Bauwelt

Brauereihalle in Kirchheim unter Teck


Unter der Burg Teck wird am Kirchheimer Stadtrand Bier gebraut, in einer markan­ten Industriehalle, die Brauerei auf Zeit ist. In seiner Gestaltung schlägt das Projekt eine gelungene Brücke zwischen zweck­­mäßi­­ger Zurückhaltung und ambitioniertem Design.


Text: Kraft, Caroline, Mannheim


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    Für die Form der Fabrik­halle orientierten sich die Architekten auch ...
    Foto: Sebastian Schels

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    Für die Form der Fabrik­halle orientierten sich die Architekten auch ...

    Foto: Sebastian Schels

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    ... an Erich Mendelsohns Hutfabrik in Luckenwalde.
    Foto: Sebastian Schels

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    ... an Erich Mendelsohns Hutfabrik in Luckenwalde.

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    Die Nordfassade ist voll­flächig, ergänzt um ein Oberlicht, transluszent ausgebildet.
    Foto: Sebastian Schels

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    Die Nordfassade ist voll­flächig, ergänzt um ein Oberlicht, transluszent ausgebildet.

    Foto: Sebastian Schels

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    Derzeit dominieren die Geräte der Erstnutzer die Halle: Braukessel, Bierbänke und eine Bar. Sie sind rückbaubar, und so könnten andere Nutzungen einziehen.

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    Derzeit dominieren die Geräte der Erstnutzer die Halle: Braukessel, Bierbänke und eine Bar. Sie sind rückbaubar, und so könnten andere Nutzungen einziehen.

Die Gebäudetypologie „Brauerei“ löst unweigerlich Assoziationen in eine bestimmte Richtung aus: Backsteinfassade, gemauerter Schornstein, gut lesbarer Schriftzug der Biermarke. Mindestens eines dieser Merkmale trifft sicher auf die meisten deutschen Brauhallen zu, ob historischer oder moderner Bauzeit. Im schwäbischen Kirchheim unter Teck stellte das lokale Architekturbüro mehr* architekten im Frühjahr 2021 einen Industriebau fertig, dem man seinen aktuellen Zweck – Brauerei mit Bierverkauf und Veranstaltungsort – von außen höchstens durch die davor platzierten klassischen orangenen Sitzbankgarnituren und Sonnenschirme ansieht.
Zwischen TÜV, Straßenmeisterei und Autohändlern lugt ein glatter Betongiebel über eine Steinmauer. Der – vor allem hier – dynamisch anmutende längliche Baukörper liegt an einer wenig befahren Straße. Bis auf die letzten Meter versteckt er sich im Sommer hinter einer ausladenden Baumkrone. Vogelzwitschern, Autorauschen – sonst Stille. Die Brauerei liegt am Rand der Kreisstadt Kirchheim, abseits ihres alten Kerns. Dass Industriebauten die Nachbarschaft des „Kulturbiergartens“ bilden, ergibt sich da­raus, dass als Bauaufgabe nicht explizit eine Brauerei, sondern eine Industrie-Gewerbehalle vorgesehen war. So sollen auch andere Nutzungen in der Halle umsetzbar sein. Das Startup „Braurevolution“, dessen Bieretiketten mehr* architekten ebenfalls entwarfen, ist Mieter auf unbestimmte Zeit.
Alle auf die Brauerei angepassten Anlagen sind rückbaubar. Und doch ist das Erscheinungsbild des Baus abgeleitet von den großen Indus­triebauten des 20. Jahrhunderts – man muss es nur wissen. Die eigenwillige Dachform, asymmetrisch und an einen Schornstein erinnernd, gibt dem Projekt seine unverkennbare Kubatur. Erich Mendelsohns Luckenwalder Hutfabrik von 1923 war für die Dachform bildgebend. Historische Industriebauten sind oft ikonisch in Form und Materialität, teils überzeichnet, erinnern in ihrer Raumaufteilung zeitweise gar an sakrale Räume. Dabei wird der Dachausformung eine Sonderrolle zuteil, der Grundriss bleibt eher funktional und einfach. Nach einigen Formstudien war so die schlichte Ausgangsform der Einraum-Satteldachhalle für die Kirchheimer Brauerei gefunden. Die aufgesetzte Dachgaube erzeugt also, simpel aber wirksam, das charakteristische Erscheinungsbild der Halle und schafft die bauhistorische Referenz. Aus Kostengründen sind die Giebelwände nicht aus Backstein gemauert, sondern aus Betonteilen zusammengesetzt, was der Brauerei neben ihrem markanten Querschnitt Eigenständigkeit verleiht.
Auch im Innenraum profitiert der Stahlträgerbau von seiner äußeren Form: Ein Profilglas-Lichtband auf der Nordseite der Dachgaube taucht den rund 750 Quadratmeter großen Hallenraum in gleichmäßiges Tageslicht, was der Arbeits­atmosphäre zugute kommt. Entlüftet wird der Raum über Klappen auf der gegenüberliegenden Seite des Dachaufsatzes.
Die Betonfassade des Eingangsbereichs durchbrechen eine übergroße kreisförmige Fensteröffnung und eine pastellgrüne Doppelflü­gel­tür. An der Südseite der Halle befindet sich, durch ein schweres Industrietor mit Vordach gekennzeichnet, die Anlieferung. Im Innenraum setzt sich die gut durchdachte Formensprache fort. Raumprägend sind die Giebelwände mit Dachgaube. Die Raumstruktur ist sofort lesbar und schnell zu erschließen. Die Halle besteht aus einem Raum mit eingestellten Elementen – links Bar- und Bürobereich, rechts die charakteristischen Braukessel. Die klare Raumgliederung wird durch einen unaufdringlichen Farbkanon gestärkt: Weiße Stahlträger, transluzentes Profilglas und helle Holztöne schaffen eine Hülle für handwerkliche, bodenständige Braukunst.
Im Vergleich zu anderen Brauereien ist diese, gemäß Auftrag, im Innenraum nicht stark inszeniert, das Material schlicht und industriell gehalten. Der WC- und Küchenkubus mit technischen Anlagen ist aus Beton gefertigt und nicht rückbaubar. Auf Stahlstützen, holzverschalt und losgelöst von der Bodenfläche, befindet sich dahinter der Büro-Kern. Dieser Bereich transportiert Werkstatt-Charakter und ist reversibel.
Im nördlichen Bereich des Innenraums stehen silberne und kupferne Braukessel. Hier wird der Blick auf die Dachkonstruktion durch nichts gestört, Tageslicht kann ungehindert einfallen.
Die beiden Giebelseiten sind innen akustisch und klimatisch wirksam mit naturfarbenen Holzwolleplatten verkleidet. Im massiven Industrieregal an der Schmalseite des Baukörpers lagern Kisten, Bänke und Flaschen – alles ist offen einsehbar, nichts wird versteckt. Auch die Elemente von Haustechnik und Dachkonstruktion sind überall sichtbar. Die Halle ist funktional und nicht prätentiös, industriell und dabei von ästhetischem Anspruch: An der nördlichen Längsseite des Baus steht die Flaschenwaschanlage – eine hellgrüne Maschine, die als Inspiration für den Farbton der Eingangstür diente. Gleichzeitig ist die architektonische Haut, wie vorgesehen, losgelöst von ihrem Innenleben und könnte auch anderen produzierenden Nutzungen Raum geben.
Für mehr* architekten, die sich ansonsten vorwiegend mit Wohnungsbauprojekten beschäf­tigen, war diese Bauaufgabe sicherlich eine willkommene Abwechslung. Raumhöhe und -aufteilung sowie die verwendeten Materialien unterscheiden sich klar von der Gestaltung von Wohnräumen. Leider hat die Brauereihalle im Indus­triegebiet Kirchheims, das sich im Süden entlang der Bundesstraße erstreckt, wenig Laufkundschaft, und das dürfte sich in naher Zukunft kaum ändern. Vermutlich werden vor allem Radreisende Bier und Bau entdecken. Effekt-Architektur wäre hier jedenfalls fehl am Platz gewesen. Ganz wie beim Bierbrauen, haben bei diesem Brauereibauen wenige und gute Zutaten zum besten Ergebnis geführt.



Fakten
Architekten mehr* architekten, Kirchheim unter Teck
Adresse Faberweg 24/1, 73230 Kirchheim unter Teck


aus Bauwelt 15.2022
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