Bauwelt

Capannori, Italien

Die erste Zero-Waste-Stadt Europas

Text: Christen, Marou, Berlin

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    Ein Brett zeigt 24 „Designfehler“, darunter steht auf italienisch „Das doppelte Dutzend Dreck“.
    Foto: Alberto Bernasconi

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    Ein Brett zeigt 24 „Designfehler“, darunter steht auf italienisch „Das doppelte Dutzend Dreck“.

    Foto: Alberto Bernasconi

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    Auf dem Möbeltransporter steht auf italienisch: „Der Transporter ist schäbig, aber Daccapo ist cool“.
    Fotos Alberto Bernasconi

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    Auf dem Möbeltransporter steht auf italienisch: „Der Transporter ist schäbig, aber Daccapo ist cool“.

    Fotos Alberto Bernasconi

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    Daneben: Fahrradwerkstatt des Gebrauchtwarenzentrums „Daccapo“.
    Foto: Alberto Bernasconi

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    Daneben: Fahrradwerkstatt des Gebrauchtwarenzentrums „Daccapo“.

    Foto: Alberto Bernasconi

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    Trinkbrunnen
    Foto: Alberto Bernasconi

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    Trinkbrunnen

    Foto: Alberto Bernasconi

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    Die Möbelabteilung im Gebrauchtwarenkaufhaus „Daccapo“.
    Foto: Comune di Capannori

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    Die Möbelabteilung im Gebrauchtwarenkaufhaus „Daccapo“.

    Foto: Comune di Capannori

Capannori, Italien

Die erste Zero-Waste-Stadt Europas

Text: Christen, Marou, Berlin

Die italienische Gemeinde Capannori liegt westlich von Florenz und nimmt einen guten Teil der Ebene von Lucca ein. Rund 47.000 Einwohnerinnen und Einwohner verteilen sich auf vierzig Ortschaften. Der Kampf gegen den Müll begann hier in den 1990er Jahren. Damals protestierte die Gemeinde gegen den Bau einer Müllverbrennungsanlage – und hatte Erfolg. Doch wohin mit dem Müll, der nicht länger verbrannt werden soll? Am besten – da war und ist man sich bis heute einig – wäre es, wenn besagter Müll erst gar nicht entsteht. Als erste Kommune schloss sich Capannori im Jahr 2007 der europäischen Zero-Waste-Bewegung an. Ein eigens entwickelter Zehn-Punkte-Plan sollte die Gemeinde in eine abfallfreie Zukunft führen.
Wie viele andere italienische Kommunen implementierte Capannori ein Tür-zu-Tür-Sammelsystem und führte nach und nach auch ein verursacherbezogenes Abfallgebührensystem ein. Die Recyclingrate stieg so von 37 Prozent im Jahr 2004 auf 82 Prozent im Jahr 2022. Die Umsetzung der Maßnahmen gelang, weil die Bevölkerung frühzeitig über das Vorhaben informiert und in die Planung einbezogen wurde. Besonders erfolgreich werden in Capannori organische Abfälle vom restlichen Müll getrennt. Kompostieranlagen in den öffentlichen Kantinen verstärken diesen Effekt und auch die Bevölkerung wird ermutigt, im eigenen Heim zu kompostieren. Über dreitausend Haushalte erhielten dafür Komposter.
Dennoch macht der Restmüll in Capannori 18 Prozent des gesamten Abfallaufkommens aus. Noch ist der Rest vom Rest zu groß. Im europaweit ersten Zero-Waste-Forschungszentrum, das ebenfalls in Capannori ansässig ist, wird der Restmüll daher regelmäßig in Stichproben untersucht. Finden sich in den Säcken Abfälle, die eigentlich zum Recycling taugen, wird die Bevölkerung besser informiert. Das Zentrum tritt auch mit großen Firmen wie dem Kaffeeunternehmen Lavazza in Kontakt. Produkte und Verpackungen sollen so hergestellt werden, dass sie sich besser in den Recycling-Kreislauf fügen.
Im Rahmen der Null-Abfall-Strategie unterstützt die Gemeinde auch die Wiederverwendung, die in der Abfallhierarchie noch vor dem Recycling steht. Im Wiederverwendungszentrum „Daccapo“ werden alte Haushaltsgeräte von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern auf ihre Reparatur­fähigkeit hin überprüft. Die Gemeinde übernimmt die Instandsetzung, die Gebrauchtwaren werden dann zu günstigen Preisen weiterverkauft. Die kleine Toskana-Gemeinde kam damit einer neuen EU-Richtlinie zuvor, die ein Recht auf Reparatur vorsieht. Neben Elektrogeräten werden im Secondhand-Kaufhaus auch gebrauchte Kleidung, Schuhe, Spielzeug und Möbel entgegengenommen, in hauseigenen Werkstätten aufgearbeitet und anschließend verkauft. In Workshops können Interessierte außerdem Nähen, Polstern oder den Umgang mit Holz und Holzwerkstoffen lernen.
Seit 2004 ist das kommunale Abfallaufkommen in Capannori pro Kopf um mehr als die Hälfte zurückgegangen. 2022 produzierten die Anwohnerinnen und Anwohner der Gemeinde im Durchschnitt nur noch 325 Kilogramm Müll pro Kopf – 53,6 Prozent weniger als noch vor zwanzig Jahren. Ein Großteil davon kann heute dank der sorgfältigen Trennung in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt werden. Nur 59 Kilogramm Abfälle muss die Gemeinde pro Kopf und Jahr auf Mülldeponien entsorgen. Vor zwanzig Jahren waren das noch 440 Kilogramm.
Eigentlich wollte Capannori bis Ende 2020 „müllfrei“ sein, das heißt ein Anteil des Restmülls am kommunalen Abfallaufkommen von weniger als zehn Prozent. Im Jahr 2022, zwei Jahre nach der selbstgesetzten Frist, trennte die Gemeinde noch acht Prozentpunkte von diesem Ziel. Der Zertifizierung durch die Mission Zero Academy stand das aber nicht im Weg. Seit Juli 2022 ist Capannori eine Zero-Waste-zetifizierte Stadt – die dritte in Europa. Das Erfolgsgeheimnis der Gemeinde ist eine Kombination aus kommunalpolitischen Maßnahmen und einer konsequenten Beteiligung der Anwohnerinnen und Anwohner am Transformationsprozess.
Am Beispiel Capannori wird deutlich, dass selbst eine kleine Gemeinde im Kampf gegen den Müll nicht machtlos ist. „Manche meinen, bei Zero Waste handele es sich um eine Utopie“, sagt Rossano Ercolini, Vorstand von „Zero Waste Italy“ und Leiter des Zero-Waste-Forschungszentrums in Capannori. „Ich finde, wir müssen es doch zumindest versuchen.“
Bevölkerung
46.343 (Stand 2024)
Zero-Waste-Status
zertifizierte Stadt
Recyclingrate
82 Prozent

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