Bauwelt

Barock im Block

Ludwigsburg lässt eines seiner ältesten Quartiere aufwerten

Text: Schönwetter, Christian, Stuttgart

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1.Preis: STUDIO DIETZIG
Rendering: Architekten

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Das 1713 errichtete erste Kaffeehaus der Stadt – zuletzt eine Gaststätte – soll wieder zum Café werden

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Das 1713 errichtete erste Kaffeehaus der Stadt – zuletzt eine Gaststätte – soll wieder zum Café werden


Barock im Block

Ludwigsburg lässt eines seiner ältesten Quartiere aufwerten

Text: Schönwetter, Christian, Stuttgart

Ludwigsburg ist durch und durch Barock – mit dem Schloss im Zentrum. Dem Residenzbau gegenüber sollen Haus und Hof nun so erneuert werden, dass sie mit der Nachbarschaft mithalten können.
Mehr Barock findet man selten in Deutschland: Die absolutistische Planstadt Ludwigsburg, auf streng orthogonalem Raster angelegt, ist bis heute in großen Teilen original erhalten. Sowohl das weitläufige Re­sidenzschloss als auch die Bürgerhäuser im Zen­trum hat der Krieg weitgehend verschont. Am quadratischen Marktplatz bilden evangelische und katholische Kirche ein exakt symmetrisches Gegenüber und eine 13 Kilometer lange Achse führt von Ludwigsburg quer durch die Landschaft zum Stuttgarter Schloss Solitude. Die Chance, in einem solchen Umfeld ein kleines Stück Stadt neu zu entwickeln, bietet sich nicht alle Tage. Das Quartier „Am Kaffeeberg“ liegt in einem der ältesten Bereiche des Zentrums, vis-à-vis vom Schloss. Mit dem Auszug der Polizei wurden auf einen Schlag gleich mehrere Gebäude frei: eine Reihe denkmalgeschützter Barockbauten an der Schlossstraße und weniger bedeutende Hinterhäuser im Blockinneren und ein Eckgebäude, in dem die Gaststätte ihren Betrieb einstellte. Um sicherzugehen, dass an der für das Stadtbild wichtigen Stelle eine qualitätsvolle Bebauung entsteht, erwarb die Kommune zunächst selbst das Ensemble und bestand beim Verkauf an einen Investor darauf, dass ein Architekturwettbewerb durchgeführt wurde. Betrachtet man die Niveau-Unterschiede der eingereichten Arbeiten, so wird deutlich, dass sich dieses Vorgehen gelohnt hat – schon zwischen dem Sieger­entwurf und dem fünften Platz liegen Welten.
Der Wettbewerb gliederte sich in zwei Teile. In einem Ideenteil waren städtebauliche Vorschläge für das gesamte freiwerdende Areal gefragt, vor allem für eine neue Wohnbebauung im Blockinneren; in einem Realisierungsteil ging es um das stadtbildrelevante Eckgebäude, in dem ein Café und Büros unterzubringen waren. Dabei hatten die Teilnehmer die Wahl, das Eckhaus zu erhalten oder durch einen Neubau zu ersetzen. Es stammt zwar aus der Barockzeit, war aber in den vergangenen Jahrzehnten so stark überformt worden, dass es keinen Denkmalschutz genießt. Erwartungsgemäß schlagen fast alle Teilnehmer einen Neubau für die Ecke vor, nur zwei Arbeiten setzen auf den Bestand. Der Entwurf von Studio Dietzig wurde dafür von der Jury mit dem ersten Preis belohnt.
Das Münchner Team behält Kubatur und Grundstruktur des Hauses bei, nimmt aber gleichzeitig beherzte Eingriffe vor. Den Eingang zum Café etwa verlegt es von der Gebäudeecke in die Mitte der Fassade zur Schlossstraße, um dem Bauwerk jene Symmetrie zu geben, die für seine barocken Nachbarn typisch ist. Genau in der Spiegelachse bekommt das Dach drei gut proportionierte, modern gestaltete Gauben, die mit den Denkmalen nebenan korrespondieren. Die Fassaden werden vom Putz befreit, so dass der Rohbau mit all den Eingriffen der vergangenen Jahrhunderte sichtbar wird. Fachwerk und kleinteilige Ziegelausfachung kommen dabei ebenso ans Licht, wie großformatige Plan-Steine, mit denen Fenster zugemauert wurden. Das Ganze erhält einen vereinheitlichenden hellen Anstrich, der die Ansicht etwas beruhigt. Auf der Hofseite werden große Öffnungen in die Wände geschlagen, um die Innenräume zu belichten und das Café mit der Terrasse im Hof zu verbinden. Das Gebäude wandelt sich zur Collage aus Fragmenten unterschiedlicher Epochen – wirkt gleichzeitig modern und historisch. Genau das ist es, was der Siegerentwurf den übrigen Arbeiten voraus hat.
Im städtebaulichen Ideenteil schlägt er, wie andere auch, eine Sequenz von Höfen verschiedener Größe und Charakters vor. Sie sorgen für eine fußläufige Durchquerung des Quartiers und eine Verknüpfung mit den angrenzenden Straßen und Plätzen. Doch der Umgang mit dem Eckhaus macht den Unterschied. An der zweitplatzierten Arbeit kritisiert die Jury zu Recht die dominanten Dachgauben, an den weiteren prämierten Entwürfen abweisende Fassaden, schwer auffindbare Eingänge oder überdimensionierte Baukörper, die das benachbarte Denkmal-Ensemble bedrängen. Der Entwurf von Studio Dietzig dagegen verspricht viel: ein dezentes Einordnen in den baulichen Kontext, ein passendes Gegenüber für das Schloss, ein unaufgeregtes aber anspruchsvolles Weiterbauen an der barocken Stadt, einen Verzicht auf die große Geste. Für das alltägliche Bauen im Bestand wünscht man sich mehr davon.
Beschränkter Ideen- und Realisierungswettbewerb
1. Preis STUDIO DIETZIG, München
2. Preis Haferkamp Kramer Wilkening, Berlin
ein 4. Preis Karl Hufnagel Architekten, Berlin
ein 4. Preis
heiko sasse architekten, Dortm­­und
5. Preis gernot schulz : architektur, Köln
Fakten
Architekten STUDIO DIETZIG, München; Haferkamp Kramer Wilkening, Berlin; Karl Hufnagel Architekten, Berlin; heiko sasse architekten, Dortm­­und; gernot schulz : architektur, Köln
aus Bauwelt 41-42.2013

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