Bauwelt

Wertige Fassaden

Text: Redecke, Sebastian, Berlin; Spix, Sebastian, Berlin; Brinkmann, Ulrich, Berlin

Wertige Fassaden

Text: Redecke, Sebastian, Berlin; Spix, Sebastian, Berlin; Brinkmann, Ulrich, Berlin

Das Warenhaus, eine aussterbende Einkaufsimmobilie, wird mancherorts zum leer stehenden Schandfleck, andernorts zum Spekulationsobjekt par excellence – wie am Hermannplatz in Berlin. Hier werden große Pläne mit Begehrlichkeit an Rendite geknüpft. Aus der Erfahrung mit vergleichbarem Gebaren von Wohnungsunternehmen, ist gerade in der Hauptstadt die Skepsis gegenüber derartiger Investorenpläne groß. Der Ruf nach Intervention seitens der zuständigen Bezirke wird lauter, ein Mitbestimmungsrecht immer häufiger eingefordert. Ein politisches Instrument zur Gegensteuerung, das in einigen Bezirken angewendet wird, ist das Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten. Überregional bekannt wurde der Fall der Genossenschaft „Diese eG“: Der Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg Florian Schmidt überführte mit Hilfe des Vorkaufsrechts sechs Wohnhäuser in die Genossenschaft. Trotz einiger bereits geglückter Rückkäufe offenbart dieser Fall, wie schwierig ein solches Prozedere zu etablieren ist. Mit dem Instrument wur­-de einerseits verhindert, dass die Mietshäuser an ausländische Investmentfirmen veräußert wurden, andererseits rügte der Rechnungshof eine nicht gedeckte Haftungspflicht des Bezirks.
Auch Investoren scheinen bei der Umsetzung ihrer Vorhaben kreativ zu werden. Vor knapp zwei Jahren präsentierte Galeria Karstadt Kaufhof-Inhaber René Benko Pläne für Abriss und Neubau des Gebäudes am Hermannplatz. Mit dem Slogan „Nicht ohne Euch! – Gemeinsam die Zukunft von Karstadt am Hermannplatz gestalten!“ wirbt er um gemeinsames Planen. Eine neue Form der Mitbestimmung, oder doch nur ein Weg das eigene Vorhaben durchzubringen?

Im Kontext

Vier Projekte wissen sich in Rüsselsheim, Bonn, Berlin und Bremen zu behaupten. Die Lagen reichen von einer einfachen Arbeitervorstadt in einer kleinen Indus­triestadt über ein gründerzeitliches Wohnquartier einer alten Universitätsstadt an den Boulevard einer Metropole bis in das Herz einer Kaufmannsstadt. Die Tonalität, auf die die Architekten trafen, war also jeweils ganz unterschiedlich. Die Herangehensweise derEntwerfer aber ist ähnlich: Alle vier Büros suchten Anhaltspunkte in der Umgebung, um ihr Projekt zu definieren und auf die jeweilige Nachbarschaft abzustimmen. Entsprechend groß ist die Bandbreite des Entstandenen. Prägen hier bewusst verfremdete oder übersteigerte Motive das Ergebnis, ist es da der atemlose Versuch, zur Pracht des Bestands aufzuschließen. Man mag diesen Ansatz eher goutieren als jenen – alle vier Neubauten beweisen aber, dass die Kontextfeindlichkeit der Gegenwartsarchitektur längst ein Popanz ist: wenn diese Projekte denn mehr sind als Ausnahmen.

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