüchtlinge geplant oder umgebaut haben. Webers Bilder zeigen nicht nur Szenen aus dem improvisierten Alltag der Bewohner, wie zum Beispiel ein Regal, auf dem der Sonntagsbraten neben Kosmetika, Koran und Notizen aus dem Deutschunterricht liegt. Sie dokumentieren auch die inzwischen fast vertraute Ästhetik der Flüchtlingsunterkünfte in ihrer Kombination aus Sperrmüll und Billignagelneu: das Fransensofa in der Lagerhalle, den Bürostuhl im Spanplattenkabuff, das Ikea-Bett im Container.
Ein weiterer Grund ist die Ausstellungsgestaltung von Something Fantastic, die dem ernsten Thema einen humorvollen Rahmen gibt, indem sie Materialien und Techniken des Provisorischen für die Präsentation adaptiert. Die Leuchtkästen mit den Bildern aus Venedig zum Beispiel sind auf Sperrholzsockel unter schwarze Gummilappen gestellt, so dass sie wie kurz mal abgestellt wirken. Da sind die Vorhänge, die zum Symbol für fehlende Privatsphäre geworden sind, da ist das Kreppband, mit dem die Fotos an der Wand befestigt sind, oder der Metallstift, der den laminierten A4-Ausdruck der Flüchtlingsunterkunft auf der Lochplatte hält, die oft als Rückwand für einfache Schränke verwendet wird.
Auf dem Symposium „Social Scale“ am Tag der Ausstellungseröffnung erinnerte der Migrationsforscher Mark Terkessidis daran, dass Migration keine Einbahnstraße ist, und dass wir uns der Normalität von Einwanderung in Deutschland stellen müssten und nicht immer so tun sollten, als wäre es etwas ganz Neues.
Für die Aufgaben, die nicht nur vor Architekten, sondern vor allen liegen, hilft „Making Heimat“ einmal mehr die Augen zu öffnen.

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