Bauwelt

Wechselkrötenparadies

Das Vorhaben einer Neubebauung der Münchner Eggarten Siedlung veranlasste die bisherigen Bewohner und eine Reihe von Naturschützern zu Protesten. Der Gewinnerentwurf im Wettbewerb für eine neue Gartenstadt stammt von studio wessendorf. Er ist der Versuch, die vorgefundene Landschaftlichkeit mit dem städtischen Wohnraumbedarf zu versöhnen.

Text: Matzig, Katharina, München

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    1. Preis Studio Wessendorf und Atelier Loidl formt Blöcke aus Neubauten mit bis zu 12 Geschossen. DieStruktur geht auf den Baumbestand ein. Die Jury erachtet den Vorschlag als „robustes Konzept“, das für Weiterentwicklung taugt.
    Abb.: Verfasser

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    1. Preis Studio Wessendorf und Atelier Loidl formt Blöcke aus Neubauten mit bis zu 12 Geschossen. DieStruktur geht auf den Baumbestand ein. Die Jury erachtet den Vorschlag als „robustes Konzept“, das für Weiterentwicklung taugt.

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    2. Preis Ernst Niklaus Fausch Partner und Hager Partner haben sich, laut Jury, besonders intensiv auf den Ort eingestellt. Sie bilden drei Bereiche aus: eine dichte Randzone im Norden, kleinteilige Bebauung in der Mitte und öffentliche Gebäude im Süden. Vor allem die Hochhäuser gaben Anlass für Kritik.
    Abb.: Verfasser

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    2. Preis Ernst Niklaus Fausch Partner und Hager Partner haben sich, laut Jury, besonders intensiv auf den Ort eingestellt. Sie bilden drei Bereiche aus: eine dichte Randzone im Norden, kleinteilige Bebauung in der Mitte und öffentliche Gebäude im Süden. Vor allem die Hochhäuser gaben Anlass für Kritik.

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    3. Preis PALAIS MAI und grabner huber lipp zeichnen eine urbane Gartenstadt – ein Wagnis, fanden die Juroren. Ihre Gebäude haben bis zu 18 Etagen. Die inneren Freiräume seien gut mit Straßen und Plätzen verwoben. Die Wohnformvielfalt befriedige den Bedarf.
    Abb.: Verfasser

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    3. Preis PALAIS MAI und grabner huber lipp zeichnen eine urbane Gartenstadt – ein Wagnis, fanden die Juroren. Ihre Gebäude haben bis zu 18 Etagen. Die inneren Freiräume seien gut mit Straßen und Plätzen verwoben. Die Wohnformvielfalt befriedige den Bedarf.

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    Anerkennung Behnisch Architekten und Treibhaus entwickeln einen verkehrsfreien Ring. Darin gruppieren sie U-förmige Baukörper. Die Juroren erachten die Bauform in der Fernwirkung als zu geschlossen, außerdem seien die Wohnformen wenig durchmischt.
    Abb.: Verfasser

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    Anerkennung Behnisch Architekten und Treibhaus entwickeln einen verkehrsfreien Ring. Darin gruppieren sie U-förmige Baukörper. Die Juroren erachten die Bauform in der Fernwirkung als zu geschlossen, außerdem seien die Wohnformen wenig durchmischt.

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    Anerkennung Tovatt ordnen die Bauten in einem klassischen Stadtgitter. Sie setzten einzelne Hochpunkte und erhalten Bestand. In der Makrobetrachtung schneidet der maßvolle Entwurf gut ab, allerdings mangele es an Vorschlägen, die Struktur zu beleben.
    Abb.: Verfasser

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    Anerkennung Tovatt ordnen die Bauten in einem klassischen Stadtgitter. Sie setzten einzelne Hochpunkte und erhalten Bestand. In der Makrobetrachtung schneidet der maßvolle Entwurf gut ab, allerdings mangele es an Vorschlägen, die Struktur zu beleben.

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    Anerkennung West 8 schließen die Kanten und öffnen die Mitte des Quartiers. Der Jury war der Entwurf zu stark fokussiert auf Einzelbaukörper. Außerdem sei der Umgang mit dem Autoverkehr konservativ und an einigen Stellen sogar gefährlich geplant.
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    Anerkennung West 8 schließen die Kanten und öffnen die Mitte des Quartiers. Der Jury war der Entwurf zu stark fokussiert auf Einzelbaukörper. Außerdem sei der Umgang mit dem Autoverkehr konservativ und an einigen Stellen sogar gefährlich geplant.

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Wechselkrötenparadies

Das Vorhaben einer Neubebauung der Münchner Eggarten Siedlung veranlasste die bisherigen Bewohner und eine Reihe von Naturschützern zu Protesten. Der Gewinnerentwurf im Wettbewerb für eine neue Gartenstadt stammt von studio wessendorf. Er ist der Versuch, die vorgefundene Landschaftlichkeit mit dem städtischen Wohnraumbedarf zu versöhnen.

Text: Matzig, Katharina, München

„Sagt mir, wo ist das Paradies. Sagt, wer die Welt zerstören ließ. Sagt mir, warum der Fisch im Fluss Und auch die Blume sterben muss. Wer bringt den Wald in Gefahr? Wer baut Mauern und Straßen, Wo ein Märchenland war? Verlor‘nes Paradies.“ Neben „Mein Freund der Baum“ der Sängerin Alexandra war es vor allem Vicky Leandros’ Umwelthit „Verlor’nes Paradies“ aus dem Jahr 1982, mit dem sich die Teilnehmer der Mahnwachen „Rettet den Eggarten“ im Februar dieses Jahres warm und wachhielten. Und natürlich mit ihrer Empörung: „Zirka 2.000 Wohnungen im Eggarten zu realisieren“, so stand es auf der Ankündigung zu lesen, „würde vergleichsweise bedeuten, z.B. 33 (!) Wohnhochhäuser mit 15 Etagen zu errichten.“ Immerhin: gruselige Punkthäuser entspringen dem Entwurf von studio wessendorf nicht, der im Juli den städtebaulichen und landschaftsplanerischen Wettbewerb für den Eggarten gewann. Der Vorschlag erhält sogar 58 Prozent der Bäume und drei historische Bauten. Dass ein Paradies im Norden Münchens verschwinden wird, ist trotzdem eine Tatsache: Fledermäuse, Wechselkröten, Fischreiher und die Bewohner der verbliebenen 20 von ehemals 62 in der Regel selbsterbauten „Hauptgebäuden bescheidenen Umfangs“ lebten bislang ausgesprochen idyllisch in der circa 21 Hektar großen historischen Gartensiedlung zwischen Lerchenauer See und Nordring.
Lange gehörte das Areal der Deutschen Bundesbahn, die darauf einen Rangierbahnhof plante. Dann wurde es zum größten Teil an die bundeseigene Immobiliengesellschaft Vivico Real Estate verkauft, die 2007 von der österreichischen CA Immobilien Anlagen AG übernommen wurde. Nach einer Ausschreibung ging 2016 das verbliebene Drittel an die Münchner Büschl-Unternehmensgruppe, die im letzten Jahr von sich reden machte, als sie das Büro Herzog und de Meuron mit der Umgestaltung des Gebiets um die ehemaligen Paketposthalle beauftragte und die Schweizer zwei Hochhäuser entwarfen. Ob es die Türme je geben wird, bleibt abzuwarten. Konkreter sind die Pläne der von CA Immo und der Büschl-Unternehmensgruppe gegründeten „Eggarten Projektentwicklung GmbH & Co. KG“: Nachdem in Zusammenarbeit mit der Stadt München ein Strukturkonzept entwickelt wurde – 1750 bis 2000 Wohnungen sollen entstehen, davon bis zu 50 Prozent in genossenschaftlicher Hand, bis zu 4,8 Hektar öffentliche Grünfläche, Einzelhandel und Dienstleistungen, eine Grundschule mit Großspielfeld und Dreifachsporthalle, sieben Kitas sowie vielfältige soziale und nachbarschaftliche Angebote – stehen jetzt die Preisträger des städtebaulichen und landschafts­planerischen Wettbewerbs fest: Das Preisgericht unter Leitung von Markus Allmann vergab, coronabedingt verspätet, unter 14 eingereichten Arbeiten einen ersten Preis an studio wessendorf zusammen mit Atelier Loidl Landschaftsarchitekten aus Berlin, einen zweiten Preis an das Büro Ernst Niklaus Fausch zusammen mit Hager Partner und Amstein + Walthert, beide aus Zürich und einen dritten an das Münchner Büro Palais Mai mit Grabner Huber Lipp Landschaftsarchitekten und Stadtplaner aus Freising.
Viel Lob gab es bei der Bekanntgabe: Juror Rainer Hofmann von bogevischs buero meinte, das Ergebnis habe mal wieder gezeigt, was ein Wettbewerbsverfahren leisten kann. Und Bauherr Büschl bedauerte, dass die Bürger nicht einmal ahnen würden, wieviel Mühe sich die Stadt und die Eigentümer geben, um ein tatsächlich modellhaftes Quartier für München entstehen zu lassen: nachhaltig, lebendig, genossenschaftlich, klimaneutral, auf den Lärm im Süden und Osten ebenso reagierend wie auf die für das Stadtklima unerlässliche Kaltluftleitbahn in Ost-West-Richtung. Mit attraktiven Freiräumen, autoarm, identitätsstiftend, erinnerungserhaltend und “demokratisch”. Kein Wunder, dass jahrelang gemeinsam mit der Stadt an der Auslobung getüftelt wurde und die Arbeiten von der Vorprüfung nicht geprüft, sondern “seziert” wurden.
Die Entscheidung für den Entwurf von studio wessendorf und Loidl fiel einstimmig. Christian Stupka, Vorstand der GIMA München, eines Zusammenschluss’ von aktuell 32 genossenschaftlich oder gemeinnützig tätigen Wohnungsunternehmen in München, ist sicher, dass der Siegerentwurf die Auslobung “genau gelesen und genau verstanden” hat: Die Planer entwickelten ein robustes Gerüst, das, der Struktur der alten Schrebergärten nicht unähnlich, die drei Quartiersgaragen am äußeren Rand vorsieht, so dass das eigentliche Wohnumfeld autofrei bleibt. Auf einen zentralen Park verzichten die Planer, sie schufen vielmehr differenzierte Außenräume. Und vor allem fanden sie mit ihren disziplinierten, in den Höhen und den Öffnungen abgestuften Blöcken ein neues Bild für Urbanität: eine zukunftsfähige Gartenstadt.
Blockstrukturen schlugen auch die weiteren Preiträger vor. Arbeiten, die Solitäre ins Grün pflanzten, etwa von Stefano Boeri Architetti, Hollwich Kushner oder UNStudio, gingen leer aus.
Die Ergebnisse sind nun Grundlage für die Diskussion im Münchner Stadtrat und das weitere Bebauungsplan­verfahren. Auf weitere Wettbewerbe, das ließen die Bauherren bei der Pressekonferenz bereits durchblicken, würden sie aus zeitlichen Gründen gern verzichten. Das sah die Leitende Baudirektorin Sabine Steger, die die Münchner Stadtbaurätin Elisabeth Merk vertrat, allerdings anders. Es bleibt also abzuwarten, ob das Ziel der Bauherren, die Planungen im Laufe des Jahres 2023 zu beenden, so dass ab 2025 mit dem Einzug der ersten Bewohner gerechnet werden kann, realistisch ist. Vicky Leandros wäre dann übrigens 73 und vielleicht in Stimmung für einen neuen Hit: “Das wiederg’wonnene Paradies”.
Städtebaulicher und landschaftsplanerischer Wettbewerb
1. Preis
(40.000 Euro) Studio Wessendorf, Berlin, mit Atelier Loidl Landschaftsarchitekten Berlin, Berlin
2. Preis (25.000 Euro) Ernst Niklaus Fausch Partner, Zürich, mit Hager Partner, Zürich & Amstein + Walthert, Zürich
3. Preis (15.000 Euro) PALAIS MAI, München, mit grabner huber lipp landschaftsarchiteken und stadtplaner partnerschaft, Freising
Anerkennungen
(je 5000 Euro) Tovatt Architects & Planners, Johanneshov; West 8 urban design & landscape architecture, Rotterdam, Behnisch Architekten, München mit Treibhaus Landschaftsarchitektur, Hamburg
Fachpreisrichter
Elisabeth Merk, Markus Allmann (Vorsitz), Paul Bauwens-Adenauer, Dietrich Fink, Rainer Hofmann, Ingo Kanehl, Birgit Kröniger, Stefan Ondracek, Franz Pesch, Verena Schmidt
Auslober
Eggarten Projektentwicklung, Grünwald
Wettbewerbsbetreuung
Dragomir Stadtplanung, München

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