Bauwelt

Vom Wert des Vorhandenen und dessen Zukunft

Die Tallinn Architecture Biennale zeigt im Estonian Center for Architecture eine Ressourcen-Sammlung für zukünftige Architektur – geprägt durch Erfahrungen der Chefkuratorin im Ukraine-Krieg

Text: Schäfer, Theresa, Berlin

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    „Resources For A Future“ – die 7. Tallinner Architekturbiennale läuft bis 1. Dezember
    Foto: Tonu Tunnel

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    „Resources For A Future“ – die 7. Tallinner Architekturbiennale läuft bis 1. Dezember

    Foto: Tonu Tunnel

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    Eine Installation als Verweis – der abstrakte Vorschlag „Space of Earth“ wird seine Qualität im Stadtraum vor dem Estonian Center for Architecture unter Beweis stellen.
    Foto: Tonu Tunnel

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    Eine Installation als Verweis – der abstrakte Vorschlag „Space of Earth“ wird seine Qualität im Stadtraum vor dem Estonian Center for Architecture unter Beweis stellen.

    Foto: Tonu Tunnel

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    Die Materialstudie von KAMP Arhitektid ist für ein Einfamilienhaus. Das Prinzip könnte aber auch auf andere Bauten übertragen werden.
    Foto: Tonu Tunnel

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    Die Materialstudie von KAMP Arhitektid ist für ein Einfamilienhaus. Das Prinzip könnte aber auch auf andere Bauten übertragen werden.

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    „No Small Matter“ zeigt, dass kleine Eingriffe die Qualität unbeliebter Plattenbauten verbessern können-
    Foto: Tonu Tunnel

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    „No Small Matter“ zeigt, dass kleine Eingriffe die Qualität unbeliebter Plattenbauten verbessern können-

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    Das Büro Déchelette Architecture veranschaulicht die Qualität seiner Bauten wie „Quatre-Cheminées“ in Boulogne-Billancourt durch eine sensorische Erfahrung
    Foto: Tonu Tunnel

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    Das Büro Déchelette Architecture veranschaulicht die Qualität seiner Bauten wie „Quatre-Cheminées“ in Boulogne-Billancourt durch eine sensorische Erfahrung

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    Siegerprojekt des Open Call „For This Situation“: „NO TIME TO WASTE“
    Foto: Brasebin Terrisse

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    Siegerprojekt des Open Call „For This Situation“: „NO TIME TO WASTE“

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    Das Diagramm zeigt die ursprünglich geplante Länge und die verschiedenen mitgedachten Nutzungsszenarien
    Brasebin Terrisse

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    Das Diagramm zeigt die ursprünglich geplante Länge und die verschiedenen mitgedachten Nutzungsszenarien

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    Materialität und Konstruktion konnten im Gegensatz zur Länge wie geplant umgesetzt werden
    Foto: Andrejs Zacests

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    Materialität und Konstruktion konnten im Gegensatz zur Länge wie geplant umgesetzt werden

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    Die Chefkuratorin Anhelina L. Starkova und ihre beiden Co-Kuratoren Daniel A. Walser und Jaan Kuusements waren ursprünglich Teil eines gleichgestellten, vierköpfigen Teams.
    Foto: Helen Shets

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    Die Chefkuratorin Anhelina L. Starkova und ihre beiden Co-Kuratoren Daniel A. Walser und Jaan Kuusements waren ursprünglich Teil eines gleichgestellten, vierköpfigen Teams.

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    "A building Repurposing itself" von pihlmann architects & Hampus Berndtson
    Foto: Tonu Tunnel

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    "A building Repurposing itself" von pihlmann architects & Hampus Berndtson

    Foto: Tonu Tunnel

Vom Wert des Vorhandenen und dessen Zukunft

Die Tallinn Architecture Biennale zeigt im Estonian Center for Architecture eine Ressourcen-Sammlung für zukünftige Architektur – geprägt durch Erfahrungen der Chefkuratorin im Ukraine-Krieg

Text: Schäfer, Theresa, Berlin

Mittelalterliche, kleinteilige Altstadt im Kern der Stadt, um diesen herum sowjetische Großbauten, in den Lücken und auf Brachflächen Stadtquartiere nach dem Vorbild europäischer Städte (Stadtbauwelt 225, 6.2020) inklusive autogerechter Erschließung, prestigeprächtiger Fassaden, vergleichsweise hoher Mietpreise und Gentrifizierung. Das Stadtbild Tallinns spiegelt die Geschichte der Stadt von der Burg bis zur Hauptstadt des unabhängigen Estlands wider. Wie aber sieht die Zukunft dieser von vielen Einflüssen geprägten Stadt aus, und welche Rolle spielt das bereits Vorhandene darin?
Die Tallinner Architekturbiennale 2024 (TAB 2024), die siebte ihrer Art, verknüpft Vorhandenes und Zukunft unter dem Titel „Resources For A Future“. Zu sehen sind 14 Exponate im Estonian Center for Architecture, vom abstrakten Vorschlag, dass die Erde als öffentlicher Raum bereits besteht und über Gräben und Bepflanzung differenziert werden kann („Space of Earth“ von Laura Cristea und Raphael Zuber), über Materialstudien von lokalen Baumaterialien („Mine+Craft“ von KAMP Arhitektid) bis zu konkreten Umbaumaßnahmen in sowjetischen Plattenbauten („No Small Matter“ von Elina Liiva und Helena Männa / PAKK). Im Mittelpunkt der Ausstellung befindet sich das Projekt „Ornamental Records from Tallinn“ von Déchelette Architecture aus Frankreich. Zwischen 20 rohen Erdsäulen mit eingebauten Holz- und Metallresten erklingt Musik. Diese gibt die Geräusche der handwerklichen Herstellung wieder und untermalt die sensorischen Qualitäten einer „Post-Kohlenstoff-Architektur“.
Obwohl das Kuratoren-Team die Projekte in drei thematische Bereiche – „Materials“, „Building Concept“ und „Social Intelligence“ gliedert, ist die Ausstellung eine lose Ansammlung unterschiedlicher Blickwinkel auf die Ressourcen der Architektur. Individuell gestaltete Vorstellungen leiten in die Arbeiten ein. Gemeinsam ist den Projekten, dass die Chefkuratorin Anhelina L. Starkova sie als die radikalsten Denkansätze aus einer Liste von über 500 Architekturteams sieht. Wer also nach einem klaren Bild der Zukunft sucht, wird nicht fündig werden. Die Biennale versteht sich als Bündelung von Wissen. Dazu gehören auch ein Bücherforum, Produktvorstellungen aus der Industrie sowie Workshops und in der Eröffnungswoche ein Symposium.
Des Weiteren gehört für die TAB 2024 dazu, dieses Wissen in die breite Öffentlichkeit zu tragen. Anstatt der in den vergangenen Jahren skulpturalen, temporären Pavillons direkt vor dem Architekturzentrum war dieses Jahr in dem Open Call „For This Situation“ ein Unterstand für den Baltic Jaam gesucht. Als Hauptbahnhof ist dieser einer der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte in Tallinn und Durchgangsort für viele Menschen.
Gewonnen hat den Wettbewerb das Projekt „NO TIME TO WASTE“ von Elisabeth Terrisse de Botton (Spanien) und Matthieu Brasebin (Frankreich), dessen Titel angesichts der Nicht-Fertigstellung bis zum offiziellen Eröffnungstermin neue Bedeutung zu kam. Die Tallinner Öffentlichkeit schien noch nicht bereit dazu zu sein, einen Bushalteunterstand aus Bauabfällen und recycelten Materialien mitten auf einem öffentlichen Platz zu haben. Der Bau verzögerte sich, die ursprünglich geplante Länge reduzierte sich auf einen kleinen Abschnitt. Räumlich besteht der Pavillon aus mauerähnlichen Einfriedungen. Diese beziehen sich auf die ägyptischen Gabionen und bestehen aus Metallgittern, gefüllt mit recycelten Ziegeln und altem Bauschutt. Aufgrund ihrer großen Last ermöglichen sie den sicheren Stand ohne Fundamente in der Erde und damit einen rückstandslosen Rückbau. Über ihnen spannt ein Dach aus alten Holzbalken und Trapezblechen. Im Entwurf sind Nutzungsmöglichkeiten mitgedacht, damit der Pavillon sich an verändernde Situationen vor Ort anpassen kann – „For This Situation“ eben.
Wie wichtig ihr diese grundlegenden Fragen um Raum und Materialien sowie eine andere Sicht auf die Architektur als durch die Brille von Prestige und Investitionen sind, betont Anhelina L. Starkova. Sie koordinierte das Projekt bis kurz vor der Eröffnung aus der Ukraine heraus und war in Charkiw, als dort der russische Angriffskrieg begann. Im Schutzbunker erlebte sie den Raum als Fortsetzung ihres Körper: Wenn dieser den Angriff übersteht, dann wird auch sie überleben.
So ist die TAB 2024 eine Ausstellung, die einen Bogen über Estland hinaus spannt, indem sie nach den beständigen Werten der Architektur unabhängig von politischen und modischen Einflüssen fragt. Gleichzeitig ergründet sie, was Architekten und Architektinnen trotz Klimakrise und Kriegszerstörungen antreibt, Architektur zu gestalten.


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