Bauwelt

Mehr Mut zur Figur!

Sport- und Freizeitbad am Brauhausberg in Potsdam

Text: Kil, Wolfgang, Berlin

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1.Preis: gmp Berlin

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Mehr Mut zur Figur!

Sport- und Freizeitbad am Brauhausberg in Potsdam

Text: Kil, Wolfgang, Berlin

Der Brauhausberg in Potsdam, eine der wichtigsten zentrumsnahen Freiflächen der Stadt, soll eine neue Schwimmhalle erhalten. Einem städtebaulichen Wettbewerb im Frühjahr (Heft 12.2013) folgte nun der Wettbewerb zur Gestaltung des Bades.
Auf dem stadtseitigen Hang des Brauhausbergs, dem „Stadtbalkon“ von Potsdam, wird ein Hallenbad mit prägnanter Hängedachschale (Architekt: Karl-Heinz Birkholz) betrieben. Die Stadtwerke wollen den 70er-Jahre-Bau nun durch ein neuzeitliches Sport- und Freizeitbad mit Saunalandschaft und Gastronomie ersetzen. Zur veranschlagten Bausumme von 23 Millionen Euro soll der Verkauf der oberen Hanghälfte an Wohnbauwillige kräftig beitragen. Ein Städtebauwettbewerb Anfang des Jahres hatte hier also über die grundsätzliche Neuaufteilung der Hangfläche zwischen privater Wohn- und öffentlicher Freizeitnutzung zu befinden. Obwohl bei der öffentlichen Diskussion der Ergebnisse die Wohnbebauung im Vordergrund stand, ging es auch um bindende Vorgaben für den neu zu errichtenden Badekomplex. Ein anschließend europaweit ausgeschriebener Generalpla­nerwettbewerb für das Sport- und Freizeitbad wurde im Juli unter sieben gesetzten und 13 hinzugelosten Teilnehmern entschieden. Es gab drei Preisränge und zwei Anerkennungen, der Entwurf des ersten Preises (gmp Berlin mit Hubert Nienhoff) wurde vom Preisgericht zur Ausführung empfohlen.
Badelandschaften zählen wahrscheinlich zu den angenehmsten und beliebtesten Bauaufgaben für Architekten, ist man bei ihrer Gestaltung doch ausgiebig mit den eher freundlichen Seiten des Lebens befasst. Auch darf angenommen werden, dass bei dieser Wohl­fühl-Investition die Auftraggeber sich bei den Kosten nicht immer nur am untersten Limit bewegen. Ungeachtet dessen hat sich, vor allem bei kommunalen Badetempeln, durch viele funktionale und hygienische Vorgaben ein gewisses Korsett aus Routinen gebildet. Die entsprechenden Passagen in den Ausschreibungsunterlagen lesen sich oft schon wie Checklisten für spätere Prüfingenieure – Spielräume für originelle, gar extravagante Lösungen sind beschränkt. Es ist davon auszugehen, dass die einschlägig bewanderten Sachpreisrichter in der Jury die funktionalen Vor- und Nachteile der einzelnen Vorschläge gebührend abgewogen haben.
Kritische Reflexion hingegen ist angebracht bei den stadträumlichen Konsequenzen, die die Juryentscheidung mit sich bringt. Dies gilt umso mehr, als beiden Preisgerichten mit Heinz Nagler derselbe ausgewiesene Städtebauprofessor vorsaß. Womöglich ist ja bei einem solchen Doppelverfahren die planerische Weichenstellung durch alle Realisierungsphasen hindurch zu verfolgen? Und siehe da, wie schon beim Städtebauwettbewerb lassen sich auch für das Badegelände zwei grundsätzliche Haltungen ausmachen, die sich an der Frage scheiden: Wie wichtig ist der Ort als Landschaft? Wie viel an natürlichem Grünraum wollen wir so nahe am Stadtzentrum behalten? Wenn im oberen Teil die geplanten Villen erst einmal stehen, wird vom jetzt noch frei zugänglichen Parkgelände zu Füßen des alten Landtages nicht mehr viel übrig sein. Umso wichtiger ist der Umgang mit den vom Badekomplex nicht beanspruchten Flächen – gerade da nur durch den Erhalt öffentlicher Wege eine minimale Chance besteht, die Ruine des einst beliebten Terrassenlokals „Minsk“ jemals zu reanimieren.
Also: Welche Reste vom Brauhausberg könnten öffentlich begrünt und begehbar bleiben? Der erste Preisträger (gmp), noch konsequenter der Drittplatzierte (Ludes Generalplaner) machen da eindeutige Angebote, zu deren stärkerer Ausformulierung man sich gern noch weitere Ermahnungen der Jury gewünscht hätte. Allerdings suggerieren die beiden Entwürfe auch, dass eine klare funktionelle Differenzierung offenbar nur durch voluminöse Großkubaturen zu erreichen sei. Die fatale Folge: Beide Entwürfe könnten genauso prägnant und selbstbewusst im Irgendwo stehen – vor Verwechselungen mit beliebigen Stadthallen oder Multiplexen sei gewarnt. Dagegen weckt die plastische Architekturlandschaft der Zweitplatzierten eine Ahnung: Könnte es sein, dass solch topografisch exponierte Standorte doch mehr Mut zur ausgreifenden Figur brauchen?
Dieses ewige Pochen auf „klare Raumkanten“ hilft längst nicht überall. Es ist nämlich nicht das „Treppen-Thema“, das auf das komplexe Raumgebilde von Gewers&Pudewill neugierig macht, sondern die Tatsache, dass hier ein Baukörper auf sein landschaftliches Umfeld reagiert! Und da, auf einmal, kommt einem die verworrene Vorgeschichte dieses Bauvorhabens wieder in den Sinn – und erscheint plötzlich in ganz anderem Licht: Hatte die Stadt doch 2005 noch den greisen Oscar Niemeyer gebeten, für ihren Brauhausberg ein Badeparadies zu entwerfen. Sicher hätte der brasilianische Altmeister den Potsdamern kein Highlight seines Œuvres mehr zu bieten vermocht, aber für den sanften Hang, gegenüber vom dröge nachgemachten Schloss, hätte er mit schwungvoller Geste garantiert mehr Gespür bewiesen.
Nichtoffener Wettbewerb mit vorgeschaltetem Bewerbungsverfahren
1. Preis gmp Berlin; HMI – Hartwich Mertens Ingenieure, Berlin; b.i.g. – bechtold ING, Berlin
2. Preis Gewers&Pudewill, Berlin
3. Preis Ludes Generalplaner, Berlin
Aner­ken­nung CODE UNIQUE, Dresden+Dähne Architekten, Dresden
Anerkennung pbr – Planungsbüro Rohling, Berlin

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