Bauwelt

Weltreise ins Exil

Eine Tagung in der Akademie der Künste in Berlin beschäftigte sich mit dem wechselvollen Berufsweg von Bruno Taut

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

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    Reisepass von Bruno Taut
    Abb.: Akademie der Künste, Berlin, Bruno-Taut-Sammlung, Nr. 347

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    Bruno Taut: Tempel Shorinzan bei Takasaki, 1935,Zeichnung, Wasserfarbe und Tusche auf Karton
    Abb.: Akademie der Künste, Berlin, Bruno-Taut-Sammlung, Nr. 711

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    Bruno Taut: Tempel Shorinzan bei Takasaki, 1935,Zeichnung, Wasserfarbe und Tusche auf Karton

    Abb.: Akademie der Künste, Berlin, Bruno-Taut-Sammlung, Nr. 711

Weltreise ins Exil

Eine Tagung in der Akademie der Künste in Berlin beschäftigte sich mit dem wechselvollen Berufsweg von Bruno Taut

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

Zu den dunkelsten Kapiteln der Geschichte der Akademie der Künste (AdK) in Berlin gehört ihr willfähriges Agieren während der NS-Zeit: Zwischen 1933 und 1938 wurden 41 Mitglieder aus-geschlossen oder zum Austritt gezwungen. Andere traten aus Solidarität gleich mit aus. Eine unscheinbare Inschrift an der Fassade des Akademie-Gebäudes am Pariser Platz listet ihre Namen auf, darunter auch bekannte Architekten wie Erich Mendelsohn und Ludwig Mies van der Rohe. Richtig aufgearbeitet wurde dieses Thema bislang jedoch nicht. Eine von Thomas Flierl und Winfried Brenne, Mitglieder der Sektion Baukunst der AdK, initiierte Tagung beschäftigte sich Ende September beispielhaft mit der Biografie des Architekten, Stadtplaners und Künstlers Bruno Taut (1880–1938), der am 13. Januar 1934 aus der Akademie der Künste ausgeschlossen wurde.
Werner Heegewaldt, der Direktor des Archivs, erläuterte dabei die „Gleichschaltung“ der Akademie. Die Institution vertrat früher eine konservative Linie und nahm erst während der Ära der Weimarer Republik auch moderne Künstler und Architektinnen auf. Bereits wenige Tage nach der Machtübernahme der Nationalsozialistischen erzwang der neue Kulturminister den Austritt von Käthe Kollwitz und Heinrich Mann. Der Berliner Stadtbaurat Martin Wagner trat, um gegen diesen Ausschluss zu protestieren, daraufhin freiwillig aus. Die frei werdenden Plätze wurden mit systemnahen Kulturschaffenden neu besetzt. Die meisten Mitglieder akzeptierten die Zwangsmaßnahmen gegen ihre Kollegen. Die Akademie verlor jedoch an kulturpolitischer Bedeutung.
UdSSR, Japan und Türkei
Im Im Themenblock „Weltreise ins Exil“ wurde in mehreren Vorträgen Tauts berufliche, sich um die halbe Welt ziehende Odyssee näher vorgestellt. Thomas Flierl beleuchtete in seinem Vortrag die zahlreichen Reisen nach Moskau und Tauts Interesse für das sozialistische Bauen näher, die zu seiner Übersiedlung in die Sowjetunion 1932 führten. Dort plante er Wohnbauten, ein Intourist-Hotel und ein Theater. Weil er davon fast nichts realisieren konnte, reiste er Anfang 1933 zurück nach Berlin, wo er mittlerweile als „Marxist“ galt. Um einer drohenden Verhaftung zu entgehen, floh er über die Schweiz und weitere Stationen nach Japan. Japanische Farbholzschnitte, Fächer, Paravents und Porzellane waren in der westlichen Welt en vogue und der weitestgehend freie, auf einem klaren Raster basierende japanische Wohnraum begeisterte viele Architekten und Architektinnen.
Der Doyen der Taut-Forschung, Manfred Speidel, präsentierte eindrucksvolle Schlaglichter auf die umfangreichen persönlichen Netzwerke und wichtigsten beruflichen Stationen des Architekten im Exil. In Japan arbeitete Taut anfangs als Berater des Staatlichen Institutes für Indus-triedesign in Sendai. 1934 bis 1936 entwickelte er für das Kunstgewerbe Institut in Takasaki Entwürfe und Modelle für etwa 300 verschiedene Produkte, darunter Lampen, Teetischchen, Servierwagen, kleine Kommoden. Er konnte nur wenige kleinere Bauprojekte wie die Hyuga Villa in Atami realisieren. Einige seiner Schriften wie „Nippon mit europäischen Augen gesehen“ (1933), „Japans Kunst“ (1935), „Das japanische Haus und sein Leben“ (1937) avancierten zu Bestsellern und sind seitdem in immer wieder neuen Auflagen erschienen.
Im Jahr 1936 wurde Taut Professor für Architektur an die Akademie der Schönen Künste in Istanbul und zugleich auch Leiter des Baubüros für Schul- und Universitätsbau des Unterrichtsministeriums. Er setzte, obwohl viele der von ihm und seinen Mitarbeitern geplanten Bauten erst nach seinem Tod fertiggestellt wurden, neue architektonische Impulse. Auch seine in der Türkei erschienene „Architekturlehre“ („Mimarî Bilgisi“, 1938) war lange Zeit ein wichtiges Standardwerk.
Die Berliner Siedlungen
Immer wieder ging es bei der Tagung auch um Tauts Siedlungen. Im Großraum Berlin realisierte er bis 1932 rund 10.000 Wohnungen. Winfried Brenne (Brenne Architekten) erforschte ab den 1980er Jahren nach und nach immer mehr der sozialreformerischen Projekte wie die Waldsiedlung „Onkel Toms Hütte“ in Zehlendorf, die „Hufeisensiedlung“ in Britz, die Siedlung Schillerpark, die Gartenstadt Falkenberg und die Wohnstadt Carl Legien und sanierte sie später auch. Vier dieser Siedlungen wurden 2008 in die Liste der UNESCO-Welterbestätten aufgenommen. Brenne erläuterte ihre Wiederentdeckung und denkmalgerechte Instandsetzung. Dabei präsentierte er viele kaum bekannte Details. Um Kosten einzusparen, begann Taut beispielsweise bei der Hufeisensiedlung (1925-33) mit dem typisierten Bauen und der Serienproduktion. Eine bestimmte Haustür findet man in vielen Gebäuden wieder, einige Fensterformen auch.
Weitere Rednerinnen trugen zur baugeschichtlichen Rezeption des Architekten und den Beständen des Bruno-Taut-Archivs in der AdK vor. Parallel dazu wurden im Vorraum des Vortragssaals in mehreren Vitrinen historische Fotos und Dokumente, kleinere kunstgewerbliche Objekte, farbige Aquarell- und Tusche-Zeichnungen sowie Material- und Farbproben der denkmalgeschützten Berliner Siedlungen präsentiert.
Über Bruno Taut sind – wie bei der Tagung immer wieder gezeigt wurde – mittlerweile zahlreiche Bücher erschienen, darunter mehr als ein Dutzend Bände von Manfred Speidel. Zu dieser Legendenbildung trug Taut maßgeblich selber bei. Denn er verfasste neben seinen eigenen Veröffentlichungen auch unzählige Tagebücher und Briefe, oft gleich in dreifacher Ausführung, von denen er die beiden Durchschläge (um Überlieferungsverluste vorzubeugen) als Back-up an enge Familienangehörige verschickte: Ein gefundenes Fressen für die nachfolgenden Bauhistoriker, die daraus bei der Tagung immer wieder kurios-charmante Zitate und auch längere Textpassagen zum Besten gaben.

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