Bauwelt

Ein Acker als urbanes Spielfeld

Zunächst wirkt der neue „Klimavorzeigestadtteil“ Rothneusiedl in Wien wie ein klassisch geplantes Quartier. Bei näherer Betrachtung jedoch ist festzustellen, dass hier Vieles ziemlich neu ist. Das erstplatzierte Projekt von O&O Baukunst versteht sich als Zukunfts­experiment.

Text: Czaja, Wojciech, Wien

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    Schwarzplan mit Siegerentwurf
    Bild: O&O Baukunst, Capatti Staubach

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    1. Preis O&O Baukunst und Capatti Staubach schlagen ein fast kartesisches Grid mit Straßen, Gehwegen und fußläufig querbaren Blockrandstrukturen vor.

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    2. Preis: Studio VlayStree­ru­witz und DnD Landschaftsplanung

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    Aufgrund der besseren Erd­qualität im Norden verdichtet das Team das Quartier nach Süden, Feld und Stadt greifen fingerförmig ineinander.
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    Aufgrund der besseren Erd­qualität im Norden verdichtet das Team das Quartier nach Süden, Feld und Stadt greifen fingerförmig ineinander.

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    ein 3. Preis Rüdiger Lainer + Partner und Kräftner Landschaftsarchitektur

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    ein 3. Preis Nussmüller Architekten und Studio Boden

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Ein Acker als urbanes Spielfeld

Zunächst wirkt der neue „Klimavorzeigestadtteil“ Rothneusiedl in Wien wie ein klassisch geplantes Quartier. Bei näherer Betrachtung jedoch ist festzustellen, dass hier Vieles ziemlich neu ist. Das erstplatzierte Projekt von O&O Baukunst versteht sich als Zukunfts­experiment.

Text: Czaja, Wojciech, Wien

„Wir müssen die Art und Weise, wie wir Städte und Stadtquartiere planen, von Grund auf überdenken“, sagt Markus Penell, Geschäftsführer von O&O Baukunst in Berlin. „Mit dem heutigen Wissen in Bezug auf Klimakrise, Mobilität, Bodenverbrauch, materielle Ressourcen und Carbon Footprint in Errichtung und Betrieb ist es unsere Verantwortung, alternative Stadtmodelle zu entwickeln, die so gut sind, dass sie besser sind als alles bisher Dagewesene. Dazu braucht es Mut und Risiko. Das Experiment hat gerade begonnen.“
Bis ins 19. Jahrhundert hinein lebte Rothneusiedl im Süden von Wien von Landwirtschaft und Viehzucht. Eingeklemmt zwischen Güterbahnhof, Autobahn und Kleingartenvereinen hat sich der zum Teil rurale Charakter des fruchtbaren Lands bis heute erhalten. Es gibt Blumenwiesen zum Selberpflücken, eine Baumschule mit Weihnachtsbäumen, die Wiener Schneckenmanufaktur Gugumuck sowie den sogenannten Zukunftshof, einen ehemaligen Gutshof, auf dem künftig Konzepte für urbane Landwirtschaft entwickelt werden sollen.
Nach vielen Diskussionen zwischen Politik und Bevölkerung wurde im Frühjahr 2023 für die Bebauung des 124 Hektar großen Areals ein mehrstufiges, kooperatives, städtebauliches Verfahren ausgeschrieben. Aus insgesamt 26 Bewerbungen in der ersten Stufe wurden vier Teams zur Ausarbeitung eines Projekts eingeladen. Im Herbst 2023 wurden die Entwürfe der Öffentlichkeit vorgestellt, daraufhin startete eine mehrwöchige Dialogphase, in der Bürger*innen die Möglichkeit hatten, Anregungen zur weiteren Bearbeitung zu äußern, die schließlich in die letzte Phase eingeflossen sind. Im März 2024 wurden die überarbeiten Projekte präsentiert, unter dem Juryvorsitz von Christa Reicher (Aachen), wurde jenes von O&O Baukunst zum Sieger gekürt.
Und die von Markus Penell angerissene Experimentierfreude zeigt sich nicht nur in der Offenheit und Partizipationsvielfalt des Prozesses, sondern auch in der Radikalität des von der Stadt Wien geäußerten Zielgedankens: Nichts Geringeres als einen prototypischen „Klimavorzeigestadtteil“ wünschte sich die zuständige Magistratsabteilung 21 für Stadtteilplanung und Flächenwidmung in Kooperation mit den Wiener Stadtwerken und dem wohnfonds wien. „Und ja, der vielsilbige Projekttitel in seiner sprachlichen, phonetischen und intellektuellen Sperrigkeit“, so Penell, „ist auch Zeuge davon, wie vielschichtig und komplex die Aufgabe ist.“
Im Grunde genommen besteht der siegreiche Wettbewerbsentwurf von O&O Baukunst aus einem fast kartesischen Grid mit Straßen, Gehwegen und aufgebrochenen, fußläufig querbaren Blockrandstrukturen. Rundherum ist der zentrale, dicht verbaute Teil des Quartiers von einem grünen, 50 bis 150 Meter breiten Wiesenring umgeben. Außerhalb dieses Rings sind weitere Wohnfunktionen, öffentliche Einrichtungen wie etwa Schulen und Kindergärten sowie – im Süden und Westen des Areals – großvolumige Gewerbenutzungen vorgesehen, die zugleich als visueller, akustischer und atmosphärischer Puffer zur Autobahn und zu den angrenzenden Gütergleisen dienen.
„Auf den ersten Blick“, meint Penell, „sieht unser Rothneusiedl aus wie eine sehr klassische, traditionelle Stadtgründung, die man schon hundertmal gesehen haben muss. Doch bei näherer Betrachtung merkt man dann, dass das Bild eine Erinnerung an etwas ist, das es noch nicht gibt. Im Detail mutet alles etwas anders, etwas befremdlich, etwas verschoben an.“ Das bezieht sich nicht nur auf die städtebauliche Komposition, sondern auch auf die dahinter steckenden Überlegungen zu Landschaft, Mobilität, Energie, Kreislaufwirtschaft und Regenwasser-Management, die in einem interdisziplinär zusammengewürfelten Projektteam erarbeitet wurden.
„Rothneusiedl wird bis heute als Ackerland genutzt, und die klimatisch regulierenden Strukturen, die sich hier etabliert haben, wollen wir auch in Zukunft nutzen“, sagt Tancredi Capatti, Partner bei Capatti Staubach Urbane Landschaften. Als Beispiel nennt er die langen, linearen, bis zu 18 Meter breiten Windschutzgürtel, die an zwei Stellen von Nord nach Süd verlaufen und das Areal vor allzu großer Bodenerosion schützen. „Wir werden diese Schutzstreifen zum überwiegenden Teil beibehalten und sogar noch aufforsten. Darüber hinaus wollen wir in der Bepflanzung von Gräsern, Stauden, Sträuchern und Bäumen vor allem mit endemischen und standortgerechten Arten arbeiten.“
Die wertvolle, fruchtbare, sogenannte schwarze Erde soll nicht überbaut oder gar als Sperrmüll abtransportiert, sondern während der Bauphase zwischengelagert und auf den künftigen Frei- und Dachflächen als hochwertiges Substrat zum Einsatz kommen. Ein Glücksfall, so Capatti, könnte bei einer cleveren Nutzung auch der lokale Bodenaufbau sein, denn unter dem fruchtbaren Ackerboden befindet sich eine Kiesschicht und direkt darunter fester, wasserundurchlässiger Lehm. „Wenn wir mit geringer Flächenversiegelung und versickerungsoffenen Oberflächen arbeiten, könnte es uns gelingen, das gesamte Quartier Rothneusiedl als einen einzigen, zusammenhängenden Schwammstadt-Körper zu nutzen.“
Sehr konkrete Überlegungen gibt es auch im Bereich Verkehr. Rund um die neue U-Bahn-Station U1 Rothneusiedl ist eine urbane und hoch verdichtete Bebauung geplant, das Ziel ist eine fußläufige, autofreie Fünf-Minuten-Stadt. „Den gesamten PKW-Verkehr wollen wir am grünen Außenring mit Hochgaragen, Mobility-Points, Paketstationen und mietbaren Fahr- und Lastenrädern abfangen“, meint Oliver Wurz, Gesellschafter im Wiener Verkehrsplanungsbüro Rosinak & Partner. An diesen dezentralen Hubs, so der Plan, könnten sich auch Nahversorger und Dienstleister des täglichen Bedarfs ansiedeln.
„Innerhalb des autofreien Areals wird es zwar befahrbare Straßen für Anlieferungen, Einsatzfahrzeuge und Menschen mit eingeschränkter Mobilität geben, darüber hinaus ist aber ein autofreies Netzwerk aus befestigten und wassergebundenen Wohnstraßen, Begegnungszonen und Mischverkehrsflächen vorgesehen.“ Wurz selbst vergleicht das Verkehrskonzept mit dem römischen, bereits etablierten Modell der „Zona traffico limitato“. Um dieses umsetzen zu können, wird es jedoch gesetzliche Maßnahmen auf österreichischer Bundesebene benötigen. „Wir haben viel Zeit. Ich halte die legistischen Schritte – auch im Sinne eines Klimaschutzes über Rothneusiedl hinaus – für realistisch.“
Bevor es so weit ist, bevor die ersten Wohnbauträger-Wettbewerbe ausgeschrieben werden, müssen noch viele Entscheidungen gefällt und Vorbereitungen getroffen werden. Für das Energiekonzept zeichnet Transsolar Energietechnik verantwortlich, um das Regenwasser-Management kümmert sich Sieker Ingenieurgesellschaft, und das Know-how im Bereich Mülltrennung, Kreislaufwirtschaft und Umgang mit Wertstoffen im Bau und Betrieb stammt von Concular. „Wenn wir das Thema Zirkularität ernst nehmen wollen“, so Franziska Stein, Team Concular, „dann müssen wir auch Zwischenlager, Reallabore und Feldwerkstätten vorsehen. Das alles hat natürlich Auswirkung auf die gesamte Bau- und Prozesslogistik.“
2030 sollen die Bauarbeiten starten, 2035 sollen – nach Inbetriebnahme der neuen U-Bahn-Abzweigung – die ersten Menschen nach Rothneusiedl ziehen, bis 2045 soll der neue „Klimavorzeigestadtteil“ fertiggestellt sein. „Ich kenne europaweit nichts Vergleichbares“, sagt Markus Penell, O&O Baukunst. „Wien startet mit diesem Quartier ein Experiment und leistet auf diese Weise ein Stückchen Pionierarbeit. Die grobe Struktur steht jetzt einmal. Und nun müssen wir offen und neugierig bleiben und dürfen nicht aufhören, mit jedem Schritt dazuzulernen und das Projekt den nötigen Transformationen zu unterziehen. Wir wissen noch nicht, wie Rothneusiedl aussehen wird. Aber wir wissen, welche Qualitäten wir hier umzusetzen haben.“
Anm. d. Red.: In der Print-Ausgabe des Hefts ist eine gekürzte Version des Texts erschienen.

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