Wieder fliegen können
Nadin Heinich, Gründerin von Architecture Matters, über die Konferenz, die am 2. und 3. April in München stattfindet
Text: Friedrich, Jan, Berlin
Wieder fliegen können
Nadin Heinich, Gründerin von Architecture Matters, über die Konferenz, die am 2. und 3. April in München stattfindet
Text: Friedrich, Jan, Berlin
Ein Zitat von Dieter Rams gibt dieses Jahr das Motto von Architecture Matters vor: „Less, but better.“ Was hindert uns daran, weniger zu tun, das aber besser zu machen?
Kürzlich sprach ich mit einem Juristen, der Partner in einer der führenden Kanzleien für öffentliches Recht ist und dort große Bauvorhaben betreut. Er sagte mir: „Wenn es ums Bauen geht, müssen Sie sich die deutsche Gesetzgebung wie ein Brombeergestrüpp vorstellen. Es wächst immer dichter – und immer weniger Menschen sehen durch.“ Dass es dieses Gestrüpp gibt, darin sind sich alle einig, die Frage ist, wie gehen wir mit der Brombeerhecke um: Schneiden wir hier und da ein Loch hinein, pflanzen wir in sicherem Abstand etwas Neues, rasieren wir einmal alles brutal herunter? Doch schlägt jemand vor, diese oder jene Vorschrift wegzunehmen, gibt es fünf Leute, die irgendeinen Grund anführen, warum gerade diese kleinste Untervorschrift erhalten bleiben muss. Auch ich merke das in meinem Alltag als Unternehmerin. Wir müssen in vielerlei Hinsicht einfacher werden, Ballast abwerfen, um wieder fliegen zu können.
Kürzlich sprach ich mit einem Juristen, der Partner in einer der führenden Kanzleien für öffentliches Recht ist und dort große Bauvorhaben betreut. Er sagte mir: „Wenn es ums Bauen geht, müssen Sie sich die deutsche Gesetzgebung wie ein Brombeergestrüpp vorstellen. Es wächst immer dichter – und immer weniger Menschen sehen durch.“ Dass es dieses Gestrüpp gibt, darin sind sich alle einig, die Frage ist, wie gehen wir mit der Brombeerhecke um: Schneiden wir hier und da ein Loch hinein, pflanzen wir in sicherem Abstand etwas Neues, rasieren wir einmal alles brutal herunter? Doch schlägt jemand vor, diese oder jene Vorschrift wegzunehmen, gibt es fünf Leute, die irgendeinen Grund anführen, warum gerade diese kleinste Untervorschrift erhalten bleiben muss. Auch ich merke das in meinem Alltag als Unternehmerin. Wir müssen in vielerlei Hinsicht einfacher werden, Ballast abwerfen, um wieder fliegen zu können.
Architecture Matters bringt Menschen zusammen, die bei anderen Veranstaltungen übereinander reden, um hier miteinander zu sprechen. Ist das nach inzwischen neun Jahren, die es die Konferenz gibt, noch nötig?
Auf jeden Fall! Ich habe nicht den Eindruck, dass der Dialog zwischen den verschiedenen Beteiligten im Laufe der Jahre einfacher geworden ist. Eher, dass er unbequem ist, weil er mit teilweise konträren Sichtweisen konfrontiert, die viele lieber nicht hören wollen. Es ist einfacher, in der eigenen „Blase“ zu bleiben. Wir stehen in vielerlei Hinsicht vor grundsätzlichen Herausforderungen. Wir haben vom günstigen russischen Öl und Gas und dem chinesischen Absatzmarkt profitiert und davon, dass die USA unsere Verteidigung garantierten. Das alles ist nicht mehr gegeben. Hinzu kommt das riesige Thema Klimawandel. Unter den veränderten Rahmenbedingungen stellt sich die Frage, welche Rolle nachhaltiges Bauen derzeit spielt und in Zukunft spielen wird. In Gesprächen mit Investoren und Projektentwicklern höre ich, dass es gerade ungeheuer schwierig ist, ambitionierte Nachhaltigkeitskonzepte umzusetzen. Es sei schlicht kein Geld dafür da. Weil wir ohnehin sehr teuer bauen.
Auf jeden Fall! Ich habe nicht den Eindruck, dass der Dialog zwischen den verschiedenen Beteiligten im Laufe der Jahre einfacher geworden ist. Eher, dass er unbequem ist, weil er mit teilweise konträren Sichtweisen konfrontiert, die viele lieber nicht hören wollen. Es ist einfacher, in der eigenen „Blase“ zu bleiben. Wir stehen in vielerlei Hinsicht vor grundsätzlichen Herausforderungen. Wir haben vom günstigen russischen Öl und Gas und dem chinesischen Absatzmarkt profitiert und davon, dass die USA unsere Verteidigung garantierten. Das alles ist nicht mehr gegeben. Hinzu kommt das riesige Thema Klimawandel. Unter den veränderten Rahmenbedingungen stellt sich die Frage, welche Rolle nachhaltiges Bauen derzeit spielt und in Zukunft spielen wird. In Gesprächen mit Investoren und Projektentwicklern höre ich, dass es gerade ungeheuer schwierig ist, ambitionierte Nachhaltigkeitskonzepte umzusetzen. Es sei schlicht kein Geld dafür da. Weil wir ohnehin sehr teuer bauen.
Eigentlich wissen wir doch, wie wir einfacher bauen können, Florian Nagler hat es mit seinen Forschungshäusern längst vorgemacht.
Wenn wir das über Pilotprojekte hinaus im großen Maßstab umsetzen wollen, bedeutet das zu skalieren. Das große Geld muss sich beteiligen. Aber können Fonds, Pensionskassen, Versicherungen, die in Immobilien investieren, einfach sagen: „Wir reduzieren unsere Standards.“? Nein, das können sie nicht! Sie sind an die Investitionskriterien der Bafin gebunden, die wiederum von der EU vorgegeben werden. Die ganze Kette von Finanzierung, Entwicklung, Planen und Bauen, die steckt voller Widersprüche. Deshalb ist der Dialog zwischen Planern, Entwicklern, Finanzierern und Behörden, wie wir ihn bei Architecture Matters führen, so wichtig – wenn man wirklich etwas verändern will.
Wenn wir das über Pilotprojekte hinaus im großen Maßstab umsetzen wollen, bedeutet das zu skalieren. Das große Geld muss sich beteiligen. Aber können Fonds, Pensionskassen, Versicherungen, die in Immobilien investieren, einfach sagen: „Wir reduzieren unsere Standards.“? Nein, das können sie nicht! Sie sind an die Investitionskriterien der Bafin gebunden, die wiederum von der EU vorgegeben werden. Die ganze Kette von Finanzierung, Entwicklung, Planen und Bauen, die steckt voller Widersprüche. Deshalb ist der Dialog zwischen Planern, Entwicklern, Finanzierern und Behörden, wie wir ihn bei Architecture Matters führen, so wichtig – wenn man wirklich etwas verändern will.
Mit Kristiaan Borret, Jörn Walter, Gustav Düsing, Alessandro Gess, Andreas Rauch und Julia Löhr gibt es auf der Konferenz eine Menge Expertise, wie es in Deutschland und Europa weitergehen kann. Zum Opening aber konfrontiert mit Brinda Somayah eine Rednerin die Gäste mit einem dezidierten Blick von außen.
Brinda Somayah aus Mumbai ist eine Architektin mit viel Lebenserfahrung, die sich seit Langem für Frauenrechte einsetzt, die schon früh nicht nur neu gebaut, sondern auch umgebaut hat. Gleichzeitig bürstet sie unser gängiges Indienbild gegen den Strich, wenn sie sagt: „We cannot build for one billion people in mud and bamboo.“ In Deutschland spüren wir, dass ein Wandel nötig ist, aber wir haben Angst davor; wir sind in einer Schockstarre. Indien ist das Land mit dem größten Wirtschaftswachstum unter den G20-Staaten. Die Menschen dort freuen sich auf die Zukunft, sie wollen Zukunft gestalten – und lassen sich sicher nicht von westlichen Moralvorstellungen beeindrucken.
Anmeldung auf: architecturematters.eu
Brinda Somayah aus Mumbai ist eine Architektin mit viel Lebenserfahrung, die sich seit Langem für Frauenrechte einsetzt, die schon früh nicht nur neu gebaut, sondern auch umgebaut hat. Gleichzeitig bürstet sie unser gängiges Indienbild gegen den Strich, wenn sie sagt: „We cannot build for one billion people in mud and bamboo.“ In Deutschland spüren wir, dass ein Wandel nötig ist, aber wir haben Angst davor; wir sind in einer Schockstarre. Indien ist das Land mit dem größten Wirtschaftswachstum unter den G20-Staaten. Die Menschen dort freuen sich auf die Zukunft, sie wollen Zukunft gestalten – und lassen sich sicher nicht von westlichen Moralvorstellungen beeindrucken.
Anmeldung auf: architecturematters.eu
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